Nach der partizipativen Residenz der Künstlerin Zahra Hakim, Gewinnerin des Prix Art Humanité, setzt das Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum seine Auseinandersetzung mit Textilkunst und Co-Kreation fort. Mit der Ausstellung «Angélica Serech – Pach’un q’ijul» rückt das Museum eine aussergewöhnliche Stimme aus Guatemala ins Zentrum. Die Ausstellung präsentiert rund 40 Werke, darunter 15 neue, eigens für diesen Anlass geschaffene Arbeiten.
Vom 9. Oktober 2025 bis zum 30. August 2026 widmet das Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum der Künstlerin Angélica Serech eine umfangreiche Ausstellung.
Eerste europäische Ausstellung der guatemaltekischen Künstlerin
«Angélica Serech – Pach’un Q’ijul» ist nicht nur ihre erste monografische Schau in Europa, sondern auch eine poetische Hommage an indigene Erinnerungskultur, Widerstandskraft und gemeinschaftliches Schaffen. Die Künstlerin hinterfragt mit eigens entworfenen, monumentalen Webstühlen die traditionellen Grenzen des guatemaltekischen Webens und verbindet dabei indigene Techniken mit ihrer persönlichen Geschichte.
Eine Hommage an indigene Traditionen
Angélica Serech, geboren 1982 in San Juan Comalapa, wuchs während des guate maltekischen Bürgerkriegs auf – einem der brutalsten Konflikte in der Geschichte Lateinamerikas. Unter der Militärdiktatur und General Efraín Ríos Montt wurden in den 1980er-Jahren etwa 200'000 Menschen getötet, vorwiegend aus indigenen Gemeinschaften. Während dieser Zeit lernte Serech von ihrer Mutter und Grossmutter das traditionelle Webhandwerk. Was als Überlebensstrategie begann, wurde für sie zum Akt des Erinnerns und Widerstands.
Ihre Werke, inspiriert von den traditionellen Maya-Trachten aus San Juan Comalapa, zollen dem kulturellen Erbe der Kaqchikel-Maya Tribut. Sie sind ein kraftvolles Zeugnis ihrer Wurzeln und der Geschichte der indigenen Bevölkerung in Mittelamerika. Serech nähert sich der Textilkunst neugierig und intuitiv. Mit ihrem experimentellen Zugang denkt sie die traditionellen Grenzen des guatemaltekischen Webens neu und entwirft eigene, monumen tale Webstühle, auf denen sie alte Techniken indigener Gemeinschaften in Guatemala mit ihrer persönlichen Geschichte zu neuen Erzählungen verwebt. Dafür nutzt sie natürliche Materialien wie Maisblätter und Äste, die sie mit beeindruckender Kreativität transformiert. Dabei entsteht eine neue Ästhetik – widerständig, poetisch und tief in ihrer kulturellen Geschichte verankert.
Webkunst im Zeichen des humanitären Prinzips der Fürsorge
Im Einklang mit den humanitären Werten der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung beleuchtet die Ausstellung die therapeutische Dimension handwerklicher Arbeit. Gerade im Kontext von Krieg und Vertreibung kann Weben zu einem Akt der Widerstandskraft und Resilienz werden – ein Mittel des Ausdrucks und der Heilung, insbesondere für verletzliche Gruppen wie Kriegsgefangene. In einem spannenden Dialog treten Werke von Serech in Beziehung zu Fotografien, Plakaten und Objekten aus der Sammlung des Museums, die die Geschichte des guatemaltekischen Bürgerkriegs dokumentieren.
Ein partizipatives Kulturprojekt für alle
Als Teil des Jahresprogramms 2025 zum Thema «Co-Konstruktion» lädt das Museum Besucher:innen ein, sich aktiv am Entstehungsprozess eines von der Künstlerin initiierten grossformatigen textilen Werks zu beteiligen. Ergänzend werden in Zusammenarbeit mit dem Genfer Roten Kreuz Workshops angeboten. Darüber hinaus steht ein Bereich für freies Stricken allen offen.
Im Rahmen der Ausstellung wird auch das Wandteppichwerk von Zahra Hakim zu sehen sein, das von März bis August 2025 in der neuen Residenz für Kunstschaffende zusammen mit Besucher:innen entsteht. Das Programm würdigt das Textil als Sprache des Teilens, der kollektiven Schöpfung und der Weitergabe – und spiegelt damit die humanitären Werte des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds wider.