Was passiert in Venezuela? Heute schreiben wir über die endlose Treibstoffkrise, Wahlnachrichten und die Ankunft des Impfstoffs gegen Covid-19.

Die endlose Treibstoffkrise

Ich lebe in der Stadt Maracaibo, neben dem See, der ihr den Namen gab, und die sich im Westen unseres Landes befindet, ganz in der Nähe der Grenze zu Kolumbien. Während dieser Entspannungswoche – was die Covid19- Einschränkungen betrifft - bemerkte ich, dass sich kaum Fahrzeuge bewegten und viele Menschen lange Strecken zu Fuß zurücklegten (mich eingeschlossen), und auch, dass die meisten Tankstellen geschlossen waren und sich lange Schlangen vor ihnen bildeten. In diesen mußte man bis zu vier Tage warten (man sagte mir, dass man an anderen Orten bis zu fünfzehn Tage warten müsse). Die Fahrer*innen wechseln sich mit dem Essen und der Erfüllung anderer Bedürfnisse - einschließlich der persönlichen Hygiene - ab. Auf dem illegalen Markt kann ein Liter Benzin für 2 bis 3 US-Dollar gekauft werden, im Süden des Landes kostet er 4,5 US-Dollar, während in den offiziellen Verkaufsstellen der teuerste Liter 0,5 US-Dollar kostet, aber dort gibt es meist kein Benzin.

In der venezolanischen Hauptstadt Caracas, wo es üblicher Weise weniger Probleme mit Benzin gibt, sind auch bereits Engpässe zu verzeichnen. Angesichts dieser Realität kündigte die Sonderkommission Ali Rodriguez Araque, die bei PdVSA (staatliche Erdölgesellschaft) intervenierte, den Beginn einer Notstandsperiode an, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen, aber man geht davon aus, dass es eine Rückkehr zu einer Regelung geben wird, die Benzin für Fahrzeuge garantiert, die Teil der wesentlichen Wirtschaftsleistungen sind.

Bis heute haben die Raffineriekomplexe noch nicht das Produktionsniveau erreicht, das notwendig ist, um die nationale Nachfrage zu befriedigen, die durch den Rückgang der Fahrzeuge geschrumpft ist. Ebenso gab es keine neuen Brennstoffimporte in das Land, weder über öffentliche noch über private Kanäle. Obwohl die iranischen Behörden dies bestritten und die venezolanischen Behörden keine Erklärung abgegeben haben, melden mehrere US-Wirtschaftsnachrichtenagenturen die Version der USA, dass mindestens drei Lieferungen nach Venezuela beschlagnahmt wurden, ohne die Umstände zu nennen. Nun sind neue Frachtschiffe unterwegs, mit der latenten Drohung der Regierung der Vereinigten Staaten und der Unterstützung des Teils der venezolanischen Opposition, der sich nicht an den Wahlen beteiligen wird. Dieser fordert weiterhin "verstärkten internationalen Druck", was in Wirklichkeit einseitige Zwangsmaßnahmen mit weitreichenden Folgen für das venezolanische Volk bedeutet.

Diese Realität ist bereits eingetroffen und die venezolanischen Männer und Frauen bereiten sich bereits auf die Rückkehr schwerer Zeiten vor, in denen wir uns neben der Knappheit auch mit der Korruption in den Benzinläden und der zunehmenden Spekulation mit illegalen Marktpreisen auseinandersetzen müssen.

Der Weg zu den Parlamentswahlen

Die politische Diskussion für die Parlamentswahlen war in dieser Woche vermindert, was nicht bedeutet, dass der Zeitplan aufgehört hat. Unter anderem haben die politischen Organisationen ihre Position in der Wahlkarte gewählt, neben der Bekanntgabe ihrer Änderungen und Ersetzungen in den Listen der Kandidat*innen und programmatischen Forderungen.

Innerhalb des Chavismus wurden die vorgelegten Wahlprogramme weiter verfeinert, und der diskrete Dialog mit den Oppositionsfraktionen, die sich für den Wahlweg als Mittel zur Lösung politischer Konflikte entschieden haben, wurde fortgesetzt. Mehrere Ministerinnen, die ihr Amt niedergelegt haben, um an den Wahlen teilzunehmen, sind bereits ersetzt worden, und einige bestätigte Kandidatinnen tauchen bereits bei den Treffen mit den politischen Teams in ihren Wahlkreisen auf.

Auf der Oppositionsseite ist wenig über die Kandidat*innen bekannt, außer dass Capriles, der als letzter in die Wahlliste aufgenommen wurde, bereits Verhandlungen mit nahe stehenden politischen Fraktionen führt. Auf der anderen Seite schlug Juan Guaidó nun eine Volksbefragung zum Thema Wahlen vor, ein Vorschlag, der allerdings auf keine grosse Resonanz stoßen wird.

Der Nationale Wahlrat hat neben anderen multilateralen Organisationen auch die Europäische Union zur Teilnahme eingeladen. Die Europäische Union hat eine Haltung zu Venezuela und seiner gewählten und funktionierenden Regierung, sich aber zu dieser Frage noch nicht festgelegt. Andererseits hat die EU im Hinblick auf die Wahlen in Bolivien bereits die Entsendung einer erweiterten Beobachtungsdelegation angekündigt, was einmal mehr die Doppelmoral ihrer Auffassung von Demokratie in unserem Amerika zeigt.

Nächste Woche werden wir uns mit einer weiteren Schlüsselfrage befassen: der Stimmenthaltung bei den Wahlen.

Die Ankunft des Impfstoffs gegen Covid-19

Die russische Regierung hat angekündigt, dass sie verschiedene Formen der Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Ländern anstrebt, um den Impfstoff gegen Covid-19 zu verteilen und herzustellen. In diesem Rahmen kündigte der venezolanische Gesundheitsminister an, dass unser Land über angemessene Einrichtungen zur Herstellung des Impfstoffs verfügt, der sich in der Russischen Föderation in der Testphase befindet.

Auf der anderen Seite hat Oppositionsführer Juan Guaidó öffentlich den Impfstoff gegen Covid-19 gefordert, der in der Russischen Föderation entwickelt wird und der voraussichtlich in Venezuela eingesetzt werden soll. In einer demagogischen Geste sagte er dazu, dass Präsident Maduro der erste sein sollte, der ihn bekommt, noch vor jedem Venezolaner. Dazu können wir zwei Anmerkungen machen: Erstens hat sich Präsident Maduro bereits selbst öffentlich verpflichtet, als erster Freiwilliger den Impfstoff zu nehmen, und das schon vor Wochen und zweitens hat sich Guaidó einer Reihe von Politiker*innen angeschlossen, deren Meinungen nicht auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen, wie z.B. Trump oder Bolsonaro u.a., welche die Gesundheit der Menschen, die leider unter ihren Mandaten leiden müssen massiv gefährden.

Mittlerweile endete die Woche der Flexibilisierung, in der andere als die wesentlichen wirtschaftlichen Aktivitäten erlaubt wurden. Jetzt folgt wieder eine Woche der radikalen Quarantäne mit strikten Beschränkungen. Bis zum 12. August meldete die bolivarianische Regierung 59.630 Fälle mit einer Genesungsrate von 80%, etwas weniger als in der vergangenen Woche, was 11.424 aktiven Fällen entspricht, von denen die meisten ohne Symptome waren. Was die Zahl der Todesfälle betrifft, so sind es 477.

Laut dem Covid 19 Statistical Report des venezolanischen Zentrums für Chinastudien vom 12. September weist Venezuela in Bezug auf Südamerika leichte wöchentliche Schwankungen in seinen Statistiken auf. Mit einer Sterblichkeitsrate von 0,8% liegt sie weiterhin an achter Stelle, während der regionale Durchschnitt leicht auf 3,22% ansteigt. Die Rückgewinnungsrate des Landes liegt mit 80,5% etwas unter dem regionalen Durchschnitt (81,53%). Die venezolanischen Fälle machen 0,84% der Gesamtzahl in der südlichen Region Unseres Amerikas und die Todesfälle 0,21% aus.

Wahlnotizen

  • Präsident Maduro gab die Gefangennahme einer Gruppe von Menschen in der Nähe einer Raffinerie im Westen des Landes beaknnt. Unter ihnen ist ein US-Bürger, der zu den Marines der US-Armee gehörte. Berichten zufolge führten sie zu noch zu ermittelnden Zwecken eine Überwachung durch. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika schweigt sich in dieser Angelegenheit aus und es stellt sich die Frage: Ist dies die einzige Gringo-Operation auf nationalem Boden?

  • Immer noch kein Carlos Lanz. In dieser Woche gab es weniger Bewegung in sozialen Netzwerken zu diesem Thema, aber die Frage bleibt: Wo ist Carlos Lanz? Staatliche Stellen ermitteln weiter, aber Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht.

Übersetzung: Achim Schuster.