Anca Munteanu Rimnics neue Ausstellung ist eine erweiterte Untersuchung der Haut als konzeptioneller und metaphorischer Ort für ihre Arbeiten – Haut, wie sie von inneren oder äußeren Kräften beeinflusst und transformiert wird. Die Aufgabe der Haut, einzelne Körper voneinander abzugrenzen, wird diffus oder verschwommen, allegorisch gegen sich selbst gekehrt und zu einer Studie der Konfluenz gemacht. Ob geschunden oder gestreichelt, zum Zittern gebracht oder unter Polsterschichten erstickt, feindlichen Umgebungen ausgesetzt oder wie eine kostbare Reliquie behandelt – sie vermittelt in Rimnics Projekt die Verbindung von Körperlichem und Abstraktem, vereint Dinge und Wesen und schafft einen Raum, in dem sie sich ineinander einschreiben und Eigenschaften austauschen können.

Am Schnittpunkt zwischen innerer Unruhe und äußerem Druck schiebt sich der Begriff der Oberfläche ein, die von diesen beiden einander entgegengesetzten Kräften geformt wird. Sie ist in einer expressionistisch verformten Physiognomie festgehalten, die, zugleich monströs und komisch, auf eine handelsübliche Stütze aus Marmor montiert ist und wie eine Maske wirkt, welche den Kopf verschlungen hat, den sie doch verhüllen sollte (Unknown, 2025). Ein Volumen ist auf eine zerklüftete Oberfläche abgeplattet worden: Das Gesicht ist ein vorläufiger Waffenstillstand der Kräfte, die es von innen und außen durchbohren und ausbeulen, Beweis und Überbleibsel von deren Fähigkeit etwas zu schaffen oder abzuschaffen. An anderer Stelle findet sich in der Ausstellung ein mit feinem OrganzaGewebe überzogener Spiegel (In and I, 2025). Mit einem Abstand betrachtet, vermittelt der Spiegel den Eindruck eines leeren Sichtfelds. Bei Annäherung jedoch entfaltet sich ein komplexes Zusammenspiel von Reflexen und Verzerrungen. Dann bevölkern Details des Dekors die Leere. Figuren oder Objekte werden zu Moiré-Mustern oder scheinen von einem Nebel verschluckt zu werden, Gestalten zerfallen zu Scherben oder verwandeln sich in farbige Schatten und Wolken.

Eine engere Auseinandersetzung mit Haut erscheint auf einem Wandteppich (Treatise on Bruises, 2025), der – sowohl farblich als auch stofflich – einem Bluterguss ähnelt, oder in einer Reihe von skulpturalen, enorm haptischen Werken, die auf Gänsehaut verweisen (Succession of notes, 2025), also auf eine unwillkürliche Reaktion der Haut auf Hormonschübe, die sowohl durch Kälte als auch durch emotionale Erregung ausgelöst werden. Winzige Haarbalgmuskel ziehen sich zusammen, Haarfollikel stellen sich auf. Die Selbstwahrnehmung hat sich in eine durchsichtige, pulsierende Rüstung gehüllt. Es ist, als ob sich die Poren, durch die die Haut atmet, zusammenzögen und zu skulpturalen Barrieren aushärteten, als wären sie Fühler, die jede Veränderung der Umwelt registrieren. Indem die Werke die Erhebungen mit unterschiedlichen Techniken nachbilden, reflektieren sie auch das Zusammenspiel von emotionalen Reizen und körperlichen Mechanismen. Es ist eine Erfahrung, die zugleich stark persönlich und überaus gemeinschaftlich ist, ursprünglich und doch ganz im Hier und Jetzt – diese Kontraste werden als kaum noch wahrnehmbare Reliefs wiedergegeben, sie bewahren die taktile Erinnerung einer erloschenen Empfindung und reaktivieren sie vielleicht sogar.

Wieder andere Arbeiten entwerfen den Körper der Skulptur als eine Überschreitung von Grenzen, als etwas, das über das Korsett der Form, den Behälter der Ästhetik oder die Breite von Sockeln immer wieder hinausgeht (Gaze, 2025). Diese wirklichen oder bloß symbolischen Häute werden zu Schalen oder zu leerem, neu zu bezeichnendem Raum, zu einem Bildschirm oder einer Unterbrechung. Auf diese Weise vervielfachen sich die Berührungspunkte zwischen Selbst und Welt, die Arten und Weisen, auf die diese Wesen einander hervorbringen. Das, was ein Körper ist, wird immer von dem, was der Körper nicht ist, gebrochen, umschlossen und eingeschmolzen.

Dynamische Elemente werden der Untersuchung von infinitesimalen Intervallen und reziproken Räumen von zwei weiteren Werken hinzugefügt. Eine Erkundung von Schwellen der Wahrnehmung und Vorstellung drückt sich in der wirklichen, aber kaum merklichen Bewegung eines Gegenstands aus, in der lediglich angedeuteten gestischen Choreografie eines andern und in dessen nachwirkender Selbst-Zurücknahme. Aus einer amorphen Masse von Reizen, aus Zeichenwolken ergeben sich – für Geist und Sinne – Berührungspunkte. Das erste Objekt ist ein Heuhaufen (Haystack, 2024), eine imposante Erscheinung, wie ein dem Gras selbst und seinen Lebenszyklen gesetztes Arte-PoveraMonument, aber auch wie ein Modell für Unordnung (daher der Spruch „eine Nadel im Heuhaufen finden“, um ein teuflisch schweres Unterfangen zu umschreiben). Ein Heuhaufen hält gerade das zusammen, was ihn auseinanderfallen lässt. Diese Qualität des Grenzwertigen hebt Anca Munteanu Rimnic hervor, indem sie ein bewegliches Element in ihre Skulptur implantiert – im Heu verborgen liegt ein elektronischer Apparat, der hin und wieder ganz sanfte, tonlose Vibrationen erzeugt. Die Vibration erfüllt das Werk mit Zeit und reagiert auf die begriffliche Doppelnatur des Heuhaufens mit einer doppelten Zeitlichkeit. Das Eine ist die Zeitlichkeit des Events, die so minimal ist, dass sie ans Halluzinatorische grenzt. „Ab wann genau wird Bewegung Bewegung?“, scheint uns die Vibration zu fragen. Das Andere ist die Zeit des Bewusstseins selbst, das seine eigene Unergründlichkeit dank der von ihm untersuchten Objekte entdeckt, indem es ein zwar stillstehendes und doch anscheinend animiertes Ding in immer kleinere Dinge und Nicht-Dinge und Anti-Dinge auseinanderdividiert, in Affirmationen und Negationen, in eine klare Zeitachse und in anachronistische Überlappungen.

Diese Übung in Trennen und Komprimieren wird möglicherweise ergänzt vom stummen Maximalismus eines anderen Werks der Ausstellung, einem Punctum von düsterer Leidenschaft. Diese Skulptur (Canon, 2025) vereint ein paar Dutzend Klaviertasten aus Ebenholz, die wegen ihres Gewichts oder weil sie einem falschen Winkel geschnitzt wurden, ausgemustert worden sind. Die Tasten befinden sich in einem schwarzen Haufen, dessen Geometrie mit einem Klang kontrastiert, aber auch versöhnt, der vielleicht so schrill ausgefallen wäre, dass er, wären die Tasten angeschlagen worden, vom ungeübten Ohr gar nicht hätte wahrgenommen werden können. Die verstreuten Töne-die-es-niemalsgab lösen sich inmitten dieser Abwesenheit von Klang, inmitten dieser formalen Strenge in Wohlgefallen, in Harmonie miteinander auf, in einer Wolke von Echos, die vor den von ihnen gespiegelten Klangereignissen eintreffen, in Formen, Funktionen und Fiktionen, die einander im Takt folgen.

(Text von Mihnea Mircan)