Isca Greenfield-Sanders (* 1978 in New York) beschäftigt sich in ihrer Malerei seit vielen Jahren mit anonymen Momentaufnahmen amerikanischer Freizeitkultur aus dem vergangenen Jahrhundert. Weitläufige Landschaften, strahlendblauer Himmel und dazwischen unbeschwert agierende Figuren charakterisieren die Ölgemälde und Aquarelle der Künstlerin. Sie vermitteln Freiheit und frönen der Nostalgie, erinnern an Urlaub oder vielleicht auch an Traumwelten. In ihrer scheinbar sorglosen Verklärtheit strahlen sie Ruhe aus. Vielleicht erwecken sie aber auch gerade ob dieser friedlichen Idylle Misstrauen. Pastellig-reduzierte Bildwelten zeigen surreale, kaum greifbare Orte, die dennoch zahlreiche Assoziationen hervorrufen.

Tatsächlich greift die Künstlerin am Beginn jeder neuen Serie auf eine Sammlung hunderter Dias aus den 50er und 60er Jahren zurück, die sie unter anderem über eBay bezieht. Ihr zentrales Interesse gilt dabei nicht nur dem Medium Fotografie, sondern auch der Auseinandersetzung mit der Erinnerung. Der motivische Fokus auf Landschaften bietet – im Gegensatz zu urbaner Umgebung – weniger Anhaltspunkte der zeitlichen Einordnung, die Sujets werden so zeitloser und universeller. Ein aufwändiger, mehrstufiger Prozess folgt, in dem zunächst ein Foto ausgewählt und gescannt wird, bevor Detailansichten daraus entnommen und digital bearbeitet werden; Figuren werden versetzt oder Landschaftselemente aus anderen Fotografien hinzugezogen, bevor sie als Halbton-Geisterbilder wieder ins Analoge übergehen und mittels Aquarellfarben und Farbstiften übermalt werden. Das so entstandene Bild wird in ein Gittermuster zerlegt, auf ca. 18 x 18 cm großen Reispapieren ausgedruckt und schließlich auf der Leinwand fixiert. Erst jetzt beginnt der Malvorgang mit Öl – die Übersetzung eines fotografisch festgehaltenen Erinnerungsfragments, dessen ungeklärter Bezug zur Situation und die vielschichtige Auseinandersetzung damit viele Jahre später einen Schleier über eine Realität legen, der die Bilder gleichsam zugänglicher und paradoxerweise intimer werden lässt. Aus dem Erlebnis einer unbekannten Person wird ein akribisch gestalteter Einblick in eine vermeintlich bekannte, eigene Erinnerung.

Besonders mit Blick auf die vergangenen Jahre, geprägt von technischer Schnelllebigkeit, politischer und sozialer Veränderung und einer immer allumfassenderen digitalen (immateriellen) Parallelwelt, gewinnen Greenfield-Sanders Bilder eine Aktualität, die an das gesellschaftliche Phänomen der Rückbesinnung auf Analoges und damit einhergehend auf „alte Zeiten“ erinnert, dies jedoch in einer Fusion von digitalen und klassisch-manuellen Arbeitstechniken erreicht. „Today and Everyday“ zeigt neue Arbeiten aus dem fortwährenden künstlerischen Prozess, in dem Isca Greenfield-Sanders malerisch das Phänomen Erinnerung unter dokumentarischen wie kognitiven Gesichtspunkten und dem Einfluss von Zeit untersucht.