Capitain Petzel freut sich, Bolero Bordello anzukündigen, Matthew Lutz-Kinoys erste Einzelausstellung in der Galerie, die am 31. Oktober 2025 eröffnet.

Lutz-Kinoy versteht Ausstellungen als immersive Architekturen, in denen Malerei als Kulisse und Skulptur als räumliche Intervention eingesetzt werden. Seine Arbeiten, die häufig als Environments konzipiert sind, reagieren auf den Ausstellungsort und dessen spezielle örtliche Begebenheiten. Sie verweben sinnliche, silhouettenhafte Körper mit ornamentalen Motiven, Vegetation, floralen Arabesken sowie Referenzen auf kunsthistorische Strömungen – vom Expressionismus bis zum Rokoko. Seine Gemälde tragen die sinnliche Vitalität vergangener Jahrhunderte in sich. Dynamische Körperformen, gestische Pinselführung und ätherische Farbschichten verbinden sich darin zu einer überzeitlichen Landschaft. Seine sinnlichen Environments fühlen sich wie Zugänge zu alternativen Begegnungsräumen an. In ihnen hallt eine Synergie von historischem Ornament und Überfluss nach, die jeder Notwendigkeit widerspricht und als Teil einer eskapistischen Praxis fungiert. Lust, Farbe, Intimität und Bewegung stehen im Vordergrund, während Lutz-Kinoy Räume schafft, in denen sich existenzielle und emotionale Möglichkeiten entfalten können und alternative Formen der Freiheit zum Vorschein kommen. Der Künstler arbeitet mit Malerei, Keramik und Performance und entwickelt eine pluralistische, referenzielle Praxis, die sich auf verschiedene historische Traditionen stützt.

Lutz-Kinoys Praxis basiert auf Performance und zeichnet sich durch ein fließendes Bewegungsgefühl sowie kollektive Zusammenarbeit aus. In seinem Projekt Filling station, das 2023 im The Kitchen in New York aufgeführt wurde, inszenierte er ein Ballett aus dem Jahr 1938 als Live-Event neu und verband dabei Tanz, Musik und Malerei in Echtzeit miteinander. In ähnlicher Weise verwandeln seine umfangreichen Keramikproduktionen, die er gemeinsam mit anderen Künstlerinnen und Handwerkern realisiert, das Schaffen in eine gemeinschaftliche Performance, bei der Prozess und Interaktion untrennbar miteinander verbunden sind. Für seine Ausstellung in der Galerie hat Lutz-Kinoy die Künstler:innen Isabel Lewis, Niall Jones und PRICE zu schriftlichen und performativen Beiträgen eingeladen. Als Referenzpunkt für seine Vorstellung von radikaler Interdisziplinarität im frühen 20. Jahrhundert dienen ihm die Ballets Russes. Lutz-Kinoy imaginiert Formen und Symbole einer Tradition neu, in der Performance und visuelle Darstellung verschmelzen. Die ausgestellten Werke neigen zu den ikonischen und dramatischen Narrativen des historischen Ensembles: Blumen im menschlichen Maßstab lassen Vaslav Nijinsky wie eine anthropomorphe, dornige Rose erscheinen. Bemalte Papierlaternen mit grafischen Blumenmotiven durchziehen die Galerie, als wären sie den Leinwänden entnommen. In der Ausstellung werden die Interviews mit Isabel Lewis und Niall Jones als zwei große Werke, die auf Musselin gemalt wurden, neu interpretiert. Sie erstrecken sich vom Boden bis zur Decke und gliedern den Raum in eine metrische, rhythmische Dramaturgie.

Bolero Bordello zeugt von Lutz-Kinoys Interesse, Referenzen auch zur Musik in seine Ausstellungen aufzunehmen. Inspiriert von Maurice Ravels Boléro, der ursprünglich von Vaslav Nijinsky Schwester Bronislava Nijinska choreografiert wurde, setzt er sich mit dem Erbe der Ballets Russes und den Nachwirkungen des kreativen Universums ihres Gründers Sergej Diaghilew auseinander. Durch seinen zyklischen Rhythmus, seine sinnliche Wiederholung und seinen kollaborativen Geist interpretiert Boléro die dekadente Theatralik und interdisziplinäre Experimentierfreudigkeit, die Diaghilews Epoche prägten, neu. In den Händen von Lutz-Kinoy wird dieses Erbe zu einer räumlichen Choreografie.

Das Vermächtnis der Ballets Russes, das aus einem Russland am Rande der Revolution hervorging, als Künstler:innen nach Ausdrucksfreiheit jenseits staatlicher Grenzen suchten, hallt bis heute nach. Zu den herausragendsten Persönlichkeiten gehörte Vaslav Nijinsky, dessen radikale Choreografien den kühnen Geist der Truppe verkörperten. Die Zusammenarbeit des Ensembles mit Komponisten wie Igor Strawinsky, insbesondere die bahnbrechende Uraufführung von Der feuervogel (Firebird) im Jahr 1910, verschmolz modernistische Musik und Tanz zu einer neuen, elektrisierenden Form. In dem aktuellen politischen Klima, das von Zensur und geopolitischen Konflikten geprägt ist, gewinnt diese Geschichte der kosmopolitischen Zusammenarbeit und des künstlerischen Exils als Symbol für kulturelle Offenheit und Widerstand gegen Autoritarismus an neuer Dringlichkeit. Durchdrungen von einem lyrischen Rhythmus verwebt Lutz-Kinoy historische Ornamente und materielle Fülle zu sinnlichen Environments, die mit der Synthese aus Tanz, Musik und bildender Kunst der Ballets Russes in Verbindung treten.