Hauser & Wirth freut sich, eine Einzelausstellung bedeutender Papierarbeiten der renommierten österreichischen Künstlerin Maria Lassnig zu präsentieren. Die von Peter Pakesch, Direktor der Maria Lassnig Stiftung, kuratierte Ausstellung findet anlässlich des diesjährigen hundertsten Geburtstags von Maria Lassnig statt. Die Ausstellung zeigt selten ausgestellte Zeichnungen und Aquarelle aus den 50er bis zu den 90er Jahren, von denen einige nie zuvor ausserhalb des Archivs der Stiftung präsentiert wurden. Präsentiert werden über 30 Werke, die Lassnigs Tiefenbohrungen in die Grenzen der Abstraktion veranschaulichen. Die Ausstellung findet gleichzeitig mit der Retrospektive ‚Maria Lassnig. Ways of Being‘ in der Albertina in Wien statt, die zuvor im Stedelijk Museum in Amsterdam ausgestellt war.

Wie einzigartig Maria Lassnig in ihrer Malerei ist, zeigte sich gerade in den letzten Jahren in exemplarischen Ausstellungen bedeutender Museen und Galerien. Dabei stach eine Präsentation hervor, die sich 2017 und 2018 in der Albertina Wien und im Kunstmuseum Basel ausschliesslich Lassnigs Werk auf Papier widmete. Durch diese konzentrierte Retrospektive von Zeichnungen und Aquarellen wurde augenscheinlich, welche eigenen und besonderen Dimensionen diese Teile ihres Werkes erschliessen. ‚Maria Lassnig. Zarter Mittelpunkt‘ geht diesen Weg in weniger bekanntes Terrain weiter. Mit einer überwiegen-den Auswahl von Aquarellen aus zwei zeitlich fernen, aber inhaltlich nahen Schaffensphasen versucht diese Ausstellung eine vorsichtige Tiefenbohrung durch das Werksediment.

Ist Lassnigs malerisches Oeuvre ohnehin schon bestimmt durch eine hohe Spontaneität des Pinselstrichs bei gleichzeitig höchster Reflexion der Inhalte und Umsetzung, geht diese Qualität im Umgang mit dem Papier noch viel weiter. Lassnig spricht selbst davon, wieviel unmittelbarer dieses Medium ihr den Ausdruck von Gefühlen und Gedanken ermöglicht. Der Weg vom Bewusstsein zum Bild auf dem Papier ist noch kürzer als auf die Leinwand. Spontaneität und Reflexion treffen dabei noch prägnanter aufeinander. Die Feinheiten der Aquarelle und die Präzision des zeichnerischen Strichs erschliessen dabei neue Kontinente der Empfindungen, fassen diese zusammen und geben gefühlte Intensitäten wieder, wie dies in ‚Zarter Mittelpunkt‘ (1961) zu sehen ist. Hier ergründet die Künstlerin die Möglichkeiten, durch die Unmittelbarkeit der Bewegungen neue Formen zu finden. Wie viele von Lassnigs Aquarellen aus dieser Periode waren Werke wie ‚Zarter Mittelpunkt‘ Experimente, um auszuprobieren, was mit Farbe möglich ist.

Bei der Auswahl der Blätter für die vorliegende Ausstellung wurde ein besonderes Augenmerk auf die male

rische Kraft der Aquarelle gelegt, die in der Retrospektive in Wien und Basel gegenüber der Prägnanz der Zeichnung vielleicht etwas in den Hintergrund getreten ist. Widmet man sich diesen Arbeiten, verstärkt sich der Eindruck, wie sehr wir uns dem Ursprung von Lassnigs Bildern nähern. Die Abstraktion dominiert. Aus den Farben entstehen die Formen, die in ihrer Intensität zu Bildern werden, sich dem Gegenständlichen annähern.

Die Künstlerin schuf in diesen Werken auf Papier einen parallelen Kosmos, der immer wieder reagiert und Anstösse für das restliche Oeuvre vermittelt. Oft eilen diese Zeugnisse den gewichtigeren Ölbildern voran, sind dabei allerdings nicht mit Studien zu verwechseln und bleiben einzigartig. Dies ist bereits bei den frühen Werken zu beobachten und zieht sich durch Maria Lassnigs gesamtes Schaffen. Das Zeichnen und das Aquarellieren bilden ein Kontinuum, das nie abreisst – Tätigkeiten, die permanent geschehen, zu Beginn im Tasten bis zu den letzten bildlichen Manifesten. Die Malerei auf der Leinwand benötigt einen Aufwand, ein Ausmass an Vorbereitung, einen besonderen Raum, das Atelier. Das Papier ist geduldiger. Es kann in den Urlaub mitgenommen werden, es kann auch am Krankenbett noch bezeichnet werden. So sind die Bleistifte, Kreiden und Aquarellfarben ständige Begleiter, die es ihr ermöglichen, sich direkt mit der

physischen Gegenwart des Körpers und mit dem, was sie als ‚Körperbewusstsein‘ bezeichnete, auseinander

zusetzen. Exemplarisch dafür sind ihr frühes Werk ‚Tachistisches Selbstportrait‘ (1959 – 1961) sowie spätere Zeichnungen, die die Gegenwart der Künstlerin auf eine abstraktere und assoziativere Weise darstellen, wie ‚Rückenfigur‘ (1980 – 1995) und ‚Der Rücken‘ (1987).

Werke aus unterschiedlichen Perioden sollen veranschaulichen, wie sehr die Beschäftigung mit diesen Medien für Maria Lassnig essenziell war und Kontinuität bedeutete. Dies wird durch ein einzigartiges Werk unterstrichen, das einen besonderen Platz in dieser Auswahl einnimmt. Um 1961 wurde die Künstlerin vom befreundeten Architekten Ernst Hildebrand, einem wichtigen Mentor ihrer Arbeit, gebeten, für einen Architekturwettbewerb einen Entwurf für ein Wandgemälde beizutragen, jedoch wurde ihr Projekt leider nicht realisiert. Aber die Studie dazu, eine übergrosse Gouache mit dem Titel ‚Entwurf zu einem Wandfries, 1 x 30 m, in der Chirurgie, Landeskrankenhaus in Klagenfurt‘, zeigt Lassnigs Virtuosität, sich dem Architektonischen zu stellen, ohne dabei die Feinheit und Sensibilität des spontanen Mediums zu verlieren. In diesem Sinne erleben wir auch hier die Künstlerin als eine Meisterin, die auch in scheinbar kleinen Formaten und zarten Zeugnissen Grosses zu formulieren weiss.