König Telegraphenamt präsentiert Chamoile protocol, eine Einzelausstellung der ungarischen Künstlerin Zsófia Keresztes, ihre zweite in der Galerie. International bekannt für ihre sinnlichen, mosaikbedeck ten Skulpturen, die sie mit weichen Textilien kombiniert, erforscht Keresztes Themen wie Identität, Transformation und Verbundenheit. In dieser neuen Werkserie vertieft sie ihre Auseinandersetzung mit der Frage, wie Körper und Beziehungen als codierte Systeme funktionieren – zugleich zärtlich und präzise, im Wandel begriffen und doch unsichtbaren Regeln unterworfen.
Die Ausstellung zeigt Körper und menschliche Beziehungen nicht nur als physische Präsenz, sondern als ein Netzwerk verschlüsselter Muster. Diese Muster agieren wie geheime Algorithmen, die bestimmen, wie wir Fürsorge geben, Bindungen eingehen und Intimität sowie Kontrolle aushandeln. Transformation erscheint hier als ein langsamer, rekursiver Prozess, in dem jede Geste der Verbindung sowohl Nahrung als auch Begrenzung in sich trägt.
Keresztes’ charakteristisches Spiel mit Materialien macht diese Dynamiken greifbar. Kalte, schimmernde Glasmosaike erinnern an Zellstrukturen oder anatomische Querschnitte, während karierte Stoffe häusliche Rituale und taktile Erinnerungen denken lassen. Die Arbeiten oszillieren zwischen Diagramm und Traum: Wissenschaftliche Modelle scheinen Organe, Zungen und Blüten hervorzubringen, die im Galerieraum atmen und sich winden.
Kamille, ein Symbol für Heilung und Ruhe, zieht sich als Metapher und Strategie durch die gesamte Ausstellung. Sie ist nicht bloß eine Pflanze, sondern eine fragile Architektur, die uns zusammenhält. Kamille beruhigt – doch ihre Sanftheit beruht auf einem präzisen inneren Mechanismus, einem Protokoll, das Weichheit mit Struktur in Einklang bringt. Diese Spannung zwischen Loslassen und Form durchzieht die Werke und versetzt sie in einen Schwebezustand.
Immer wieder deuten die Formen auf sich in Metamorphose befindende Körper hin. Es gibt Strukturen, die zugleich schützen und einschränken, Organe, die über sich hinausreichen, um andere zu berühren, sowie Muster, die sich falten, einrollen und zu neuen Formen zusammensetzen. Zugleich lassen die Werke kollektive Anatomien entstehen, geformt durch überlieferte Erinnerungen, hormonelle Rhythmen und kulturelle Erwartungen. Fürsorge erscheint hier nicht nur als Geste der Freundlichkeit, sondern als eine komplexe, codierte Praxis, die das Selbst strukturiert, begrenzt und umgestaltet.
The chamoile protocol verwandelt König Telegraphenamt in ein imaginiertes Inneres, in dem Zärtlichkeit und Spannung ineinandergreifen – und Transformation ein andauernder, niemals abgeschlossener Prozess bleibt.