Die Galerie Eva Presenhuber freut sich, im Rahmen der Ausstellung Blende zum morgen / Fade to morning neue Bleistift- und Tuschezeichnungen des österreichischen Malers Tobias Pils präsentieren zu können. Die Schau widmet sich der Zeichnung als Filter, als Anfang und Ende, als Ursprung und Prisma, durch das sich Pils’ gesamte künstlerische Praxis selbst reflektiert und in die Zukunft entfaltet. Es ist die achte Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie und läuft parallel zu seiner Einzelausstellung im mumok in Wien.
Meine Gewohnheit zu Zeichnen hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Von einer täglichen Routine zu einem Ab und Zu. Ich ziehe es vor, an anderen Orten als in meinem Atelier zu zeichnen – wie zu Hause (wenn unsere Kinder im Bett sind), im Lager der Galerie für ein paar Stunden, oder im Urlaub.
Meine Tuschezeichnungen sind Meditationen über etwas (meist Gemälde) bereits Erreichtes. Eher emotional. Die viel kleineren Bleistiftzeichnungen sind Entwürfe, Architekturen und Notizen für etwas, das noch bevorsteht. Eher distanziert.
Die richtige Stimmung finden, das richtige Tempo, das richtige Maß.
Gedankenströme ziehen vorbei. Das Maß an Verlangen ist groß.
Linien werden zu Adern, die mich mit etwas Verflossenem verbinden.
Was bedeutet Jetzt?
Sind wir alles, was uns fehlt?
Sind wir alles, was wir brauchen?(Aus: Tobias Pils, Drawings, 2024. S. 162)
Es ist, als sähe man plötzlich hinter Schichten das Unzugängliche. Das, was im gewohnten Tohuwabohu des Lebens verborgen bleibt. Tobias Pils'Bilder sind zeitlos, aber antiklassisch, weil sie hinter die Realität der Ideale und Idealisierungen führen.
Die farbliche Zurückhaltung oder gar Enthaltsamkeit bietet sich als ein erstes ernsthaftes Zeichen an – ja, wofür? Heisst die Antwort: Weg vom Exzess des Spektakels, des Überquellens, des Zudonnerns? Hin zu den Zwischentönen? Hin zur Anatomie des Lebens, wie es im Innern fliesst und pulsiert, hin zur Quelle, wo das Elementare beginnt.
Die Aktivität des Zeichnens ist schillernd mit jener des Malens verbunden. Mit der Intimität, die dem Zeichnen nachgesagt wird und der Unmittelbarkeit, die das Machen verschaltet mit der Kopfarbeit, mit der Zentrale des Denkens und Fühlens, sodass die Betrachtenden glauben, Einblick zu haben in die Entblössung der intimsten Spiegelung der Regungen – und des persönlich Subjektiven? Doch Tobias Pils zeigt uns überindividuelle Glyphen, herausdestilliert aus den Tiefen des Kollektivs.
Das Betrachten seiner Bilder geschieht in einer Art Zweistufigkeit: Beim Gegenübertreten springt einem nicht die Direktheit des Inhalts in die Augen, sondern jene des Materials, des Vehikels. Weil sich die Intimität und das Immediate der Zeichnung ins Immense vergrössert hat. Erst dann folgt die Arbeit des Sehens und Aufschlüsselns des bewegten und bevölkerten Bildgeschehens. Das Lesen der Motivverschlingungen, der Andeutungen und Deutlichkeiten. Sehen ist Einfühlen und Wiedererkennen sowie das Erahnen von Erfahrungsmöglichkeiten, die das Eigene mit dem anderen zur Synthese verbinden.
Es ist ein veritables Möglichkeitstraining – dieses Eintauchen in eine real erscheinende, uns alle betreffende Traumwelt. Vergessen der Surrealismus mit seinem redundant gewordenen Verweis auf das individuelle Unbewusste. Tobias Pils' Bilder lassen das Psychologisieren hinter sich, im Blick auf das groteske Verhalten der Menschheit als Ganzes, mit all ihren Vorfahren und ihren ewigen Wiederholungen […].
(Aus: Bice Curiger, Die Augen reiben, 2025)















