Die niedersächsische Stadt Osnabrück erlebt gerade eine Welle amtlicher Kontrollen, die die Gemeinden ziemlich aufgemischt hat. Bei diesen Kontrollen werden immer häufiger Nikotinbeutel entdeckt1, deren Verkauf in Deutschland verboten ist. Illegale Produkte, die trotzdem auf den Markt kommen, zeigen klar, dass das System versagt hat. Die Folgen sind dementsprechend negativ.
Bei Nikotinbeuteln sorgt das Wirrwarr um bizarre Regeln für Verwirrung, gleichzeitig warnen Fachleute vor den Folgen eines Verbots für die öffentliche Gesundheit. Wie kam es überhaupt so weit? Wie konnte der Markt für Nikotinbeutel in Deutschland so aus dem Ruder laufen? Vor wenigen Jahrzehnten klang ein Nikotinbeutel wie ein unerreichbarer Wunschtraum. Damals klang es wie ein Wunschtraum, Nikotin ohne Rauch, Tabak, Geruch oder teerbelastete Lungen schnell, bequem und günstig über den Mund aufzunehmen. Und doch gibt es sie jetzt. Millionen Menschen nutzen sie jedes Jahr. Viele geben damit das Rauchen auf2, was sie gesünder macht und ihr Leben verlängert. Länder3, in denen sie weit verbreitet sind, wie Schweden, haben einige der niedrigsten Raucherquoten in Europa4. Doch leider hat das Gesetz nicht mit der Innovation Schritt gehalten.
Für die öffentliche Gesundheit ist es ein klarer Erfolg, dass Nikotinbeutel ohne Tabak auskommen. Doch unsere Gesetzgebung dreht den Spieß um, und plötzlich wirkt das als Nachteil. Weil in diesen Produkten kein Tabak steckt, landen sie nach deutschem Recht in der Kategorie5 neuartiges Lebensmittel und sind damit als ganz normales Essen eingestuft, nicht als kontrolliertes Nikotinprodukt nach dem Tabakerzeugnisgesetz.
Die Folge sind echt skurrile Effekte. Nikotinbeutel sind damit quasi tabu. In der Praxis ist es hierzulande illegal, sie zu verkaufen oder zu vermarkten. Ein Verbot dieses Wundermittels, das Rauchenden den Ausstieg aus dem Rauchen erleichtern und ihren Nikotinbedarf decken kann, ohne die Lungen mit Teer zu füllen, ist schlicht verrückt und war definitiv nicht die ursprüngliche Intention der deutschen Lebensmittelgesetze.
Erwachsene haben dadurch keinen freien Zugang zu den Produkten, wodurch das Grundprinzip der Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher leidet. Gleichzeitig leidet die öffentliche Gesundheit, weil rauchende Menschen einfach weiter rauchen. Die deutsche Politik schaut dabei zu, wie Schweden die Raucherquote mit nikotinhaltigen Beuteln nach unten drückt, und versäumt es, diesen Ansatz zu kopieren. Besonders heftig wächst parallel ein illegaler Markt für diese Nikotinprodukte. Wie uns der gescheiterte Krieg gegen Drogen zeigt, springen kriminelle Banden sofort auf den Schwarzmarkt auf, sobald ein Staat wie Deutschland den legalen Handel trockengelegt hat. Das eröffnet den verkommensten und gewalttätigsten Menschen in Europa eine neue Einkommensquelle. Keine Frage, es wäre naiv, bei dieser Lage nicht mit einem Anstieg anderer Delikte zu rechnen.
Sobald ein Markt in die Illegalität abgleitet, verlieren wir jegliche Möglichkeit der Regulierung. Die Folgen können echt katastrophal sein. Ein regulierter Markt bedeutet, dass die Regierung die Sicherheit der Produkte gewährleistet und dafür sorgt, dass Verkäufer verantwortungsvoll handeln. Durch klare Vorschriften begrenzen wir die Inhaltsstoffe, zum Beispiel die Nikotinmenge pro Beutel, und stellen zugleich sicher, dass wirklich nur Erwachsene, aber keinesfalls Kinder, kaufen können. So können Konsumierende sich darauf verlassen, dass sie sichere Produkte von seriösen Anbietenden bekommen.
Sobald der Markt illegal wird, was nach einem Verbot unweigerlich passiert, sind alle Wetten ab sofort abhandengekommen. Dann können plötzlich irgendwelche Inhaltsstoffe drin stecken, ohne dass die Verbraucherinnen und Verbraucher es merken, weil der Staat nicht mehr schützt und das Produkt keiner Kontrolle mehr unterliegt. Schuld daran ist ein krimineller Verkäufer. Genau deshalb finden Behörden bei ihren Razzia aktuell reihenweise offensichtlich illegale Nikotinbeutel.
Gleichzeitig kann die Regierung nicht mehr verhindern, dass das Produkt in die Hände von Kindern gelangt. Verkauft eine seriöse, lizenzierte Verkaufsstelle Nikotinprodukte an Kinder, kann der Staat verschiedene Sanktionen bis hin zum vollständigen Entzug der Verkaufslizenz aussprechen, um das zu unterbinden. Seit dem faktischen Verbot von Nikotinbeuteln fehlt dem Staat jeder Mechanismus, um Verkäufer davon abzuhalten, an Minderjährige zu verkaufen, weil diese Deals eben schwarz und fernab staatlicher Kontrolle laufen.
Die Ergebnisse sind bereits deutlich zu sehen. Laut einer Umfrage der DAK-Gesundheit unter Jugendlichen nutzen bereits sehr viele Teenager Nikotinbeutel. Sie schätzen, dass jeder siebte Jugendliche6 im Alter von 16 oder 17 Jahren sie bereits ausprobiert hat. Das hier ist total vermeidbar. Leider zeigt sich hier ganz klar, wie die deutschen Regulierungsbehörden versagen.
Selbst in Deutschland gibt es vernünftige Stimmen, die weniger Bürokratie und weniger Verwaltungsaufwand fordern. Leider sagen sie oft das Richtige, versäumen es aber, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Alois Rainer zum Beispiel ist Bundeslandwirtschaftsminister. Er hat sich offen zu dem Thema Überregulierung7 geäußert. Er versteht die Notwendigkeit eines vernünftigen, ausgewogenen regulatorischen Umfelds. Diese Logik muss nun auch auf Gesundheitsfragen wie Nikotinbeutel angewendet werden. Die Uhr tickt.
Wenn die Behörden sich mal zusammenreißen würden und nicht gleich alles verbieten, könnten die Märkte legal, reguliert und sicher bleiben. Durch konsequentes Durchsetzen der bestehenden Gesetze lässt sich verhindern, dass diese Produkte in die Hände von Kindern gelangen. Bei Nikotinbeuteln zum Beispiel würde das heißen, sie im bestehenden Tabakgesetz zu verankern, statt sie fälschlicherweise als Lebensmittel einzustufen. Laut dem Common Sense Index sind bereits 62% der Deutschen der Meinung, dass die Art und Weise, wie Nikotinbeutel reguliert werden, geändert werden sollte8.
Ehrlich gesagt wirkt es gerade so, als würden die deutschen Regulierungsbehörden den Kopf in den Sand stecken. Sie könnte das Problem direkt angehen und, im Interesse der Menschen in Deutschland, klare Entscheidungen treffen, doch sie schiebt die Verantwortung beiseite und wartet ab, als würde sich alles von selbst regeln. In der offiziellen deutschen Statistik zum Konsum von Tabakprodukten tauchen Nikotinbeutel bis heute schlicht nicht auf.
Die Erhebung heißt DEBRA9, was für Deutsche Befragung zum Rauchverhalten steht. Die Idee hinter DEBRA: Sie sammeln detaillierte Daten zum Konsum von Tabak- und Nikotinprodukten in Deutschland, damit politische Entscheidungsträger darauf basierend kluge Regulierungsentscheidungen treffen können. Dabei ignoriert DEBRA Nikotinbeutel schlichtweg, so als gäbe es sie gar nicht. Diese Vorgehensweise wirkt ziemlich bizarr und zielt offenbar darauf ab, die Erzählung aufrechtzuerhalten, wonach Nikotinbeutel angeblich Lebensmittel seien und keine weiteren Nikotinprodukte wie elektronische Zigaretten.
Kurzum, ein Verbot von Nikotinbeuteln wäre für alle Beteiligten ein No-Go. Die aktuelle Praxis, sie als Lebensmittel einzustufen, anstatt sie über die Tabakverordnung zu regulieren, geht schlicht nicht auf. Egal, ob dir Recht und Ordnung, die öffentliche Gesundheit, die Freiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher oder ein intakter Markt am Herzen liegen, die smarteste Lösung lautet: Nikotinbeutel legalisieren und als reguliertes Produkt führen, damit ein sicherer, kontrollierter Markt entstehen kann. Hier in Deutschland müssen wir endlich die veraltete Regelung knacken, nach der Nikotinbeutel als Lebensmittel gelten, und sie stattdessen klar im Tabakproduktegesetz verankern.
Anmerkungen
1 NDR, Nachrichten. Artikel, Trotz Verkaufsverbots: Vermehrt Nikotinbeutel in Osnabrück entdeckt. NDR-Nachrichten, 19. September 2025.
2 Rutgers University. Artikel, Nicotine pouch use may be a step toward reducing or quitting more dangerous forms of tobacco. News Medical Life Science, 08. September 2025.
3 Tobacco Journal International. Artikel, Germany: BfR confirms reduction of health risks through nicotine pouches. Tobacco Journal International, 13. Oktober 2022.
4 Business Wire. Artikel, Smoke Free Sweden: Oral Nicotine Pouches Are Game-changer for Women in Sweden's Smoke-free Success. Business Wire, 18. Juni 2025.
5 Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste. Kurzinformation Zur Legalität von tabakfreien Nikotinbeuteln in Deutschland. Deutscher Bundestag, WD-8-3000-074/24(09.10.2024).
6 DAK, Presse. Bericht: Jeder siebte Schueler hat schon Nikotinbeutel probiert. DAK, 18. Dezember 2024.
7 Deutscher Bundestag, Dokumente. Landwirtschaftsminister Rainer verspricht weniger Bürokratie und mehr Wertschätzung. Deutscher Bundestag, Dokumente, Landwirtschaft, 2025.
8 Common Sense Index. Bericht, Statistik: Nikotinbeutel sollen nicht als Lebensmittel reguliert sein.
9 DEBRA. Forschung zum Thema Tabakkonsum: Deutsche Befragung zum Rauchverhalten.