DITTRICH & SCHLECHTRIEM freuen sich, die dritte Einzelausstellung mit Werken von Klaus Jörres (geb. Düren, DE, 1973) in der Galerie anzukündigen. Unter dem Titel GrünLand zeigt der Künstler eine Reihe großer Gemälde an den Wänden des Ausstellungsraums, sowie an mehreren modularen und beweglichen Metallgestellen installiert, die sich frei im Raum befinden und eigens für die Kunstwerke angefertigt wurden. Außerdem ist eine Serie von Arbeiten in einem für den Künstler untypischen kleinen Format zu sehen.

Im Zentrum von Jörres’ Kunst steht der raumzeitliche Charakter unserer Wahrnehmungen. Die Arbeiten werden in linearen Schichten angelegt und von Hand in Acrylfarben ausgeführt; dabei werden mehrfach Bereiche abgeklebt und wieder freigelegt, sodass in einer Vielzahl von Anordnungen und Arbeitsschritten eine flächige und doch auf subtile Weise räumliche Oberfläche entsteht. Die Spannungen, die in die Komposition der Landschaft eingelassen sind, rufen falsche Schatten oder Formen hervor, die sich unter den Augen des Betrachters zu bewegen scheinen. Aus diesem lebhaften Energiefluss heraus durchbricht das Werk die Flächigkeit seiner minimalistischen Form und drängt zurück in eine Dreidimensionalität, die sich nun auf den Vorder- und Rückseiten der modularen Gestelle entfaltet. Diese rollen nach links oder rechts, drehen sich um ihre eigene Achse, ein beinahe performativer, aber als Funktionalität und rationale Gestik getarnter Auftritt.

Mit dem Schritt in die Natur folgt Jörres der Suche des ermatteten Metropolenmenschen nach Authentizität, wie sie schon vor 200 Jahren die Romantiker, vor 100 Jahren die Anthroposophen und vor fünfzig Jahren die Hippies betrieben: emsig, sehnsüchtig, verzweifelt. Der Berliner Maler hingegen ist abgeklärt: Seine Landschaften sind Fake News. Wer hier nach Wahrheit sucht, wird lange umherirren. Er wird versuchen, die Bilder in seinem Kopf zu Ende zu malen und eigene Assoziationen zu finden, die an Berge und Wiesen erinnern, und landet doch nur bei Farbstreifen und simplen, computergenerierten Schemata. Naturdarstellung und Technologie sind eins – und geben, nach einigen Täuschungsmanövern, nicht vor, etwas anderes zu sein. Eine Versenkung in die Landschaft ist nicht möglich. Natur fühlt sich so ausgedacht und körperlos an wie die Hügel und Wiesen in einem Computerspiel oder wie im flimmernden Bild auf dem Monitor, nachdem sich der Server aufgehängt hat. Was seltsamerweise so entsteht, ist ein Retro-Effekt: Der Verfall, der jeder Technologie eingeschrieben ist, ist in diesen Bildern spürbar wie ein Fehler im System. Fühlte einst der Mensch beim Blick in die Landschaft seine eigene Vergänglichkeit und ließ sich vom Kreislauf der Natur erschüttern, wartet nun ihr synthetisches Abbild darauf, von der neuesten Simulation abgelöst zu werden. Wie die Natur sich permanent erneuert, so tut die Technik es auch.

Jörres’ Leinwände spiegeln diesen Verlauf auf ernüchternde Weise: In ihnen spürt man die Diskrepanz zwischen dem Bild einer zerstörten und der Simulation einer perfekten Natur. Ihre Authentizität gibt es nicht mehr. Fern von jeder Melancholie zeugen seine Naturdarstellungen vom ständigen Scheitern: des Planeten, der gegen den Menschen verloren hat. Der Technik, die nie vollkommen ist. Und des Menschen selbst, der sich selbst den Raum zum Atmen nimmt. Der Abstand, den uns Jörres beim Betrachten seiner Bilder einzuhalten zwingt – weil sie in der Nähe ihren Zusammenhalt verlieren und zu bloßen Farbstreifen werden – entspricht der Distanz des Menschen zur Welt, zu den Dingen und zu sich selbst.

Die Bilder auf Rollgestellen zu montieren, ist das ultimative Sinnbild einer Haltung, die im Grunde längst Alltag ist: Wir schieben Natur von uns weg oder ziehen sie hervor, wie es uns gerade passt. Als schematisiertes Abbild ist sie bloße Dekoration, die wir nach Belieben ins Blickfeld rücken können. Vertieft sich der Metropolenmensch in die Berglandschaft unterm Abendhimmel, seinen Green Smoothie aus dem Plastikbecher schlürfend, ist der Himmel eine Ozonglocke, die sich über eine Müllhalde wölbt, und unter den Wiesen ist der Boden verseucht. Kälter kann der Blick in die Landschaft kaum sein.