Die Galerie Thomas Schulte freut sich, Ebenholz präsentieren zu dürfen, eine Einzelausstellung mit Installationen des Künstlers James Gregory Atkinson, der sich ausgehend von seiner forschungsbasierten Praxis der Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg widmet. Atkinson birgt markante Klänge, Objekte, Dokumente und somit Vermächtnisse, die jenen Geschichten, die Deutschland geprägt haben, jedoch zumeist von der hegemonialen Geschichtsschreibung verkannt wurden, eine spürbare Materialität verleihen.
Atkinsons jüngsten Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle von biografischen und historischen Erzählungen. Der biografische Aspekt wird durch zahlreiche Verweise auf die musikalische Karriere von Marie Nejar (1930–2025) gefiltert, die – nachdem sie in den 1940er Jahren gezwungen worden war, in Nazi-Propagandafilmen mitzuspielen – in den 1950er Jahren unter dem Bühnennamen Leila Negra als „Kinderstar“ auftrat. Nejar, die in 2025 verstarb, war die letzte bekannte Schwarze Überlebende des Nationalsozialismus. Ihr Leben und ihre Stimme – verewigt durch einen großen Silbergelatineabzug vom Originalnegativ und eine Jukebox mit ihrer Diskografie – dienten Atkinson als verlässlicher Kompass bei seinen archivarischen Streifzügen durch die deutsche Nachkriegsgeschichte. In der vorliegenden Arbeit werden die Installationen als eine Serie präsentiert, in der jedes Element direkt und bewusst mit allen anderen in Verbindung steht.
Der Ausstellungstitel ist eine Anspielung auf Ebony, ein ab November 1945 monatlich erschienenes Nachkriegsmagazin, das sich in erster Linie an eine Schwarze US Leserinnenschaft richtete. Die Ausgabe vom Oktober 1948 wird als Teil der Installation in einer originalen Wandvitrine aus den ehemaligen Ray Barracks in Friedberg gezeigt – jene Kaserne, in denen der Vater des Künstlers in den 1980er Jahren stationiert war. Das Cover zeigt das Bild eines kleinen Jungen, der hinter einer Tür hervorlugt, mit der Titelzeile *Homes needed for 10,000 brown orphans (10 000 Schwarze Waisen suchen ein Zuhause). Diese Waisen waren die Kinder afroamerikanischer GIs und weißer Frauen aus Deutschland, die systematisch dazu genötigt wurden, ihre Kinder zur Adoption freizugeben oder an speziell dafür vorgesehene „Waisenhäuser“ zu übergeben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden bis 1956 in Westdeutschland 5000 braune babys geboren.
Anfangs wurden die Kinder als ein Symbol der deutschen Kriegsniederlage angesehen, aber während einer Parlamentsdebatte am 12.3.1952 legte die CDU-Politikerin Luise Rehling noch eins drauf, als sie behauptete, dass die Kinder ein „menschliches und rassisches Problem besonderer Art darstellen (…), denen schon allein die klimatischen Bedingungen in unserem Land nicht gemäß sind.“ Die Schlussfolgerung bestand darin, dass es für die Kinder das Beste wäre, an einem anderen Ort aufzuwachsen. Im selben Jahr brachte der sehr beliebte Film Toxi von R.A. Stemmle diese Trope für ein Massenpublikum auf die Leinwand und kam zu dem gleichen Schluss.
Die von Elfie Fiegert gespielte Hauptfigur des Films Toxi erreichte eine solche Bekanntheit,
dass der Puppenhersteller Drei-M bald nach der Filmpremiere eine Toxi-Puppe in Produktion
gab. Diese Puppe erlebt ihr verheißungsvolles Comeback in einer von Atkinsons Installationen,
diesmal jedoch in einem spezialangefertigten Black-Panthers-Kostüm – ein Wink in Richtung
des politischen Aktivismus, an dem sich manche afroamerikanischen GIs zu der Zeit beteiligten.
Ferner jährt sich 2025 auch die Kampagne der sogenannten Care-Paket zum 80.
Mal, die in Atkinsons Werk durch (einige) Inhalte und die Pakete selbst als Teil seiner
Objektgeschichte dargestellt wird. Zwischen 1946 und 1960 wurden zehn Millionen Care
Pakete nach Deutschland verschickt, ein Drittel davon landete in Berlin. Jedes enthielt
wichtige Dinge des täglichen Lebens wie Seife und Milchpulver. Neben diesen Gegenständen
sind in den Installationen auch Seifenstücke der Marke Ivory Soap von Proctor & Gamble zu
sehen, ein subtiler Verweis auf Nejars Autobiografie, in der sie sich daran erinnert, wie sie
sich unter der Dusche schrubbte, weil man ihr eingeredet hatte, sie sei schmutzig gewesen.
Schicht für Schicht, Objekt für Objekt, Dokument für Dokument entpuppt sich Atkinsons minimalistische Präsentation als ein dichtes Gewirr von Querverweisen, die im ersten Blick zufällig anmuten, nur um dann nach und nach das Ausmaß und die Tiefe seiner künstlerischen Forschung offenzulegen. Atkinsons Arbeit lässt sich als eine nichtlineare Ausgrabung bezeichnen, die die Nachkriegsgeschichte Deutschlands einer Neubewertung unterzieht und dabei auf das Kaschieren von Spuren von Archivmaterial in institutionellen Sammlungen verweist.
(Text von Dr. Eric Otieno Sumba. Übersetzung von Zacharias Wackwit)
















