In Simulacra beschäftigt sich Nika Kupyrova mit den verschwimmenden Grenzen zwischen dem Realen und dem Imaginären, dem Virtuellen und dem Nicht-Virtuellen, dem Organischen und dem Maschinellen. Die Einzelausstellung, der mit dem Kardinal König Kunstpreis ausgezeichneten Künstlerin, ist bis 17. August im Lentos zu sehen.

Mit Simulacra zeigt das Lentos Kunstmuseum Linz die erste museale Einzelausstellung der Künstlerin Nika Kupyrova. In einer dichten Bildsprache, die digitale Ästhetik, popkulturelle Referenzen und mythologische Motive miteinander verschränkt, entwirft Kupyrova eine digitale, animistische Kosmologie – eine Welt zwischen Traum, Technologie und Realität.

Digitales archiv als ausgangspunkt

Kupyrova schöpft für Simulacra aus einem über Jahre gewachsenen persönlichen Archiv: .jpgs, .pngs und Screenshots bilden das Rohmaterial für eine Reflexion über Wirklichkeit und Illusion. Das Internet dient dabei als kollektiver Speicher für Bilder, Emotionen und kulturelle Codes.

„Ich verbringe viel Zeit im Internet, was verdeutlicht, von wo viele der Ideen für die Ausstellung Simulacra stammen. Ein Aspekt von viel Bildschirmzeit ist, dass das scheinbar Spielerische der popkulturellen Interpretationen, denen ich im Internet begegne, mit einer bedrängenden Angst über den Zustand der Welt und einem tiefen technologischen Unbehagen einhergeht”, erklärt die Künstlerin Nika Kupyrova.

Weiße hunde und surreale objekte

Ein zentrales Werk der Ausstellung sind vier großformatige Bildtafeln, auf denen weiße Hunde erscheinen – Motive, online zirkulierten. Ihre kryptischen Werktitel wie C696879b62f37ed3d7f7d0204c0d49b8.jpg verweisen auf den ursprünglichen Dateinamen des Downloads.

In Zusammenarbeit mit ihrer Mutter, der klassisch ausgebildeten Malerin Irina Kupyrova, transformiert Nika Kupyrova diese digitalen Bilddateien in vielschichtige, haptisch erfahrbare Kunstwerke. Auf bemalten Holzpaneelen verschmelzen Hunde-Porträts mit Collagen aus Muscheln, selbstklebenden Wackelaugen und surrealen Objekten, wie dem Abguss einer Schuhlöffelhand.

Diese Assemblagen greifen ironisch auf Bildwelten des Naturalismus und des Horrorgenres zurück. Die weißen Hunde erscheinen als Marker eines veränderten Bewusstseinszustands – ähnlich dem Übergang zwischen Schlaf und Wachsein oder zwischen Realität und Simulation. In dieser Schwellenwelt lösen sich die Grenzen zwischen Organischem und Künstlichem auf.

Zwischen schlaf und simulation

Auch die Metallskulptur Alectrona, ein stilisiertes Auge, steht sinnbildlich für das Erwachen aus einem Halbschlaf – ein Motiv, das auf die gleichnamige griechische Göttin der Morgenröte anspielt. Die daneben positionierte Wandtapete mit Sonnenuntergang stellt einen weiteren Übergangszustand dar: zwischen Tag und Nacht, Realität und Imagination. Die Tapete verdichtet sich atmosphärisch zu einer Bildercloud. Kupyrova übersetzt dabei ursprünglich digitale Bilder – sogenannte arme Bilder, also Bilder in schlechter Auflösung oder niedriger Qualität, wie sie typischerweise im Internet kursieren – in eine pseudo-analoge Ästhetik im Stil des schwarz-weißen Siebdrucks.

Die titelgebende Videoarbeit Simulacra vereint viele dieser Themen. In einer dystopisch-fantastischen Szenerie begegnen sich die animierten Avatare Eidolon und Orphe – hybride Wesen zwischen Mythos, Code und Körper. Das Sounddesign der Musikerin Ai fen erzeugt eine unheimliche Klangkulisse, die die Vorstellung eines fühlenden, animistischen digitalen Raums verstärkt.

Taktile ästhetik statt KI-bilder

Mit Simulacra lädt das Lentos Kunstmuseum zu einer Expedition in ein komplexes Referenzsystem ein – von antiken Mythen über Internetmemes bis hin zur posthumanistischen Theorie. Die Grenzen zwischen dem, was wir als real oder fiktiv wahrnehmen, verschieben sich ständig – ein Phänomen, das sich aktuell besonders an durch Deep-Learning-Modelle generierten Bildern zeigt.

„Kupyrova verweigert sich bewusst dem Einsatz KI-generierter Bilder und setzt stattdessen auf eine haptisch erfahrbare Ästhetik. In einer Welt, in der visuelle Reize inflationär sind, fragt die Künstlerin nach dem Status des Originals, nach Wahrnehmung und Bedeutung in einer von Simulation durchdrungenen Gegenwart“, erklärt Lentos-Direktorin Hemma Schmutz.