Winfred Gaul war ein Maler-Theoretiker, der sich zeitlebens über das Malen selbst reflektierte. In seiner fortdauernden Befragung des Verhältnisses von Kunst und Realität brachte er Werke teils sich diametral entgegenstehender Stilrichtungen hervor mit denen er sein Publikum nicht selten irritierte:

Gaul war nicht an einer linearen Fortentwicklung seines Oeuvres interessiert. Vielmehr führte seine tiefgehende intellektuelle Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Malerei und dem internationalen Kunstgeschehen seiner Zeit zu teils sehr disruptiven Entwicklungsschritten: Während er gegen Ende der 1950er Jahre noch zu einem Wegbereiter des deutschen Informel erklärt wurde, lotet Gaul bereits in den frühen 1960er Jahren ganz bewusst die Möglichkeiten der Pop-Art und der Farbfeldmalerei aus. Seine vormals von der Handschrift dominierte Malerei macht nun Platz für streng durchkomponierte Arbeiten mit einfachen geometrischen Formen und monochromen Farbflächen. Der Einsatz von Farbe in ihrer eigenständigen, realitätserzeugenden Qualität dominiert nun sein Schaffen, das insbesondere für die Entwicklung der Malerei in Deutschland wichtige, auch intellektuelle Weichen stellte.

Anlässlich seines 90. Geburtstages zeigt die Galerie Ludorff gemeinsam mit dem Nachlass des Künstlers eine spannungsreiche Übersicht ausgewählter Werke des Düsseldorfer Malers Winfred Gaul. Präsentiert werden achtzehn teilweise noch nicht öffentlich ausgestellte Werke des Künstlers aus den Schaffensperioden zwischen 1960 und 1980. Die Ausstellung bietet auf diese Weise einen neuen Blickwinkel auf ein äußerst facettenreiches Oeuvre, das sich keineswegs einer einzigen Stilrichtung unterordnen lässt.

Einen Schwerpunkt bilden die Werke aus der Serie „Verkehrszeichen und Signale“, in denen Gaul Impulse aus der Alltagsrealität verarbeitet: Aufgrund ihrer plakativen, grellen Farbigkeit und ihres ungewöhnlichen Bildformats erinnern die Arbeiten an Verkehrsschilder, deren hinweisende Funktion sie in ihrer Bedeutungsoffenheit allerdings vollständig unterwandern. Die zeitlich anschließende Werkgruppe der „Markierungen“ hingegen erscheint in ihrer Farb- und Formpalette deutlich reduzierter. Mit feinen Linien und breiten Farbstreifen, die mal unruhig bewegt, mal wie stillgestellt erscheinen, werden innerbildliche Spannungsmomente auf immer neue Weise durchgeprobt.

Winfred Gaul wurde 1928 in Düsseldorf geboren. Nach einer Bildhauerlehre studierte er von 1950 bis 1953 bei Willi Baumeister und Mannfred Heinniger an der Kunstakademie in Stuttgart. 1955 schließt er sich der Düsseldorfer Künstlervereinigung Gruppe 53 an, die zu einer der Keimzellen des deutschen Informel gehörte. Durch seine Teilnahme an der documenta II (1959) und VI (1977) erlangte er auch über die Landesgrenze hinaus hohes Ansehen. Seine Werke wurden in zahlreichen, internationalen Einzel- sowie Gruppenausstellungen gezeigt (z.B. „Gaul – Signaux – Signalen“, 1967, Palais des Beaux Arts in Brüssel; „Gegenverkehr“, 1968, Zentrum für aktuelle Kunst in Aachen). 1964 erhält er den Villa-Romana-Preis. Gauls Arbeiten befinden sich in renommierten, öffentlichen Sammlungen wie etwa dem Museum Kunstpalast in Düsseldorf, dem Museum Ludwig in Köln und dem Stedelijk Museum in Amsterdam. 2003 starb Wilfred Gaul in Düsseldorf-Kaiserswerth.