Am Donnerstag, den 19. Juni, freut sich die Galerie Russi Klenner, die Ausstellung Rosen aus dem süden: ausgewählte werke aus berliner artotheken zu präsentieren – eine Gruppenausstellung, kuratiert vom Galerie-Künstler Paul Hutchinson.
Dieses kuratorische Projekt würdigt die Artothek als Institution des öffentlichen Zugangs und der kulturellen Bildung, betrachtet ihre Rolle in der heutigen Gesellschaft und untersucht das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Raum.
Eine Artothek funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie eine Bibliothek: alle Bürger:innen kann originale Kunstwerke zu niedrigen Leihgebühren für das eigene Zuhause ausleihen. Eine Ausleihe kann mehrere Monate dauern. Diese öffentlichen Einrichtungen fungieren als Plattform für eine Vielzahl von Diskursen, spiegeln unterschiedliche künstlerische Hintergründe und historische Kontexte wider und zeigen eine breite Vielfalt an Medien, Genres und Stufen professioneller Anerkennung. Die Sammlungen umfassen Ölgemälde, Aquarelle, Gouachen, Skulpturen, Collagen, Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien. Renommierte Künstler:innen stehen dabei gleichberechtigt neben aufstrebenden oder weniger bekannten Positionen.
Über die bloße Ausleihe hinaus können Artotheken auch als Zentren kultureller Bildung und des Dialogs fungieren, indem sie durch Outreach-Aktivitäten das öffentliche Interesse an den bildenden Künsten erhalten oder neu entfachen. Viele Artotheken erweitern ihre Bestände jährlich um neue Werke. Der Titel der Ausstellung verweist auf eine Fotografie des bekannten Berliner Illustrators Heinrich Zille, dessen Zeichnungen das Alltagsleben in den Arbeitervierteln der Stadt zugleich satirisch und kritisch darstellen. Zilles Dokumentation des sozialen Gefüges von Berlin harmoniert mit dem demokratischen Anspruch der Ausstellung, der Fragen von Klasse und Zugang mit historischen und gegenwärtigen Darstellungen der Stadt und ihrer vielfältigen Bewohner:innen verknüpft.
Mit Leihgaben von drei der größten Berliner Artotheken – der Artothek Charlottenburg-Wilmersdorf, der Artothek der Zentral- und Landesbibliothek Berlin sowie der Graphothek Berlin – präsentiert die Ausstellung Werke von Künstler:innen, die in Berlin leben oder lebten oder zu der Stadt eine Arbeitsbeziehung pflegen bzw. pflegten. Als kleiner Ausschnitt aus einer Sammlung von rund 12.000 Arbeiten würdigt die Ausstellung den kulturellen Reichtum der lokalen Kunstszene. Sie unterstreicht die Bedeutung inklusiver, bürgernaher Institutionen sowie sozial orientierter kulturpolitischer Maßnahmen, die diese ermöglichen.
Die Beziehung zu Berlin – und insbesondere zu Kreuzberg, dem Standort der Galerie – ist für das Ausstellungskonzept besonders relevant und wird in mehreren Arbeiten aufgegriffen. Kreuzbergs Geschichte als vielfältig geprägter Arbeiterbezirk steht im Einklang mit dem “Zugang für alle”-Werteprinzip, das die Artotheken verkörpern. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf Hutchinsons eigene künstlerische Praxis in seiner kuratorischen Herangehensweise. Fragen nach Klasse und Identität durchziehen sowohl das konzeptuelle Fundament der Ausstellung als auch einzelne Werke.
Durch die Präsentation öffentlich zugänglicher Werke in einem privaten Galerieraum entsteht ein Dialog zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Die Galerie wird zu einer Bühne, auf der diese beiden gegensätzlichen raison d’êtres miteinander interagieren. Diese bewusste Positionierung ermöglicht es, das Konzept der Artotheken neu zu kontextualisieren und auf ihr langjähriges Engagement für die Künste aufmerksam zu machen – und gleichzeitig das Galerienpublikum daran zu erinnern, welchen gesellschaftlichen Beitrag diese Institutionen tagtäglich leisten.
In Zeiten drastischer Kürzungen öffentlicher Kulturausgaben würdigt die Ausstellung die Artotheken als eines von vielen zivilgesellschaftlichen Fundamenten, die nach wie vor fester Bestandteil der sozialen Infrastruktur der Stadt sind. Mit einer kleinen, sorgfältig ausgewählten Werkschau wird hier ein Mosaik unseres gemeinsamen Zuhauses gezeichnet – ein Ausdruck des Vertrauens in die fortwährende Relevanz öffentlicher Institutionen für Gemeinschaft, freie Bildung und ungehinderten Zugang zu Kultur.
(Text von Emanuela Anders)