Galerie Eva Presenhuber freut sich, die fünfte Einzelausstellung mit dem in Los Angeles und New York lebenden Künstler Sam Falls anzukündigen. In seiner Beschäftigung mit der Intimität von Zeit, der Illustration von Raum und der Erkundung von Sterblichkeit hat Sam Falls seine eigene formale Sprache entwickelt, in der er die fotografischen Kernparameter, Zeit und Belichtung, mit der Natur und ihren Elementen verknüpft. Falls arbeitet größtenteils unter freiem Himmel und nutzt lokale Materialien und die Natur selbst als seinen ortsspezifischen Gegenstand. Er verzichtet dabei auf technische Reproduktion zugunsten einer symbiotischen Beziehung zwischen Subjekt und Objekt und hebt so die Grenzen zwischen Fotografie, Bildhauerei und Malerei, sowie zwischen Künstler, Objekt und Betrachter auf. In den Arbeiten für die Ausstellung nutzt er diese Sprache, um einen einzigartigen Raum zwischen fotografischer Bildtreue und der Intimität malerischer Interpretation zu besetzen. Gleichzeitig bleiben die Gemälde den spezifischen Landschaften treu, indem Falls ortstypische Pflanzen benutzt.

Die beiden Gemälde mit den Titeln Autumn Ground (aspen trees, 1) und Autumn Ground (aspen trees, 2) sind fotografischen Negativen ähnlich: Sie sind bedeckt mit Farbe, die durch die Silhouetten von Espenlaub punktiert ist, was Falls' formalen Ansatz verdeutlicht. In zwei Oktoberwochen lagen die Leinwände auf einem Berghang, der dicht mit Espen bewachsen ist. Darauf sammelten sich die fallenden Blätter und schufen natürliche Kompositionen auf dem Waldboden. Falls wanderte immer wieder zu den Arbeiten hinauf und verteilte natürliche Farben auf die mit Laub bedeckten Leinwänden. Die Farben wurden mit der Zeit von unterschiedlich starken Niederschlägen ein- und ausgewaschen. Es bildeten sich wechselnde Kompositionen aus herangewehten Blättern, die mit jedem Mal, das die Leinwände der Umwelt ausgesetzt wurden, ein zusätzliches Bild erzeugten. Die Kompositionen stellen so nicht nur das Klima und die Flora der alpinen Umwelt dar, sondern auch das Vergehen der Zeit. Die Gemälde sind durch ihre formale Sprache einerseits sofort als Teil von Falls Werk erkennbar, andererseits ist ihre Entstehung unberechenbar und sie strahlen die Melancholie und die Schönheit der Jahreszeit aus.

Die Außenskulptur Room ist auf eine vergleichbare Weise mit der Umwelt verbunden. Rohe Stahlträger sind mit handgemachten Keramikfliesen ausgestattet, die jeweils Pflanzen von unterschiedlichen Orten enthalten. Room ist eine Konstruktion, die einerseits an einen Wohnraum erinnert, andererseits aber offen ist und keinen Innenraum schafft. Room ist damit genau zwischen Landschaft und Architektur situiert. Im größten Gemälde der Ausstellung, Schindler hat Falls die von ihm genutzten organischen Materialien zum ersten Mal in einer realistischen Weise der Vegetation getreu arrangiert: Rosen am Boden, Sträucher und Palmen in der Mitte, Bäume und Blattwerk am oberen Ende. Zudem wurde diese Arbeit an Falls Wohnort dem wechselnden Wetter des kalifornischen Winters ausgesetzt; dabei hat er Pflanzen aus seinem eigenen Garten als natürliches Motiv genutzt. Die Gemälde sind damit nicht nur Portraits einer geografischen Landschaft, sondern auch einer persönlichen.

Nach der Geburt seiner zwei Kinder in den letzten drei Jahren hat Falls zunehmend in der Nähe seines Hauses gearbeitet. Dabei ist nicht nur die häusliche Umgebung, sondern auch ihre Thematik immer mehr in seine Arbeit eingeflossen. Während die letzten zehn Jahre ihn immer tiefer in den traditionellen kunsthistorischen Symbolismus von Flora und Fauna führten, wuchs sein Interesse an der Symbolik figürlicher Darstellungen. All das kommt in seinen neuen Arbeiten zusammen: Sie gehen aus klassisch figürlichen Strukturen sowie aus ikonografischen Symbolen und Portraits hervor und verbinden die Kunstgeschichte mit dem Motiv seiner Familie. Dadurch fallen kunsthistorische Allegorien mit dem Alltag zusammen. Eines der Gemälde, Annunciation, zeigt eine Figur, aus deren Rücken flügelartiger Farn hervorwächst – ihre Haltung ist an die von Raffaels Gabriel angelehnt.

Auch wenn die Haltung des Engels deutlich erkennbar ist, war nicht die Referenz die ursprüngliche Intention des Künstlers, sondern der Wunsch, seine Frau nach der Geburt zu porträtieren. Falls fertigte eine Umrisszeichnung seiner Frau an legte sie auf die Leinwand und überlagerte damit kunsthistorische Ikonografie mit lebensgroßem Alltag. Um die gewöhnliche Familiensituation mit der biblischen Szene zu unterlegen, hat Falls Raffaels Verkündigung nicht einfach kopiert, sondern umgekehrt und ihre symbolische Bedeutung rekontextualisiert: Bei der knienden Figur handelt es sich statt des Engels, der die Mutterschaft verkündigt, um die Mutter selbst, und statt wie der männliche Gabriel eine Iris als Symbol für Reinheit und die Schwangerschaft als Gabe in der Hand zu halten, hält die Frau des Künstlers eine Rose als Symbol für romantische Liebe und Autorität.

Dieser formalen Herangehensweise entsprechend arbeitet Death (Wish) nicht nur figurativ, sondern bezieht sich auch auf ein bestimmtes Gemälde: Dürers Tod und Landsknecht. Im Gegensatz zu ihrem Vorbild hat Falls allerdings keine einzige Linie dieser Figur gezeichnet. Als der Künstler im Wald zwischen fallendem Herbstlaub arbeitete, fand er einen umgestürzten Baum, der ihn an Dürers Skelett erinnerte. Er ersetzte die Sanduhr des Todes mit Löwenzahn, einer Pflanze, die normalerweise in aus dem Gleichgewicht geratener Erde gedeiht, sich nach der Blüte in eine Pusteblume verwandelt und dann abstirbt. Überall auf der Welt werden sie von Kindern gepflückt, die die Samen in die Welt pusten und sich dabei etwas wünschen. Damit töten sie die einzelne Pflanze und sorgen dabei gleichzeitig und unbewusst für das Fortbestehen der Spezies. Anstatt mit dem spielenden Landsknecht über das Leben zu verhandeln, verschiebt Falls die Metapher mit seiner Todesfigur: In ihrem Zentrum stehen nunmehr das Bewusstsein von Melancholie und die Allegorie von Leben und Tod, wie sie in der Natur vorkommt.

Falls verbindet in seinen Arbeiten den Alltag der Gegenwart und die Natur mit der Tradition der Malerei. Damit gewährt er dem Betrachter Zugang sowohl zu seinen Motiven als auch zu den Konzepten dahinter: „Das Erbe von Ikonografie und Symbolismus in der Malerei wiegt schwer, der Alltag aber ebenso – früher genauso wie heute. Wir haben uns so sehr von den Ursprüngen der westlichen Malerei und von ihren religiösen Anfängen entfernt, dass sie heute fast still und melancholisch erscheinen. Dennoch konnte die totale Säkularisierung der Gegenwartskunst die elementare Schönheit der Renaissance-Malerei nicht verdecken. Ihre Zeitlosigkeit beruht auf natürlichen Formen: Pflanzen und Körper.“ Sam Falls wurde 1984 in San Diego, USA geboren. Er lebt und arbeitet in Los Angeles und New York. Er stellte aus im Frankfurter Kunstverein, Frankfurt (a.M.), Deutschland (2018), Museo d’Arte Moderna e Contemporaneo di Trento e Rovereto, Trento, Italy (2018); Hammer Museum, Los Angeles, CA, USA (2017); Galerie Eva Presenhuber, New York, NY, USA (2017); Galleria Franco Noero, Turin, ITALY (2017); Zabludowicz Collection, London, UK and Sarvisalo, FI (2016); The Kitchen, New York, NY, USA (2015); Ballroom Marfa, Texas, TX, USA (2015); Pomona College Museum of Art, California, CA, USA (2014); Public Art Fund, New York, NY, USA (2014); LAXART, Los Angeles, CA, USA (2013); and Printed Matter, New York, NY, USA (2012).