Häusler Contemporary München freut sich, anlässlich der OPEN art 2018 neue Werke von Gary Kuehn zu präsentieren, der seit den 1960ern zu den wichtigsten Vertretern des Post Minimalismus und der Process Art gehört. In seinen jüngsten »Black Paintings« und in der »Niagara Series« entwickelt der Künstler das Verhältnis von strenger Geometrie und freier Geste weiter zu neuen, überraschenden Bildlösungen.

Gary Kuehn (*1939, New Jersey, lebt in New York) ist heute bekannt für sein bildhauerisches Oeuvre, mit dem er in den 1960er-Jahren zur Erneuerung des Skulpturbegriffs beitrug. Schon früh hat er aber auch im Medium der Zeichnung und der Malerei nach Ausdrucksformen für sein zentrales Thema gesucht: Das Spannungsfeld zwischen Begrenzung und Freiheit von Geste und Materie. Dieses Leitmotiv zeigt sich auch in Kuehns neuster Auseinandersetzungen im zweidimensionalen Bildraum, die wir erstmals in Europa präsentieren. Mit den sogenannten »Black Paintings«, von denen einige jüngst entstandene in unserer Ausstellung zu sehen sind, hat Kuehn bereits in den 1970er-Jahren eine kraftvolle bildhafte Formulierung gefunden, die er in verschiedenen Werkphasen weiter entwickelt hat. Bei dieser skulpturalen Interpretation der Malerei wird Acrylfarbe in kreisförmige Matrizen gegossen, wo die dicke Farbschicht eine reliefartige Struktur bildet. Die Kreise wiederum wurden bis anhin durch die Einpassung in das Leinwandvieleck aneinander gedrückt und deformiert – eine bildhafte Metapher für den Zwang durch äußere Umstände. In den neuesten »Black Paintings« hingegen kehrt sich das Verhältnis scheinbar um: Die zerfließende, nach außen drängende Farbe verlässt die starre Rechteckform der Leinwand, tropft über sie hinaus oder bläht sie an einzelnen Stellen auf, sodass der Bildgrund sich der Materie anpasst. Die Gemälde sind von dem inhärenten Kräftemessen befreit und leben von Sinnlichkeit und vom Potential der Veränderung.

Die zweite, größere Werkgruppe in unserer Ausstellung, die »Niagara Paintings«-Serie, ist in technischer Hinsicht verwandt mit den »Black Paintings« und entsteht seit 2014. Die frei fließende Farbe wird hier allerdings nicht in eine skulpturale Kreisform, sondern quasi in eine optische Illusion hinein gegossen: in einen gezeichneten »Kanal« aus eng aneinandergereihten Graphitstrichen. Kuehn greift hier die Schablonentechnik wieder auf, die ihm ebenfalls schon früh in seinem zeichnerischen Werk als Stilmittel diente. So erzeugt er ein visuell verwirrendes Spiel mit der perspektivischen Darstellung des Kanals, der sich scheinbar in die Bildtiefe eingräbt, und der sichtbar gemachten Schwerkraft der Acrylfarbe, die vom oberen Bildrand nach unten tropft. Trotz abstrakter Bildanlage wohnt diesen Werken zudem – wie oft bei Kuehn – auch eine erotische Komponente inne. Die zentralen Themen aus diesen beiden Gemäldeserien sind auch in einer Reihe von Arbeiten auf Papier mit zarten Emaille-Farben in unserer Ausstellung sichtbar verhandelt beziehungsweise vorbereitet worden. Es sind Werke, die alle während einer intensiven Schaffensphase des Künstlers im Sommer 2017 entstanden sind und in denen die Autorität der geometrischen Form und die Freiheit der Geste in einen neuen, fast versöhnlichen Dialog miteinander treten. Unsere Ausstellung zeigt so wichtige Stränge von Kuehns gesamtem Schaffen auf und bietet gleichzeitig Einblick in die aktuellste Produktion des Künstlers, in der seine Themen nochmals eine neue, überraschende Weiterentwicklung erfahren.

Gary Kuehn’s Werk war er Teil von so massgebenden Ausstellungen wie »Eccentric Abstraction«, New York 1966, »When Attitudes Become Form«, Bern 1969, und »documenta 6«, Kassel 1977. Jüngst waren seine Arbeiten in der Fondazione Prada, Venedig, im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, im Hamburger Bahnhof, Berlin und im Wadsworth Athenaeum Museum of Art, Hartford ausgestellt. 2018 richtete das GAMeC in Bergamo eine große Retrospektive des Künstlers aus. Seine Werke sind in den Sammlungen vieler namhafter Museen weltweit vertreten, unter anderem im Museum of Modern Art und im Whitney Museum of American Art, New York, in der Albertina, Wien, im Kunstmuseum Bonn, im Stedelijk Museum, Amsterdam, oder im Hamburger Bahnhof, Berlin.