Die Dolomiten sind ein begehrter Urlaubsort, da die Berge dort so schön sind wie nirgendwo sonst in den Alpen. Doch es wird auch immer überfüllter dort, der Massentourismus verbreitet sich schnell. Das hat zum Teil mit Instagram-Influencern zu tun, die sich gerne inmitten der Natur präsentieren, umgeben von Wäldern und Bergen, die eine perfekte Landschaft darstellen, ein Ort der Ruhe und Erholung. Doch das Bild ist nicht ganz so einfach. Sicher ist, dass diese Region vor allem in der Hochsaison im Sommer und Winter extrem voll ist. Die Auswirkungen des Massentourismus sind ein großes Thema, aber zunächst ist es wichtig, klarzustellen, über welche Region gesprochen wird.
Die Region Trentino-Alto Adige
Offiziell gehört Südtirol zur italienischen Region Trentino-Alto Adige, einer von zwanzig Regionen Italiens. Auf Deutsch wird „Alto Adige“ mit „Südtirol“ übersetzt, was historische Gründe hat. Doch es ist wichtig zu wissen, dass Südtirol keine eigenständige Region, sondern nur eine Provinz innerhalb des größeren Gebildes Trentino-Alto Adige ist. Die Region hat, wie einige andere Regionen Italiens, einen Sonderstatus. Dies bedeutet, dass sie in Bereichen wie Bildung und Kultur eine weitgehende Selbstverwaltung genießen kann, ohne direkt von der italienischen Regierung abhängig zu sein. Innerhalb dieser Region hat Südtirol in einigen Bereichen noch mehr Autonomie als die benachbarte Provinz Trient. Ein Beispiel für diese Autonomie ist das Bildungssystem: Hier können Kinder zwischen deutschen und italienischen Schulen wählen, und das Bildungssystem ist auf die Bedürfnisse der zwei Sprachgruppen abgestimmt. In Südtirol wird vor allem Deutsch als Unterrichtssprache verwendet, was eben einen entscheidenden Unterschied zu anderen italienischen Regionen darstellt.
Sprachliche Vielfalt in Südtirol
Besonders an dieser Region ist ihre sprachliche Vielfalt. Klar, es wird Deutsch gesprochen – und das in einem Maße, das in Italien einzigartig ist. Doch neben Deutsch und Italienisch ist auch Ladinisch von Bedeutung, eine Sprache, die vor allem in mehreren Alpentälern Oberitaliens von über 30.000 Menschen als Muttersprache verwendet wird. Ladinisch ist ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Identität der Region. Italien mag auf den ersten Blick wie ein Land wirken, das von einer einheitlichen Sprache geprägt ist, doch das ist falsch. In Italien gibt es zahlreiche regionale Dialekte, die so unterschiedlich sein können, dass Enkelkinder die Muttersprache ihrer Großeltern nicht mehr verstehen, aufgrund der progressiven Italienisierung des Landes. Sie sprechen unter Anderem Sizilianisch, Friaulisch, Sardisch, Lombardisch und eben auch Deutsch und Ladinisch. Bis 1918 war Südtirol Teil von Österreich-Ungarn. Im Rahmen des Vertrags von Saint-Germain im September 1919, nachdem Österreich-Ungarn den Krieg verlor, wurde Südtirol an Italien abgetreten. Tatsächlich hatten italienische Truppen die Region bereits nach der Kapitulation Österreich-Ungarns 1918 besetzt.
Die Italienisierung und ihre Folgen
Die "Italienisierung" Südtirols begann nach der Annexion, insbesondere nach der Machtergreifung Mussolinis. Laut der Volkszählung von 1910 sprachen 89% der Bevölkerung Deutsch, 3,8% Ladinisch und nur 2,9% Italienisch. Die italienische Politik zielte darauf ab, die deutsche Sprache und Kultur in Südtirol zu unterdrücken und durch die italienische zu ersetzen. Maßnahmen umfassten das Verbot der deutschen Sprache in Schulen und Ämtern, die Italianisierung von Orts- und Familiennamen sowie die Förderung italienischer Zuwanderung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Pariser Vertrag von 1946, wurde eine weitgehende politische Autonomie für Südtirol erreicht. Doch die politischen Spannungen zwischen Italien und der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol bestehen bis heute.
Der Wunsch nach einer Rückkehr zu Österreich wächst, was vor den Kommunalwahlen im Mai 2025 immer mehr Unterstützung findet. Die separatistische Partei Süd-Tiroler Freiheit (STF) hat bei den letzten Wahlen 2023 einen großen Erfolg erzielt und könnte bei den kommenden Wahlen sogar den zweiten Platz erreichen. Gegründet 2007, fordert die Partei die Selbstbestimmung der Südtiroler und eine Wiedervereinigung mit Österreich, idealerweise durch ein Referendum. Ein zentrales Anliegen der STF ist die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für die deutschsprachige Bevölkerung, was wiederholt Thema politischer Debatten war. Nach einem gescheiterten Gesetzesvorschlag im Jahr 2020 sieht die STF jetzt eine „große Chance“, die doppelte Staatsbürgerschaft durchzusetzen, unterstützt von der FPÖ in Österreich.
Südtirol bleibt ein gespaltenes Land: 69,4 % der Bevölkerung sind deutschsprachig, 26 % italienischsprachig und 4 % gehören der ladinischen Minderheit an. Das rechtliche System gewährleistet ethnische Repräsentation und Zweisprachigkeit in Verwaltung und Schule, doch trotz dieser Schutzmaßnahmen bestehen Spannungen. In der Vergangenheit kam es zu terroristischen Anschlägen von Separatisten, und auch heute gibt es immer noch Vorfälle von Diskriminierung, wie jüngst ein Angriff auf einen italienischsprachigen Mann durch deutschsprachige Jugendliche. Die STF schürt diese Spannungen weiter mit provokativen Kampagnen, die etwa fordern, dass in Krankenhäusern und Schulen ausschließlich Deutsch gesprochen werden soll.
Tourismus und die damit verbundenen Herausforderungen
Südtirol zieht jedes Jahr Tausende von Touristen an, vor allem wegen seiner beeindruckenden Bergwelt. Doch der zunehmende Massentourismus bringt auch zahlreiche Probleme mit sich. In den Sommermonaten und während der Wintersaison ist die Region überfüllt, die Straßen sind verstopft, und die beliebten Touristenorte sind von Menschenmengen geprägt. Dieser Trend wird nicht zuletzt von Influencern auf Instagram verstärkt, die die Schönheit der Region in den sozialen Medien zur Schau stellen und somit immer mehr Reisende anziehen. Die natürliche Umgebung leidet unter dem zunehmenden Andrang, und auch die Infrastruktur ist häufig überfordert. Dies führt zu Problemen wie Umweltverschmutzung, Abfall und der Zerstörung von Naturgebieten. Doch die Auswirkungen des Tourismus sind nicht nur ökologisch, sondern auch sozial und wirtschaftlich spürbar.
Der Druck auf die lokalen Ressourcen wächst, und der Wettbewerb um knappe Ressourcen wie Wasser wird immer intensiver. Die lokale Bevölkerung zeigt ihre Unzufriedenheit, nicht zuletzt durch eine Protestaktion auf der Seiser Alm, bei der Unbekannte mehrfach die Protestbotschaft “Too much” auf dem Schnee hinterließen und damit den Massentourismus meinten. Die Spannungen zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Wunsch nach Erhalt der Lebensqualität für Einheimische verschärfen sich also. In einer Zeit, in der die Frage nach Nachhaltigkeit und einer verantwortungsvollen Nutzung von Ressourcen immer wichtiger wird, steht Südtirol vor der Aufgabe, eine Balance zwischen traditioneller Identität und modernen Herausforderungen zu finden. Die politische Zukunft der Region bleibt spannend, und es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die Region in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird.
Quellen:
In Südtirol gewinnen Separatisten an Zustimmung. Euractiv.
Tourismusstatistiken. IDM-Südtirol.
Wieder Protest gegen Tourismus in Südtirol. Südtirol-News.