Die Debatte rund um den Palästina-Israel-Konflikt ist von Extremen geprägt – auch in Deutschland. Wer sich äußert, findet sich oft in einer der beiden Lager gedrängt: entweder vorbehaltlose Unterstützung Israels oder ein kompromissloser Einsatz für die palästinensische Sache. Differenzierte Stimmen haben es schwer, sich in dieser aufgeheizten Stimmung zu behaupten.

Diese Polarisierung zeigt sich in vielen Aspekten der Diskussion. Ein pro-palästinensischer Aktivist in Berlin ruft durch ein Megafon: "Man ist entweder Pro-Israel oder Pro-Menschenrechte!" und teilt die Botschaft auf Social Media. Auf der anderen Seite wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland verkündet, dass Antizionismus gleich Antisemitismus sei. Solche Aussagen lassen kaum Raum für Nuancen, obwohl der Konflikt eine lange und vielschichtige Historie hat.

Die politische Mitte steht vor einem Dilemma. Kritik an Israel wird oft als antisemitisch gebrandmarkt, während Solidarität mit Palästina schnell den Vorwurf der Terrorunterstützung nach sich zieht. Dies führt dazu, dass viele sich in Schweigen hüllen, aus Angst, falsch verstanden oder instrumentalisiert zu werden. Doch gerade in dieser komplexen Situation ist es wichtiger denn je, sich differenziert und sachlich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Dieser Artikel versucht, die zentralen Fragen des Konflikts aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Er soll aufzeigen, warum es notwendig ist, eine ausgewogene Position einzunehmen und warum das Schweigen der politischen Mitte langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Nur durch eine sachliche Auseinandersetzung und eine klare diplomatische Haltung kann eine Grundlage für Frieden geschaffen werden.

Ist Anti-Zionismus gleich Anti-Semitismus?

Ja und Nein. Diese Antwort mag unbefriedigend erscheinen, doch sie steht sinnbildlich für die gesamte Debatte rund um diesen Konflikt.

Ja, denn Antizionismus leugnet die jüdische Verfolgung. Über Jahrhunderte hinweg wurden Juden, insbesondere in Europa und Russland, als Sündenböcke für Naturkatastrophen, wirtschaftliche Krisen und soziale Missstände missbraucht. Sie waren immer wieder Opfer von Diskriminierung, Berufsverboten und gesellschaftlicher Isolation. Dieses lange andauernde Unrecht kulminierte schließlich im Holocaust – einem Versuch, das jüdische Volk nahezu vollständig zu vernichten. Diese Verfolgungsgeschichte war es, die Theodor Herzl, einen säkularen jüdischen Intellektuellen aus Österreich, zu der zentralen Erkenntnis des Zionismus brachte: Juden würden nirgendwo sicher sein, solange sie keinen eigenen Staat besäßen. Der Zionismus sollte daher eine Heimat für alle Juden schaffen – und Palästina schien dafür der geeignete Ort zu sein, da es der Ursprung der Israeliten ist, bevor diese ins Exil gingen.

Im Zuge der zionistischen Bewegung wanderten immer mehr jüdische Siedler nach Palästina ein. Doch nicht nur sie: Auch arabische Menschen kamen in der Hoffnung, vom wirtschaftlichen Aufschwung durch die zionistischen Siedlungen zu profitieren. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches wurde das Gebiet unter britisches Mandat gestellt. Die Briten hatten sich jedoch widersprüchlich verhalten: Sie hatten das Land sowohl den arabischen Nationalisten (McMahon-Hussein-Korrespondenz, 1915-1916) als auch den Zionisten (Balfour-Deklaration, 1917) versprochen.

Das führte zu wachsender Spannung. Zwischen den Kriegen kam es zu Massakern und Terrorakten zwischen zionistischen Siedlern, der britischen Kolonialmacht und den arabischen Einwohnern. Diese allseitige Gewalt beendete eine reale Umsetzung einer Einstaatlösung und mündete nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vorschlag einer Zweistaatenlösung – ein Vorschlag, den die arabische Seite ablehnte. Bis heute gilt dieses Konzept als eine der zentralen Lösungsansätze für den Konflikt.

Jedoch hat sich der Zionismus weiterentwickelt. Ursprünglich war er eine nationale Schutzbewegung, die einen sicheren Staat für Juden schaffen wollte. Doch wie viele Nationalismen im 19. und 20. Jahrhundert hatte auch der Zionismus eine blinde Stelle: die circa 600.000 Palästinenser, die bereits in dem Gebiet lebten. Die Annahme, das Land sei unbewohnt und könne einfach besiedelt und urbanisiert werden, kollidierte spätestens in den 1920er- und 30er-Jahren mit der Realität.

Zudem hat sich die ideologische Ausrichtung des Zionismus gewandelt. Während Herzl sich einen modernen, säkularen Staat nach westlichem Vorbild vorstellte, haben in den letzten Jahrzehnten religiös-nationalistische Strömungen an Einfluss in der Politik gewonnen. Diese betrachten das gesamte biblische Land Israel als gottgegebenes Erbe und lehnen territoriale Kompromisse strikt ab. Diese Entwicklung hat den politischen Zionismus in Teilen von einer Schutzbewegung zu einer Grundlage für Siedlungspolitik und Expansion gemacht.

Kann man also den Zionismus kritisieren, ohne antisemitisch zu sein? Ja – wenn die Kritik sich auf politische Extremisten, völkerrechtswidrige Maßnahmen und den radikalen Wandel der Bewegung konzentriert, anstatt jüdische Menschen als solche anzugreifen oder das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen.

Dennoch bleibt klar: Wer islamistische Symbolik oder Parolen wie den roten Pfeil der Hamas nutzt, um sich „anti-zionistisch“ zu positionieren, verbreitet letztlich antisemitische Narrative. Auch heutige islamistische Gruppen instrumentalisieren die Kritik an Israel oft, um antisemitische Ressentiments zu schüren. Zugleich gerät die israelische Demokratie zunehmend unter Druck. Das Nationalstaatsgesetz von 2018 privilegiert jüdische Bürger und verschärft die Diskriminierung nicht-jüdischer Israelis. Die Besatzung des Westjordanlandes und der Siedlungsausbau untergraben demokratische Prinzipien. Diese Entwicklungen zeigen, dass Zionismus, der eine solche Politik befeuert, also in seiner aktuellen Form kritisch hinterfragt werden kann – ohne dabei in antisemitische Denkmuster zu verfallen.

Doch genau diese Differenzierung fällt in der politischen Debatte oft unter den Tisch.

Kann man Pro-Menschenrechte und Pro-Israel sein?

Oft wird argumentiert, dass sich der Einsatz für Menschenrechte zwangsläufig gegen Israel richten müsse – schließlich steht das Land regelmäßig wegen Kriegsverbrechen, Besatzung und systematischer Diskriminierung in der Kritik. Gleichzeitig existiert das gegenteilige Narrativ: Wer Israel unterstützt, setzt sich für eine wehrhafte Demokratie ein, die sich in einer feindseligen Umgebung behaupten muss. Israel gilt vielen als Vorbild in einer zunehmend unsicheren geopolitischen Welt. Doch wie so oft ist die Realität komplexer. Ja, es ist möglich, sowohl für Menschenrechte als auch für Israel einzutreten. Denn Israel ist eine Demokratie – trotz aller innen- und außenpolitischen Krisen. Das israelische Rechtssystem dient weiterhin als Kontrollinstanz und hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass es unabhängig von der Regierung agiert. Der Oberste Gerichtshof hat bereits Gesetze der Regierung gekippt, und selbst hochrangige Politiker wurden wegen Korruption oder anderer Vergehen verurteilt.

Zudem ist Israel das einzige Land im Nahen Osten, in dem es Parlamentsabgeordnete gibt, die Minderheiten vertreten und offen regierungskritische Positionen einnehmen – wie Ahmad Tibi, Vorsitzender der Ta’al-Partei und ehemaliger Berater von Jassir Arafat. Ebenso gibt es arabische Richter am Obersten Gerichtshof sowie arabische Polizisten. Zwar sind arabische Israelis zweifellos systematischen Benachteiligungen ausgesetzt, doch das israelische System ermöglicht ihnen – zumindest auf dem Papier – politische Teilhabe. In der Unabhängigkeitserklärung vom 18. Mai 1948 ist das palästinensische Volk zwar nicht explizit erwähnt, doch Israel verpflichtet sich darin „dem Wohle aller Bewohner“. Einige Schutzmechanismen für Minderheiten existieren weiterhin: Beispielsweise sind arabische Israelis vom Militärdienst befreit, und drusische Gemeinden können ihren Glauben ungehindert praktizieren.

Externe Sicherheitsbedrohungen und ihr Einfluss auf Menschenrechte

Gleichzeitig dürfen die Bedrohungen, denen Israel ausgesetzt ist, nicht ignoriert werden. Viele jüdische Israelis fühlen sich als Ziel eines jahrzehntelangen Terrorismus, der keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten macht. Sie kämpfen gegen die fortwährende Entmenschlichung ihres Volkes. Die Hamas und andere bewaffnete Gruppen wie der Palästinensische Islamische Dschihad betrachten den Staat Israel in seiner gesamten Existenz als illegitim und verüben gezielte Anschläge gegen die Bevölkerung.

Dieser permanente Ausnahmezustand hat dazu geführt, dass in Israel die Sicherheitspolitik oft Vorrang vor Menschenrechten hat – ein Dilemma, das sich in der Besatzung des Westjordanlandes und den militärischen Operationen in Gaza widerspiegelt. Hinzu kommt, dass Juden weltweit nach wie vor überproportional häufig Ziel rassistischer bzw. antisemitischer Angriffe sind, was die Notwendigkeit eines sicheren jüdischen Staates unterstreicht.

Trotz all dieser Ambivalenzen ist es möglich, eine Position einzunehmen, die sowohl Israels Existenz als jüdischer und demokratischer Staat anerkennt als auch die Wahrung der Menschenrechte für alle Menschen in der Region einfordert. Doch genau diese Haltung ist oft die schwierigste – sie verlangt Differenzierung, Selbstkritik und die Bereitschaft, nicht nur eine Seite als moralisch überlegen zu betrachten.

Innere Herausforderungen für die israelische Demokratie

Die Stabilität der israelischen Demokratie bleibt fragil, da das Land über keine ratifizierte Verfassung verfügt. Stattdessen basiert das Rechtssystem auf den „Basic Laws“, die mit einfacher Parlamentsmehrheit geändert werden können – es sei denn, das Verfassungsgericht erklärt sie für nichtig, basierend auf der Interpretation der Unabhängigkeitserklärung oder diese verstoßen gegen vorherige beschlossene „Basic Laws“. Die jüngste Justizreform der Regierung Netanjahu verdeutlicht, wie sehr demokratische Grundwerte unter Druck stehen.

Hinzu kommt die wachsende politische Macht rechtsextremer Parteien. Extrem rechte Politiker wie Itamar Ben-Gvir (Partei „Jüdische Stärke“) oder Bezalel Smotrich (Partei „Religiöser Zionismus“) treiben die gesellschaftliche Spaltung weiter voran und verfolgen offen rassistische und ultranationalistische Agenden. Menschenrechte und demokratische Prinzipien geraten dabei zunehmend in den Hintergrund. So sehr Israel international als einzige Demokratie im Nahen Osten dargestellt wird, so sehr gibt es realpolitische Entwicklungen, die diesen Anspruch konterkarieren. Wer sich für universelle Menschenrechte einsetzt, kann die massiven Verstöße Israels gegen das Völkerrecht und gegen die palästinensische Zivilbevölkerung nicht ignorieren.

Der Gazastreifen: Ein Symbol der Ungerechtigkeit?

Die Situation im Gazastreifen ist eines der drastischsten Beispiele für die menschenrechtlichen Herausforderungen in diesem Konflikt. Seit Jahren herrscht dort eine Blockade, die von Israel und Ägypten aufrechterhalten wird. Sie schränkt das tägliche Leben massiv ein und verhindert eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.

Noch schwerwiegender sind die militärischen Einsätze Israels in Gaza, bei denen Tausende Zivilisten ums Leben kommen. Die israelische Armee verfügte erwiesenermasen bereits über Schießbefehle, die selbst auf friedliche Proteste angewendet werden, und Luftangriffe treffen immer wieder zivile Infrastruktur. Auch wenn Israel unbestritten das Recht hat, sich gegen Angriffe der Hamas zu verteidigen, ist die Art und Weise, wie dies im aktuellen Gaza-Krieg geschieht, aus menschenrechtlicher Perspektive nicht zu verteidigen. Die Sicherhiet wird auch hier über Menschenrechte gestellt: So sehr sogar, dass vier israelische Geiseln mit weißer Flagge von eigenen Soldaten der IDF erschossen wurden – ein Ergebnis zu lockerer Schießbefehle, einer übermäßigen Eigensicherung für Soldaten und schlechter Kommunikation innerhalb der operierenden Einheiten, wie interne Untersuchungen ergaben.

Diskriminierung innerhalb Israels

Doch die systematische Benachteiligung betrifft nicht nur Gaza. Auch arabische Israelis innerhalb Israels selbst sind erheblichen strukturellen Hürden ausgesetzt. Das „Regularisierungsgesetz“ von 2017 ermöglicht es Israel, palästinensisches Privatland im Westjordanland zu konfiszieren, auf dem ohne Genehmigung Siedlungen errichtet wurden – und diese nachträglich zu legalisieren. Auch in Bürokratie, Arbeitsmarkt und Stadtplanung erfahren nicht-jüdische Bürger deutliche Nachteile. Der Bau neuer arabischer Wohnviertel wird erschwert, während jüdische Siedlungen gezielt gefördert werden. Der Zugang zu staatlichen Ressourcen ist ungleich verteilt, viele arabische Gemeinden leiden unter chronischer Unterfinanzierung. Arabischstämmige Israelis, die in Israel geboren wurden, müssen teil jahrelang auf eine Staatsbürgerschaft oder einen Reisepass warten, während jüdische Einwanderer ihre Dokumente innerhalb weniger Monate erhalten können.

Das Westjordanland als zentrales Problem

Die israelische Besatzung des Westjordanlandes dauert seit über fünf Jahrzehnten an. Die palästinensische Bevölkerung ist dort täglichen Einschränkungen ausgesetzt: Militärische Razzien sind an der Tagesordnung. Die Bewegungsfreiheit wird durch Checkpoints massiv eingeschränkt. Der Siedlungsausbau sorgt dafür, dass palästinensisches Land immer weiter schrumpft. Die Gewalt durch radikale Siedler hat in den letzten Jahren zugenommen – oft mit stillschweigender Duldung der israelischen Armee.

Ein weiteres Argument, das Israels Glaubwürdigkeit in Frage stellt, ist, dass während im Westen lange geglaubt wurde, dass die Zweistaatenlösung vor allem an der palästinensischen Seite scheitere, zeigt sich, dass es auch in Israel keine politische Mehrheit für eine friedliche Lösung gibt. Ganz im Gegenteil: Die israelische Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter nach rechts bewegt. Radikale Stimmen, die eine vollständige Kontrolle über das Westjordanland fordern, werden immer lauter. Besonders besorgniserregend ist die zunehmende Entmenschlichung des Gegners. Der Mauerbau hat die beiden Bevölkerungsgruppen physisch voneinander getrennt. Gleichzeitig wird in israelischen Medien und in der Politik immer häufiger eine Rhetorik verwendet, die Palästinenser als Sicherheitsrisiko oder minderwertig darstellt. Diese Art der Sprache erinnert an Konflikte in der Geschichte, in denen Menschenrechtsverletzungen systematisch vorbereitet oder gerechtfertigt wurden.

Die geopolitische Einordnung des 7. Oktobers 2023

Der 7. Oktober 2023 war ein folgenschwerer Tag. Er rückte den „palästinensischen Widerstand“ in seiner abscheulichsten Form wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. Doch die schwerwiegendste Konsequenz dieses Tages war nicht nur die Eskalation der Gewalt, sondern auch die Tatsache, dass sich die Hamas als dominante Kraft im Kampf gegen Israel etablieren konnte, da keine moderate Kraft es schaffte das Thema weiterhin zu bearbeiten. Während die Fatah und die Palästinensische Autonomiebehörde immer mehr an Rückhalt verlieren und als ineffektiv und korrupt gelten, hat sich die Hamas – trotz oder gerade wegen ihrer brutalen Methoden – als die einzige Organisation inszeniert, die aktiv Widerstand leistet und den palästinensischen Widerstand zurück auf die Agenda der Welt ruft.

Diese Entwicklung ist katastrophal. Nicht nur, weil die Hamas eine islamistische Organisation mit einer zutiefst menschenverachtenden Ideologie ist, sondern auch, weil genau jene Mächte im Nahen Osten davon profitieren, die wenig Interesse am Wohl der Palästinenser haben. Die sogenannte „Achse des Widerstands“, angeführt vom iranischen Mullah-Regime und finanziell unterstützt von Katar, nutzt die palästinensische Sache vor allem als geopolitisches Druckmittel im Kampf gegen den Westen – insbesondere gegen die USA.

Aus iranischer Sicht dienen Gruppen, wie die Hisbollah im Libanon, die Huthi-Miliz im Jemen, pro-iranische Milizen in Syrien und dem Irak oder eben Hamas nicht dem Schutz oder der Unterstützung der Palästinenser. Vielmehr sind sie Teil einer strategischen Einflussnahme Teherans zur Ausweitung seiner Macht in der Region und einem übergeordneten Kampf gegen westliche Werte. In diesem politischen Spiel ist die palästinensische Bevölkerung lediglich ein Mittel zur Rechtfertigung. Es war also kein Zufall, dass Hamas den Normalisierungsprozess zwischen Saudi Arabien und Israel durch das Oktober 7 Massaker zunächst auf Eis setzte.

Eine festgefahrene Situation und die Position der Mitte

Der Konflikt ist verfahrener denn je. Israel will Sicherheit – um fast jeden Preis. Die Palästinenser fordern Selbstbestimmung – mit immer radikaleren Mitteln. Beide Seiten sind längst bereit, extreme Maßnahmen zu ergreifen, um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Vertrauen existiert nicht mehr. In dieser Spirale aus Gewalt und Misstrauen braucht es eine politische Mitte, die für eine differenzierte und friedliche Lösung eintritt – mehr denn je.

Genau deshalb ist es umso wichtiger, dass sich demokratische Gesellschaften klar positionieren: Pro-Peace. Der einzige sinnvolle Beitrag der Mitte kann es sein, nicht blind Partei zu ergreifen, sondern sich konsequent für eine diplomatische Lösung einzusetzen. Das bedeutet Israel als Partner sehen, aber auch menschenrechtswidrige und völkerrechtswidrige Politik offen ansprechen, aber eben auch sich gegen Terrororganisationen wie die Hamas stellen, aber nicht die gesamte palästinensische Bevölkerung mit ihnen gleichsetzen.

Dass eine solche Position möglich ist, zeigen viele in Israel ansässige Organisationen wie "Beaking the Silence" oder "Standing Together", die sich aktiv für ür die Versöhnung und das Existenzrecht beider Völker einsetzen. Selbst hochrangige Generäle der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) äußerten sich 2023 besorgt über die Justizreform der Regierung Netanjahu, die vor allen von den religiös-nationalistischen Koalitionspartner voran gebracht wurden – ein Novum in der israelischen Politik.

Die besondere Verantwortung Deutschlands

Für Deutschland gilt diese Haltung in besonderem Maße. Die Staatsräson, die besagt, dass die Sicherheit Israels unantastbar ist, bleibt richtig – nicht nur aus historischer Verantwortung, sondern auch, weil Israel als demokratischer Staat ein enger Partner Europas ist.

Doch Deutschland darf sich nicht blind auf diese Position zurückziehen. Wer demokratische Werte ernst nimmt, muss auch menschenrechtswidrige Entwicklungen in Israel benennen. Wenn Deutschland Waffenlieferungen zum Schutz jüdischen Lebens an Israel sendet, hat es auch das unbedingte Recht – und die Pflicht –, Einfluss darauf zu nehmen, unter welchen Umständen, von wem und wie diese eingesetzt werden. Andernfalls untergräbt es seine eigene Glaubwürdigkeit als Rechtsstaat und als verlässlicher Partner in der internationalen Gemeinschaft. Deutschland hat ein Nationales Interesse daran die Schutzbewegung des Zionismus zu unterstützten und nicht eine religiös-nationalistische Strömungen mit erweiterten Gebietsansprüchen.

Selbstverständlich besteht die größte Herausforderung darin, sich nicht von den Extremen auf beiden Seiten vereinnahmen zu lassen. Weder eine kritiklose Unterstützung Israels noch eine einseitige Parteinahme für die palästinensische Sache bringt den Frieden näher. Somit führt der einzig nachhaltige Weg über Diplomatie, Kompromisse und den unermüdlichen Einsatz für eine Lösung, die beiden Völkern Gerechtigkeit widerfahren lässt; Sicherheit für den jüdischen Heimatstaat und Selbstbestimmung für das palästinensische Volk. Nur so kann eine Freundschaft zu Israel langfristig florieren und Deutschland sich als verlässlichen Partner in eine zunehmend feindseligen internationalen Weltordnung etablieren.

Nur so kann verhindert werden, dass weitere Generationen in einem endlosen Konflikt aufwachsen – ohne etwas anderes als Gewalt und Feindseligkeit zu erlernen.