Die Kunsthalle Basel zeigt eine neue Auftragsarbeit
von Coumba Samba (geb. 2000), deren Praxis die
Formen und Politiken institutioneller Macht und Kontrolle
sowie die Nachwirkungen kolonialer und staatlicher
Gewalt untersucht. Häufig greift sie dabei auf spezifische
Farbtöne aus Nationalflaggen, Archiven und offizi-
ellen Insignien zurück, die sich zunächst wie formale
Konstruktionen lesen lassen, tatsächlich jedoch
Träger historischer und politischer Bedeutung sind.
Wild wild wall entfaltet sich als monumentale
Skulptur: 176 Vierkantrohre durchziehen die Rückwand
der Kunsthalle Basel, im Abstand von je vier Zoll
(10,16 Zentimetern). Dieser Abstand wurde erstmals
unter George W. Bush eingeführt und später von
der Trump-Regierung beim Bau der Grenze zwischen
Mexiko und den USA übernommen. Auf den ersten
Blick wirkt es wie eine einfache Abfolge schwarzer und
grauer Streifen; tatsächlich orientiert sich die Arbeit
an den entsättigten Tönen des Ehrenabzeichens der U.S.
Border Patrol und spiegelt deren charakteristische
Reihenfolge wider. Diese vielschichtige Übertragung
zeigt, dass Farben und Formen zwar neutral erscheinen
können, tatsächlich aber von Geschichten der Gewalt,
der Exklusion und der Kontrolle durchdrungen sind.
Tear down this wall (Reissen Sie diese Mauer nieder!) –
erscholl 1987 der Ruf aus Westberlin in Richtung
Brandenburger Tor und markierte einen symbolischen
Moment des Kalten Krieges. Die Berliner Mauer,
errichtet mit dem stillen Einverständnis der UdSSR,
bestand von 1961 bis 1989 als ein zentrales Symbol
ideologischer Spaltung. Diese historische Dissonanz
lieferte den Vereinigten Staaten die argumentative
Grundlage, um internationale Allianzen zu festigen und
ihre Einwanderungspolitik zu verschärfen. Mit dem
Anfang der 1980er Jahre und der Einführung des Pro-
gramms zur Aufnahme von Flüchtlingen in den
USA (U.S. Refugee Resettlement Programme) kamen
die meisten der rund drei Millionen aufgenommenen
Flüchtlinge aus Vietnam, Kuba oder der ehemaligen
Sowjetunion. In dieser Zeit wurde das Wort «Flücht-
ling» im US-Sprachgebrauch weitgehend mit «dem
Kommunismus entflohen» gleichgesetzt. Im
Gegensatz dazu galten Flüchtlinge aus Haiti als «ernst-
haftes nationales Problem». Die Asylpolitik war
stärker von geopolitischer Zugehörigkeit bestimmt
als von individuellen Erfahrungen der Gewalt oder
Verfolgung. Ab den 1990er Jahren wendeten die Behör-
den erhebliche Summen auf, um eine Mauer
entlang der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze
zu bauen.2
Gracie Mae Bradley und Luke de Noronha definieren in
ihrem Buch Against borders nationalismus als
«Kolonialismus, der sich in die Gegenwart frisst»2 Sie
argumentieren, dass Nationalstaaten relativ junge
politische Formationen seien, geformt aus den Hinter-
lassenschaften von Imperien, Kolonialismus und
Sklaverei. Samba begreift Grenzziehungen nicht als
neutrale Akte, sondern als Instrumente der Klassifizierung.
Sie dienen dazu, Bevölkerungen auf Grundlage
kultureller und biologischer Merkmale zu hierarchisieren
und tragen damit zur Reproduktion rassialisierter
Ausschlusssysteme in globalem Massstab bei.
Sambas Forschung konzentriert sich darauf zu zeigen,
dass Grenzen, grösstenteils von dominanten Mächten
errichtet, dazu dienen, Ideologien der Trennung zu unter-
mauern und eine vermeintliche Ordnung vor dem
«Chaos» abzuschirmen, das angeblich jenseits dieser
Grenzen herrscht. Ihrer Ansicht nach machen das
raue Grenzgelände und die autoritäre Kontrolle durch
Patrouillen, die kaum überwacht werden, die Grenze
zu einer Art Wildnis, in der Gerechtigkeit kaum Platz
findet. Historische und politische Entwicklungen
von Grenzgebieten, ihre symbolische Bedeutung sowie
die unterschiedlichen Praktiken von Asyl- und
Migrationspolitik bilden den Rahmen, in dem sich
Wild wild wall verortet. Die Installation greift dieses
Geflecht unterschiedlicher Beziehungen auf und stellt
es in einen räumlichen und visuellen Kontext.
Indem sie diese Ideen in die Sprache von Form
und Farbe übersetzt, unterstreicht die Künstlerin, wie
historische Machtverhältnisse fortbestehen. In
Wild wild wall ist der Missklang zwischen Symbolen
und Realität in den Worten der Künstlerin deutlich:
«Vier Zoll, gerade breit genug, um die Luft auf der
anderen Seite zu berühren.»
Notizen
1 Siehe Eileen Truax, We built the wall: how the U.S. Keeps
out asylum seekers from Mexico, Central America and beyond,
London/New York: Verso, 2018.
2 Gracie Mae Bradley und Luke de Noronha, Against borders:
the case for abolition, London/New York: Verso, 2022.
















