Zum Gallery Weekend Berlin 2025 zeigt Meyer Riegger eine Einzelausstellung des Malers und Bildhauers Horst Antes (g. 1936, Heppenheim), einem der Begründer der Neuen Figuration in Deutschland. Mit seinem Werk versöhnt Antes die abstrakte mit der gegenständlichen Malerei, und erfindet nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs neue Möglichkeiten, das Menschliche ins Bild zu setzen.

Die umfassende Ausstellung präsentiert die Entwicklung von Antes’ Werk seit den 1960er Jahren bis heute anhand von Gemälden und Skulpturen. Einige davon werden erstmal öffentlich gezeigt. Die Kuration offenbart formale und inhaltliche Parallelen sowie Unterschiede. Durchgängig aber zeigt die Schau Antes als „Maler des Kolorits“, denn seine einzigartige Behandlung der Farbe als Material durchzieht sein gesamtes Œuvre. Obwohl sich Antes’ Motivik über die Jahrzehnte ändert, bleiben die Dichte des Kolorits und seine künstlerische Intention dieselbe.

Der Kopffüßler, eine um 1960 von Antes erfundene Menschenfigur, ist das erste der monumentalen und trotzdem niemals starren Urbilder, die er im Laufe seines nun fast 70 Jahre umfassenden, unermüdlichen Schaffens entwickelt hat: Ein Kopf, an dem die Arme befestigt sind, sitzt meist ohne Rumpf auf den Beinen. Der Kunstkritiker Donald Kuspit versteht Antes’ Kopffüßler als „absoluten Gegenentwurf zu der realistischen und pseudo-robusten Nazi-Figur.“ Antes’ Formsprache ist außerdem als Resultat einer andauernden Auseinandersetzung mit Objekten und Riten außereuropäischer Kulturen zu betrachten, denen der begeisterte Sammler und ehemals Reisende stets auf Augenhöhe begegnet.

Entgegen der Annahme, mit seinen Hausbildern kehre Antes in den 1980er Jahren der Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur endgültig den Rücken zu, beschreibt der Kunsthistoriker Andreas Franzke auch dieses neue architektonische Motiv als Figur, als Hausfigur1. Es sind zwar keine Kopffüßler mehr auf der Leinwand zu sehen, aber durch die dichte Farbbehandlung haben Antes Hausbilder nichtsdestotrotz etwas Körperliches. Dabei ist Antes’ Farbe nicht nur dicht, sondern gleichzeitig variantenreich und offen, sie „atmet“. Indem er Sägemehl als Bindemittel beimischt, erzeugt er eine lichtmodulierende Farbstruktur. Die in diesen „haptischen“ Farben wiedergegebenen Formen spannt Antes wie eine Art Haut über die gesamte Leinwand auf. Sowohl Atmung als auch Haut sind menschliche Attribute, die Antes auch in seiner nicht-figürlichen Malerei mittels der Farbe erkundet und anschaulich macht.

Viele „Hausbilder“ kommen aufgrund ihrer reichen Nuancierung der geometrischen Flächenteile ohne bewegten Farbauftrag aus. Wenn jedoch eine dynamischere Pinselsetzung vorkommt, dann füllt sie nur die vorgegebene geometrische Form der Wandflächen der Häuser. Manchmal nennt Antes diese dann „Federhaus“ – im Gegensatz zum festgefügten Bild der Architektur. Während der Künstler anfangs seine Häuser nur in Grau- und Schwarztönen malte, weitete er die Farbpalette später aus. Wie all seine Farben, ist aber bereits Antes’ Schwarz kein dumpfes Monochrom, sondern reich differenziert. Wie zentral die Rolle der Farbe in der Entwicklung von Antes’ Werk ist, hat er einmal selbst anschaulich formuliert: „Aus Farbbollen hat sich die Figur verdichtet und aufgebaut, so daß sie menschliches Maß bekommen hat.“2

In den „Datumsbildern“ hält Antes die Tage ihres Entstehens fest. In ihnen ist die bewegte, malerische Handschriftlichkeit der Pinselnotation Thema. Weil Antes die Ziffern eines Tages jeweils mit den aktuellen übermalt, entsteht eine Überlagerung von Farbe und Zeit bis zur Unlesbarkeit. In diesen Bildern hält Antes die Zeit an und macht ihren prozessualen Charakter gleichzeitig anschaulich. Das Datum mit der Signatur ins Bild zu setzen, heißt normalerweise, den Entstehungszeitpunkt eines Bildes festzuhalten. Indem Antes die Ziffern in der Form des jeweiligen Datums als autonomes Bildsujet bestimmt, untersucht er die Grenzen eines Bildes und die Anschaulichkeit der Endlosigkeit von Zeit. Dieses Interesse ist zutiefst menschlich – einer direkten Darstellung des Menschlichen bedarf es nicht mehr. In einer Gegenwart, in der alles benannt, analysiert, gespeichert und gemessen wird, manifestiert sich in Antes’ Werk ein Gegenentwurf. Seine Bilder entziehen sich der Eindeutigkeit und gleichzeitig vermitteln sie in der direkten Anschauung, im Zwiegespräch mit der „atmenden“ Farbe, eine Ahnung davon, was es heißen könnte, ein Mensch zu sein.

Notizen

1 Andreas Franzen, Horst Antes. Werkverzeichnis der gemälde, Bd. 11, 2004–2012, Künzelsau 2017, 8.
2 Horst Antes im Interview mit Rolf-Gunter Dienst, in: Noch kunst. Neuestes aus deutschen ateliers, Düsseldorf 1970, 12.