Bei Hauser & Wirth Zurich, Bahnhofstrasse, treten erstmals Werke von Mark Rothko (1903–1970) und Robert Ryman (1930–2019) in einen direkten Dialog und eröffnen neue Perspektiven auf die künstlerische Wechselwirkung zweier herausragender Vertreter der amerikanischen Malerei des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung vereint bedeutende Werke von Rothko aus den 1950er und 1960er Jahren und von Ryman aus den späten 1950er bis 1990er Jahren. Die beiden Künstler stehen für zwei Generationen amerikanischer abstrakter Malerei, die sich um 1960 begegnen. Rothko stand damals auf dem Höhepunkt seines Ruhms, Ryman war ein junger angehender Maler. Über den kurzen Moment dieser Berührung hinaus verbindet die beiden Künstler die hohe visuelle Qualität ihrer Bilder, die in der Ausstellung in einer konzisen Auswahl zu sehen sind.

Mark Rothko ebenso wie Robert Ryman sind Einzelgänger in der amerikanischen Malerei der Nachkriegszeit. Beide verkörpern mit ihrem Werk eine Vorstellung von künstlerischer Vollendung, mit der sich wenige andere Maler messen können, und so werden ihre Werke meist für sich allein ausgestellt. Ryman wünschte sich dies auch ausdrücklich, denn er betrachtete seine Werke als zu schwierig, um sie neben Bildern anderer Maler zu zeigen. Diese Ausstellung, in der Bilder der beiden Maler einander erstmals unmittelbar begegnen, wird daher überraschen, doch gibt es dafür gute Gründe. Selten äusserte sich Ryman über zeitgenössische Maler, doch immer wieder kam er auf Rothko zu sprechen, dessen Bilder er im Museum of Modern Art kennengelernt hatte. 1961 zeigte dieses Museum die erste Retrospektive Rothkos, und viele jüngere Maler, darunter Ryman, erhielten dadurch Gelegenheit, das Werk des abstrakten Expressionisten vertieft kennenzulernen. Zu diesen jüngeren Malern zählte Ryman, der um diese Zeit das Wagnis unternommen hatte, sich ein Atelier zu nehmen und eine Existenz als selbständiger Maler in Angriff zu nehmen. Ryman war fasziniert davon, dass die Bilder des älteren Künstlers sichtbar machten, was ihn selbst an der Malerei beschäftigte, dass alles, was das Bild bestimmte, sichtbar und offen vorlag. Jahre später formulierte er dies in einem Interview so: «Da war die Farbe, die Form, die Struktur, die Oberfläche und das Licht – die Nacktheit von all dem, einfach da. [There was the color, the form, the structure, the surface and the light—the nakedness of it, just there]

Betrachtet man Rothkos und Rymans Bilder, so zeigen sich in der Tat verwandte Züge. In Rothkos Malerei spielt das Licht eine zentrale Rolle; dies gilt ebenso für Ryman, der stets darauf hinwies, dass die Erscheinung der Bilder vom Licht abhing, dass die Bilder im Licht erst ihr Leben erhielten und dass man sie deshalb unter verschiedenen Lichtverhältnissen betrachten sollte. Beide Maler arbeiten an der differenzierten Gestaltung der Bildoberfläche, die luftig oder dicht, transparent oder pastos, matt oder glänzend erscheinen kann; sie malen mit Pinseln unterschiedlichster Art und mit verschiedensten Farbmaterialien auf wechselnden Formaten. In Rothkos Werk fand Ryman die Bestätigung, dass die neue Ästhetik der Malerei sich mit den realen Gegebenheiten befassen sollte, um so ihre Präsenz zu erhalten, die Hürden zwischen Betrachtern und Bild zu überwinden und eine unmittelbare Begegnung mit dem Kunstwerk zu erreichen. Für beide Maler gilt das Ziel, das Rothko 1943 in einem Brief notierte – Malerei als «den einfachen Ausdruck eines komplexen Gedankens [the simple expression of the complex thought]