Als der Galerist Bruno Brunnet den Architekten Arno Brandlhuber einlud, eine Architekturausstellung in den Räumen der Contemporary Fine Arts am Totengässlein in Basel zu konzipieren, winkte dieser ab: „Besser wäre es, das auszustellen, was da ist.“ Die Räume der Galerie sollten nicht als Hintergrund für eine Ausstellung dienen, sondern selbst zum Exponat werden. Nicht der Verweis auf Architektur, die projektiert oder anderswo realisiert ist, sollte das Thema sein, sondern die Frage, wie Architektur als solche ausstellbar sei. Dieses im Bereich der Architektur noch recht neue Vorgehen knüpft an die ab den 1970er Jahren entwickelte künstlerische Institutionskritik an, also der Idee, dass Kunst ihre eigenen Bedingungen kritisch reflektiert.
Beim Besuch vor Ort fiel ein Wandgemälde im Innenhof der Galerie auf. Es wurde 1979 von Ernst Georg Heussler (1903-1982) gemalt. Auftraggeber waren die Hauseigentümer Gerda und Donald Kanitzer, die in den Räumen ab den frühen 1970er Jahren eine Pelzhandlung führten und heute in der darüberliegenden Wohnung leben. (Ein älteres, stark verblasstes Fresko von Heussler schmückt die Fassade des Hauses.) Mit dem Umbau zur Galerie im Jahr 2023 wurden die großen Fensteröffnungen zum Hof verdeckt. Das Wandgemälde war nur von einem Seitenraum aus zu sehen. Um zu zeigen, was da ist, wird der Blick auf den Hof wieder freigegeben.
Das im spätkubistischen Stil in leuchtenden Blau-Grüntönen gehaltene Wandgemälde im Innenhof zeigt eine für den Basler „Morgestraich“ typische Laterne, die zum Auftakt der Fasnacht durch die Stadt getragen wird. Das Sujet der Laterne ist der Sündenfall. Umgeben von Tieren reicht Eva Adam die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis. (Gen.3, 6). Im Interview erläutert Gerda Kanitzer, dass die Figur, die durch ein Guckloch ins Innere der Laterne auf die Paradiesszene blickt, eine Anspielung auf eine 1979 in Basel nicht zugelassene Peepshow sei, die in Zürich seit 1977 als „Stützlisex“ florierte. Die darüber, hinter dem Mond schwebende Figur wiederum spiele auf den als „Pillenpapst“ verschriebenen Paul VI. an, einen Gegner der Verhütungsmittel. Was der Basler Bevölkerung versagt blieb, konnte im Hinterhof des Pelzgeschäfts bewundert werden.
Im Schaufenster der Galerie war 2024 die Skultpur Jane B (= Jane Birkin, die im Jahr 1969 zusammen mit ihrem Partner Serge Gainsbourg den Welthit Je t’aime… moi non plus einsang) von Sarah Lucas auf einem Drehteller ausgestellt. „Nie blieben so viele Menschen vor dem Fenster stehen“, erinnert sich Gerda Kanitzer. Für die jetzige Ausstellung wird das Schaufenster mit einer Jalousie verdeckt, in die, entworfen von der Künstlerin Constanze Haas, ein Guckloch eingeschnitten ist. Der Blick fällt ins Innere der Galerie, auf den Arbeitstisch, der normalerweise im hinteren Bereich verborgen bleibt. Auszustellen, was da ist, bedeutet auch, den Galeriebetrieb zu zeigen, die ehemalige Galerieleiterin Katharina Hajek und die jetzige Galerieleiterin Flavia Senn, bei ihrer Arbeit ins Licht zu rücken. Wenn sie den Computer nicht benutzen, läuft anstelle eines Bildschirmschoners ein kurzer Film des Filmemachers Severin Bärenbold: Das Interview mit den Kanitzers.
Die Wände der Galerie bleiben während der Ausstellung leer. Die Aufmerksamkeit liegt auf dem Kunstwerk von Heussler, zu dem er, wie die Kanitzers berichten, motiviert wurde, weil ihn die „leere Wand störte“. Aber weil eine Galerie dazu dient, Kunstwerke zu verkaufen, stehen vier Kunstwerke neben dem Arbeitstisch bereit, die alle mit der Paradiesdarstellung irgendwie zusammenhängen. Peter Doigs Gemälde Daytime astronomy (1996), seine Zeichnung Gauguin (ca. 1983), Cecily Browns Gemälde Untitled (# 102) (2010) und Sarah Lucas’ Foto Polaroid bunny #3 (1997), allesamt nicht verkäufliche Leihgaben der privaten Sammlungen von Nicole Hackert und Bruno Brunnet. Bei Interesse können die Bilder vorübergehend an die Wand gehängt werden.
Was weiß ein Gebäude? Anders gefragt, welche Bedeutung wird durch Räume, durch Architektur, manifest? Die Kunsthistorikerin Charlotte Matter erinnert an Charles Baudelaires Aussage Qu’est-ce que l’art? Prostitution und die damit einhergehende Gleichung von Sexarbeit, Kommerz und Kunst. Open for paradise ist keine Ausstellung über dieses Thema. Sie schafft vielmehr einen räumlichen Zusammenhang zwischen Voyeurismus und Verlangen, Sexarbeit und Kunsthandel, Gucklöchern und leeren Wänden, Agierenden und Beobachtenden. Die Ausstellung behauptet nichts, erfindet nichts, sondern macht das Gefundene sichtbar: Show, don’t tell! Sie ist eine Ermunterung, die Perspektive zu verändern, neue Bedeutung zu produzieren, und – um im Bild der Schöpfungsgeschichte zu bleiben – die Augen zu öffnen.
(Text von Philip Ursprung)
















