In ihrer ersten Einzelausstellung mit der Galerie in Europa zeigt die in New York lebende Künstlerin Pat Steir anlässlich des Zurich Art Weekend 2025 bei Hauser & Wirth Zurich eine Reihe neuer Gemälde.

Mit diesen jüngsten Werken, in denen sie die Sprache ihrer ikonischen Wasserfallbilder weiterentwickelt, gewährt Steir einen vertieften Einblick in die visuelle Philosophie, die ihrer charakteristischen Malweise zugrunde liegt. Besonders deutlich wird in diesen Werken der Dialog zwischen der Idee – dem konzeptionellen Fundament, auf dem ihre Bilder beruhen – und der Materialität, also dem körperlichen Ausdruck ihrer Geste. Steir sagt: «Durch das Giessen der Farbe nehme ich mich zwar selbst aus dem Gemälde heraus, trotzdem unterliegt dieser Vorgang immer auch einer bestimmten Intention und von mir gesetzten Regeln.» Diesem künstlerischen Konzept ist die heute 87-jährige Künstlerin über Jahrzehnte hinweg treu geblieben: Ihr Werk beruht auf dem bewussten Verzicht auf Kontrolle, denn Steir überlässt das formale Ergebnis ihrer Malerei dem Zufall und der Schwerkraft, die auf die Farbe wirkt, während sie auf die Leinwand gegossen wird oder in Kaskaden vom Pinsel fliesst. Innerhalb dieses Rahmens legt die Künstlerin jedoch zentrale Parameter fest – die Viskosität, den Farbton sowie die Anordnung der Markierungen auf der mit einer vorgezeichneten Gitterstruktur versehenen Leinwand.

Solche Gitterstrukturen sind seit den frühen 1970er-Jahren in Pat Steirs Gemälden, Zeichnungen und Wandzeichnungen präsent – ein Merkmal, das ihr Werk mit jenem von Agnes Martin, Sol LeWitt und Piet Mondrian verbindet. Ob sichtbar oder nicht, sind die Gitter doch elementar für Steirs Werk und haben sowohl symbolische als auch strukturelle Funktionen. Gelesen als etwas, das ein Ziel oder einen Zweck in sich selbst verfolgt, erscheint das Gitter als Matrix des Wissens – ein Ort der Logik, der sich jeder Narration entzieht. Mit der Gitterstruktur als Hintergrund, manifestiert sich in den neuen Arbeiten von Pat Steir der Pinselstrich als Subjekt, Anspielung und materielle Realität in Form von Farbkaskaden, die, der natürlichen Schwerkraft folgend, über die Leinwand fliessen. Gleichzeitig lassen die Bilder ihren Entstehungsprozess erkennen. Dem zufälligen Ereignis geht eine bewusste Entscheidung voraus – Steirs zuvor überlegte Markierung in einem konkreten Raum-Zeit-Gefüge, innerhalb dessen sich unendlich schöne Formen entfalten können. Jonathan Crary hat dies 1976 in einer Rezension im Arts Magazine so beschrieben: «Steirs Arbeiten zu betrachten, kann sich anfühlen, als folge man der Bewegung ihres Denkens – als erlebe man die Abfolge ihrer eigenen Unsicherheiten und Entdeckungen.»

Mit The brueghel series (A vanitas of style) aus dem Jahr 1984 ist eines der Meisterwerke von Pat Steir in der Schweiz zu Hause. Das im Rahmen einer Wanderausstellung durch die USA und Europa zunächst im Brooklyn Museum gezeigte Gemälde gehört heute zur Sammlung des Kunstmuseums Bern. Ausgehend von einem Stillleben von Jan Brueghel aus dem 17. Jahrhundert schuf Steir ein Werk aus 64 Tafeln, von denen jede auf eine andere kunstgeschichtliche Stilrichtung anspielt – eine Untersuchung der Grenzen und der Dauerhaftigkeit stilistischer Relevanz in einer Epoche zwischen Moderne und Postmoderne. Für die Malerin bildete diese Arbeit einen Durchbruch und markierte den Beginn ihrer berühmten Wasserfallserie, mit der sie die Trennung von Figuration und Abstraktion infrage stellte. Diese Auseinandersetzung führte zu Steirs eigener, sich stetig weiterentwickelnder Bildsprache. Der Titel der aktuellen Ausstellung in Zürich – Song – ist auch der Titel eines Werks aus dem Jahr 1974, welches in der Bildmitte drei Pinselstriche in den Primärfarben Rot, Gelb und Blau zeigt. Die in Zürich präsentierten neuen Werke – teilweise ebenfalls mit roten, gelben und blauen Pinselstrichen in der Bildmitte – belegen, dass Pat Steir mit ihrer typischen Syntax und dem künstlerischen Verfahren, das sie seit sechs Jahrzehnten verfolgt, weiterhin neue und bemerkenswerte Arbeiten hervorbringt.

Die aktuelle Ausstellung findet parallel zu einer Einzelausstellung statt, die ab dem 9. Juli in der New Yorker Galerie von Hauser & Wirth in der Wooster Street zu sehen ist. Dort präsentiert die Künstlerin eine Neuinterpretation einer ihrer frühen Wandzeichnungen – fast fünfzig Jahre nach deren erster Installation.