Die Gruppenausstellung Rotation in der Galerie Thomas Schulte zeigt Werke von acht Künstler:innen und beleuchtet den lebendigen Austausch unterschiedlicher Positionen in der Galerie von den späten 1960er-Jahren bis heute. Durch vielfältige Medien und Ansätzen untersuchen Richard Deacon, Lena Henke, Franka Hörnschemeyer, Matt Mullican, Leunora Salihu, Fred Sandback, Dan Walsh und Jonas Weichsel das Zusammenspiel von Form und System als strukturierende Prinzipien ihrer künstlerischen Praxis.
Rotation vereint eine wechselnde Gruppe von Stimmen aus der Geschichte der Galerie. Form und System erscheinen hier als wandelbare Größen und werden immer wieder aufgegriffen, verändert und neu interpretiert. Die Ausstellung zeigt eine konsequente Verbindung zwischen den Generationen und den Ausdrucksformen der Kunst. Dabei ist zu beobachten, dass jede Formulierung auf die nächste Bezug nimmt und somit ein kontinuierlicher Prozess der Erneuerung entsteht.
Richard Deacon löst sich in seinen Arbeiten von starren formalen Konventionen und befasst sich stattdessen mit ambivalenten Konstellationen: Er wählt Materialien, Verfahren und Methoden jeweils so aus, dass sie für die Entstehung eines Werkes erforderlich sind, ohne dabei ein festgelegtes Ergebnis vor Augen zu haben. No black (2013) gehört zu einer Serie von vier biomorphen Keramikskulpturen, die jeweils mehrfarbig glasiert sind. Die Werke wurden aus Tonplatten geformt und mit einer Glasur versehen, die eine Kombination von vier Farben aus einer Palette von fünf Farben umfasst. Dabei wurde die im Titel genannte Farbe stets ausgelassen. Im Rahmen des Brennvorgangs fließen die Glasuren über die Oberfläche und verbinden sich miteinander, wodurch lebendige, farbdynamische Effekte entstehen.
Eine weitere Form der Materialverwandlung zeigt Lena Henkes Skulptur Unforced error (2025), ein über 2,5 Meter langer, amorph anmutender Körper, in dem tierische Form graduell in die fragmentierte Darstellung einer Frauenbüste übergeht. Gehalten von einem violetten Polyestergurt, entwickelt sich die Aluminiumplastik aus einem polierten Pferdehuf langsam in ein Bildnis. Die Dargestellte ist die Heilige Barbara, Schutzheilige der am Bau und in der Schaffung von Skulpturen Beschäftigten, ein bei Lena Henke wiederkehrendes und, wie der Pferdehuf, persönlich bedeutendes Motiv.
In Anspielung auf die Informationstheorie des amerikanischen Mathematikers Claude E. Shannon besteht Slight discrepancy 67/68 (2025) von Franka Hörnschemeyer aus zwei puzzleartigen Elementen aus Holzverbundplatten und Bitumenbahnen. Lediglich der obere Teil ist fest mit der Wand verbunden, während der untere allein durch die Verbindung zum oberen gehalten wird. Dieses Zusammenspiel manifestiert sich in den schmalen Zwischenräumen der beiden Formen. Das Werk reflektiert Hörnschemeyers fortwährendes Interesse am Moment des Kontakts zwischen Strukturen und den Räumen, die dazwischen entstehen.
Matt Mullican beschäftigt sich ebenfalls mit Systemen und Wahrnehmung: In seiner zweiteiligen Frottage Untitled (Cosmology and details, b&w) (2024) überträgt er geschnitzte Holztafeln durch Abreiben mit Ölkreiden auf die Leinwand und nutzt damit eine der ältesten bekannten Reproduktionstechniken. Die entstandenen Bilder verbinden angenommene Wirklichkeiten mit platonischem Idealismus und schaffen ein hybrides Medium zwischen Zeichnung und Druck.
Leunora Salihu hingegen erweitert in ihrem Werk Spine I (2025) den Dialog zwischen Struktur und organischer Form. Die Skulptur verbindet glasierte Keramik und Holz und besteht aus sich wiederholenden Segmenten, die als Bewegung konzipiert sind und sich potenziell unendlich im Raum fortsetzen könnten. Die präzise Regelmäßigkeit und aufrechte Haltung der Wirbelsäule wird durch die taktile Wärme der Terrakotta ausgeglichen. Abhängig vom Blickwinkel evoziert das Werk Assoziationen mit einem Insektenpanzer oder einer Kommode und eröffnet somit ein spannungsvolles Feld zwischen Funktion und Lebendigkeit.
Fred Sandbacks Untitled (Sculptural study, wall construction) (1995/2013) nimmt innerhalb der Ausstellung eine wegweisende historische Position ein. Das Werk besteht aus zwei präzise miteinander verbundenen Schnüren (einer orangen und einer schwarzen), die eine vertikale Linie bilden, welche die Wand auf subtile Weise zu einer räumlichen Ebene umgestaltet. Durch das Spannen einzelner Fäden von Punkt zu Punkt entstehen geometrische Figuren – eine neue Form des „Zeichnens im Raum“, in dem Volumen durch Abwesenheit definiert wird.
Die Reihe endet mit zwei Positionen aus dem Bereich der Malerei, die die Logik von Systemen durch Bildproduktion neu befragen. In Tactic (2025) entfaltet Dan Walsh auf spielerische Weise Prinzipien der Serialität und deren feine Variationen, indem er innere Rhythmen aufbaut, um sie anschließend zu unterlaufen. Das Werk setzt den prozessorientierten Ansatz fort und erzeugt Bilder, die in ihrer Formensprache zurückhaltend sind, in ihrer strukturellen Schichtung jedoch komplex.
In dem neuesten Werk aus der Serie seiner TC-painting verbindet Jonas Weichsel analoge und digitale Techniken und setzt damit seine Analyse über die Bedingungen der Malerei fort. Durch das sorgfältige Mischen, Katalogisieren und Anordnen von Farben erforscht er das Wesen des Mediums und seine Möglichkeiten und Grenzen als fortlaufende Befragung dessen, was ein Bild heute sein kann.
















