Es sind schwierige Zeiten für die chilenische Rechte, die in einer Vergangenheit gefangen ist, von der sie sich nicht befreien kann und die angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im November dieses Jahres wieder zum Vorschein kommt. Ihre drei derzeit wichtigsten Kandidaten, die aufgrund ihrer deutschen Vorfahren als „La División Alemana“ bekannt sind: Evelyn Matthei, José Antonio Kast und Johannes Kaiser, haben ihre uneingeschränkte und bedingungslose Verbundenheit mit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet gemeinsam. Zwar hat eine von ihnen, Matthei, das Thema der Menschenrechtsverletzungen durch die Streitkräfte leicht relativiert, doch rechtfertigen alle den Bruch der Verfassung im Jahr 1973, als die legitime Regierung von Präsident Salvador Allende gestürzt wurde und der Eid auf die Verfassung und den Präsidenten der Republik gebrochen wurde.
Keiner der drei Kandidaten erwähnt die Morde in Chile und im Ausland an dem ehemaligen Oberbefehlshaber der Armee, General Carlos Prats, und seiner Frau in Buenos Aires, an dem ehemaligen Außenminister Orlando Letelier und seiner amerikanischen Assistentin in Washington oder die illegale Bereicherung und die Millionen Dollar, die Pinochet gestohlen und unter falschen Namen in verschiedenen Banken in den Vereinigten Staaten versteckt hat.
Wird die bewegte Vergangenheit der 17-jährigen Diktatur Pinochets Einfluss auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 16. November haben? Wir wissen es nicht. Gewiss ist jedoch, dass seit 1989 bis zu den letzten Wahlen im Jahr 2011 kein Kandidat, der die Diktatur unterstützt, gewinnen konnte: weder Hernán Büchi noch Arturo Alessandri noch Joaquín Lavín noch diverse andere, ebenso wenig wie diejenigen, die es zum zweiten Mal versuchen, wie Evelyn Matthei und José Antonio Kast. Vieles wird diesmal von der Wahlkampagne abhängen, die in den nächsten Wochen beginnen wird, von den Debatten zwischen den Kandidaten und natürlich von den sozialen Netzwerken. Sicher ist, dass ein Großteil der heutigen Wähler im Jahr des Staatsstreichs 1973 noch nicht geboren war.
In der chilenischen Gesellschaft scheint es ein verstecktes Schuldgefühl, eine Scham zu geben, die angesichts des Ausmaßes und des Grauens der Verbrechen und Plünderungen sowie aufgrund dessen, was Tausende von Familien erlebt haben und noch immer erleben, im kollektiven Unterbewusstsein schlummert. So viele, die das Schicksal ihrer Angehörigen, die verhaftet und „verschwunden“ wurden, bis heute nicht kennen. Die Berichte über die barbarischen, bösartigen und grausamen Taten, bei denen ganze Familien ermordet, Frauen vergewaltigt und gefoltert und Regimegegner ins Meer geworfen wurden, kommen zu den Morden in den Folterzentren der Streitkräfte hinzu und sind ein Schandfleck für die Armee und die noch nicht aufgearbeitete Geschichte Chiles.
Im Jahr 2010 gewann die Rechte mit Sebastián Piñera zum ersten Mal seit 52 Jahren die Präsidentschaftswahlen. Der letzte rechtsgerichtete Präsident war 1958 gewählt worden, Jorge Alessandri. Im Gegensatz zu den Kandidaten der heutigen „División Alemana“ war der zweimal gewählte Präsident ein offener Gegner der Pinochet-Diktatur. Er stimmte gegen den Diktator, als dieser sich auf ewig an der Macht halten wollte, und prangerte einen Großteil der Rechten als „passive Komplizen“ der Diktatur an, die nichts unternommen hatten, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
Piñera wollte eine neue, schuldfreie Rechte aufbauen, sie von ihrem konservativen Wertemodell lösen, das bis vor wenigen Jahren Werte wie die Anerkennung außerehelich geborener Kinder, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau, die Scheidung, die Abtreibung aus drei Gründen oder die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnte. Teilweise gelang es dem ehemaligen Präsidenten, den Keim einer liberalen Rechten zu legen, die die sogenannte „derecha cavernaria“ (höhlenbewohende Rechte) hinter sich lassen will, wie der kürzlich verstorbene Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa die konservativen Kräfte Chiles definierte. Heute jedoch sind alle wieder da, geeint, und hoffen, mit einem ihrer Kandidaten die Präsidentschaft zu erlangen: dank rückschrittiger Programme in den Bereichen Kultur, Werte und soziale Rechte, enormen wirtschaftliche Ressourcen für ihren Wahlkampf und unter tunlichster Vermeidung der Aufarbeitung jener Diktatur, die sie enthusiastisch unterstützt haben.
Auf der anderen Seite, in der Mitte-Links-Koalition, finden am 29. Juni Vorwahlen statt, um einen einzigen Kandidaten für diesen Bereich zu bestimmen. Auch innerhalb dieser Linken gibt es Debatten, wenn es um Nicaragua, Venezuela oder das politische System Kubas geht, das von Demokratie und Freiheit geprägt ist. Die Kandidatin der Kommunistischen Partei, Jeannette Jara, erklärte, dass Kuba ein „anderes demokratisches System“ habe, was vom Generalsekretär noch vertieft wurde, indem er klarstellte, dass das kubanische Regime eine „fortgeschrittene Demokratie“ sei – Definitionen, die von den anderen Kandidaten mehrheitlich abgelehnt wurden.
Ein weiterer linker Kandidat im Rennen, Gonzalo Winter, der „vierte Deutsche“, Erbe von Präsident Boric, 38 Jahre alt, hat ebenfalls widersprüchliche Äußerungen zu sensiblen Themen wie der Wahlpflicht, dem Autonomiegrad für das Volk der Mapuche oder der Kritik an den Fortschritten der Regierung gemacht, was vor allem von jungen Sektoren geteilt wird, die ihn unterstützen. Ebenfalls kandidiert Jaime Mulet, ein Kandidat mit regionalistischer Ausrichtung aus einer kleinen Partei, die nach politischem Raum sucht. Derzeit ist Carolina Tohá die Kandidatin, die den „Socialismo Democrático“ vertritt. Sie gewinnt weiter an Zustimmung und erhält Unterstützung von anderen Gruppierungen. Sie führt in den Umfragen unter den Kandidaten der Mitte-Links-Parteien und scheint ihren Sieg durch ihr Wissen und die Solidität ihrer Vorschläge, ihren weiten Blick in die Zukunft, ihre Gelassenheit und Sicherheit im Umgang mit Kritik sowie ihre Besonnenheit bei der Bewältigung der großen Herausforderungen, die sie als Präsidentin erwarten, zu festigen.
Der eigentliche Wahlkampf beginnt am Abend des 29. Juni, wenn die Ergebnisse der Vorwahlen bekannt gegeben werden und feststeht, wer von der Mitte-Links-Koalition bei den Wahlen im November gegen die Vertreter der Pinochet-nahen Rechten antreten wird, die sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Vorwahlen einigen konnten. Angesichts der Befürchtung eines Sieges von Carolina Tohá, sollte sie zur Kandidatin der Mitte-Links-Koalition gewählt werden, werden wahrscheinlich einige der Kandidaten der Rechten, vielleicht sogar zwei, ihre Kandidatur zurückziehen, um einen erneuten Sieg der Progressiven zu verhindern.