Im Jahr 2014 kündigte Margot Wallström, damals schwedische Außenministerin, an, dass Schweden nun eine feministische Außenpolitik verfolgen würde. Mit dieser Ankündigung setzte die schwedische Regierung einen Fokus auf die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen sowie auf Gleichberechtigung in allen Aspekten der Außenpolitik. Aber was ist daraus geworden? Tobias Billström, der von Oktober 2022 bis September 2024 als schwedischer Außenminister amtierte, hatte tatsächlich den Begriff der "feministischen Außenpolitik" abgelehnt. Die aktuelle schwedische Außenministerin, Maria Malmer Stenergard, macht ebenfalls klar, dass sie sich nicht auf „Etiketten“ konzentrieren möchte, und sich dabei trotzdem für die Gleichstellung von Frauen einsetzen kann.
Das zeigt also wie umstritten feministische Konzepte sind, und dass viele Menschen sich von dieser Art von Bezeichnungen automatisch distanzieren wollen. Feministische Außenpolitik wird, vor allen Dingen vom rechten politischen Spektrum, als ideologisch aufgeladen und wenig pragmatisch wahrgenommen. Ein Argument ist dabei, dass der Fokus somit von konkreten außenpolitischen Zielen ablenke und stattdessen eine symbolische Agenda verfolge. Ein konkretes Beispiel dafür ist die diplomatische Krise zwischen Schweden und Saudi-Arabien 2015, als ein Streit zwischen beiden Regierungen so eskalierte, dass Saudi-Arabien seinen Botschafter aus Stockholm abberief. Der Grund war die schwedische Kritik an der Menschenrechtssituation und dem politischen System in Saudi-Arabien. Der Konflikt begann, als Schweden einen Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien kündigte. Der Deal betraf Militärprodukte, Logistik und Ausbildung und hätte im Mai verlängert werden sollen. Margot Wallström hatte darauf bestanden, im Namen ihrer feministischen Außenpolitik die Menschenrechtslage in diesem Land zu kritisieren, was mit hohen diplomatischen Kosten einherging.
Manche Kritik ist also durchaus berechtigt. Aber was genau ist feministische Außenpolitik? Feministische Außenpolitik hat als Ziel, auf Menschen mit Diskriminierungserfahrung zu achten. Dabei geht es vor allem um den rechtlichen Schutz von Frauen und marginalisierten Gruppen. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland versteht feministische Außenpolitik als „Rahmen und Richtung für das Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes“. Aber wie sollen sie handeln? Mit der sogenannten 3R Regel kann man es sich gut merken: Der Fokus soll auf die Rechte, die Repräsentanz und die Ressourcenaustattung von Frauen und marginalisierten Gruppen liegen. Es betrifft alle Arbeitsbereiche des Auswärtigen Amtes, von Friedens- und Sicherheitspolitik, zum Beispiel bei Fragen der Beteiligung von Frauen in Friedensprozessen, über Humanitäre Hilfe und Krisenmanagement bis zur auswärtigen Kulturpolitik - Hierbei soll es um die stärkere Berücksichtigung von marginalisierten Menschen in Kunst und Kultur gehen.
Auch Annalena Baerbock, Außenministerin Deutschlands bis 2025, hat das Konzept der feministischen Außenpolitik weitgehend in ihre Agenda aufgenommen. Erstmals erschien der Begriff im Koalitionsvertrag der 20. Wahlperiode des Bundestages 2021: „Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern. Wir wollen mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden, den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der VN-Resolution 1325 ambitioniert umsetzen und weiterentwickeln.“
Doch was ist daraus geworden? Konnte Annalena Baerbock feministische Außenpolitik durchsetzen? Am Beispiel von Syrien sieht man, dass es nicht einfach ist. Nach dem Fall von Bashar al-Assad liegt das Land im Chaos. Mit einem Acht-Punkte Plan hat sie Ende 2024 ihre Vorstellungen für die Zukunft Syriens dargelegt. Ganz wichtig ist dabei, dass Minderheiten für den friedlichen Machtwechsel mit am Tisch sitzen. Aber wie realistisch das ist, bleibt fragwürdig. Die dschihadistische HTS hat sich an die Spitze der Rebellen gesetzt und wird vom UNO-Sicherheitsrat als Terrororganisation eingestuft. Die Lage bleibt äußerst unübersichtlich, auch durch die anhaltenden Kämpfe im Norden Syriens, zwischen der „Syrischen Nationalarmee“ und den „Syrischen Demokratischen Kräften“. Das Ziel, „eine friedliche und geordnete Machtübergabe von den bewaffneten Milizen und den Überresten des Assad-Regimes and eine zivile Regierung mit breiter Legitimität“ zu erreichen, scheint zu diesem Zeitpunkt schon fehlgeschlagen.
Im Februar 2025 haben Regierungstruppen hunderte von Zivilist*innen getötet oder exekutiert, unter den Opfern sind auch Frauen und Kinder. Als Konsequenz verkündete die neue islamistische Regierung in Damaskus den Beginn eines „großangelegten Einsatzes“ um „die Überreste von Assads Milizen“ zu beseitigen. Eine friedliche Lösung des Konflikts ist also zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen und über die Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen wird keine Acht gegeben. Daher wird deutlich: So sehr feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock vertreten wurde, so schwierig und unrealistisch ist es angesichts der konkreten Geschehnisse, diese umzusetzen. Die Realität vor Ort, geprägt von militärischen Auseinandersetzungen und der Machtübernahme radikaler Gruppen, stellt die theoretischen Ideale einer feministischen Außenpolitik auf eine harte Probe. Anstatt von einem inklusiven Dialog und einer gerechten Machtverteilung zu sprechen, dominieren Kriegslogik und geopolitische Interessen, die wenig Raum für die Rechte von Frauen und Minderheiten lassen.
Doch wie geht es nun weiter? Der Mann, der blad neuer Bundeskanzler wird, Friedrich Merz, findet feministische Außenpolitik überflüssig. Noch muss abgewartet werden, wie die Außenpolitik der neuen deutschen Regierung nach der Bundestagswahl am 22. Februar 2025 definiert wird. Klar ist, dass man auch ohne feministische Außenpolitik klare Signale senden- und sich durch sein Handeln für Frauen einsetzen kann, indem man in internationalen Beziehungen und Abkommen die Rechte und Interessen von Frauen berücksichtigt und fördert. Aber sich gegen das Konzept an sich zu stellen, ist nicht unbedingt sinnvoll und kann Frauen eine negative Botschaft senden. Denn die Frage danach, wie relevant das Konzept der feministischen Außenpolitik noch ist, ist einfach: Nur etwa 26 Prozent der Parlamentsitze weltweit sind von Frauen besetzt.
Zwischen 1992 und 2018 waren nur 13 Prozent der Verhandlungsführer von Friedensabkommen Frauen. Etwa 129 Millionen Mädchen weltweit gehen nicht zur Schule. Und schätzungsweise jede dritte Frau weltweit hat in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, das inkludiert auch sexuelle Gewalt als Kriegswaffe. Daher müssen sich politische Entscheidungsträger die Frage stellen, was Ihnen wichtig ist. Diplomatische Beziehungen um jeden Preis aufrechterhalten und sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen? Aber können Menschenrechtsverletzungen an Frauen als bloße „innere Angelegenheiten“ betrachtet werden?
Feministische Außenpolitik ist ein durchaus nachvollziehbares Konzept. Die Welt wird nach wie vor überwiegend von Männern regiert. Von Donald Trump bis Wladimir Putin, über Friedrich Merz, Emmanuel Macron und Xi Jinping - die Mehrheit der Regierungsoberhäupter und einflussreichen politischen Figuren sind männlich. Diese Realität spiegelt die tief verwurzelten strukturellen Ungleichheiten wider, die auch heute noch, mehr als 100 Jahre nach den ersten Frauenrechtsbewegungen, fortbestehen. Die feministische Außenpolitik ist kein überholtes Konzept, sondern angesichts der fortbestehenden globalen Ungleichheiten aktueller und notwendiger denn je. Sie fordert einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie internationale Beziehungen gestaltet werden. Es geht darum, die Perspektiven und Bedürfnisse von Frauen und marginalisierten Gruppen in den Mittelpunkt zu rücken. Das darf nicht als überflüssig angesehen werden.
Quellen
Frauen im Parlament: Deutschland im weltweiten Vergleich im oberen Mittelfeld. Statistisches Bundesamt.
Frauen in der Friedenskonsolidierung: Warum ihre Rolle gestärkt werden muss - und wie. Europäisches Parlament. Themen.
SDG 4 Qualität in der Bildung. UN Women.
Feministische Außenpolitik: Gleichberechtigung stärken. Deutschland.de.
So will Baerbock den Friedensprozess in Syrien begleiten. Der Spiegel.
Aktivisten werfen Regierungstruppen in Syrien Tötung von hunderten Zivilisten vor. Der Spiegel.