Anlässlich des 100-jährigen BAUHAUS Jubiläums zeigt die Galerie Julian Sander eine Auswahl an Fotografien der Künstlerin Elfriede Stegemeyer. Unter dem Titel „Schule des Sehens“ werden neben Stegemeyers Fotografien auch Werke ihrer Wegbegleiter zu sehen sein, die einen kleinen Einblick in ihr Leben und Werk geben. Elfriede Stegemeyers Interesse für Alltagsgegenstände, deren Form- und Gestaltungspotential, sowie auch materielle Strukturen und Verbindungen bilden den Kern ihres fotografischen Œuvres. Sie ergründete neue Sehweisen in der Fotografie, indem sie beispielsweise mit unterschiedlichen Perspektiven oder der Nahansicht spielte. Während ihrer 6-jährigen Beschäftigung mit dem Medium Fotografie entwickelte Elfriede Stegemeyer eine beachtliche intellektuelle Kontinuität und künstlerische Ausprägung.

Ihre Vorliebe für das Bauhaus kam aus der Bewunderung für die Arbeiten von Herbert Bayer, der bis 1928 Meister am Bauhaus war. Aufgrund der Zuspitzung der politischen Lage und der damit einhergehenden Anfeindungen gegen das Bauhaus Dessau, studierte sie jedoch ab c. 1930 Fotografie an der Staatlichen Kunstschule Berlin. 1932 folgte sie Otto Coenen nach Köln und begann dort ein Studium an den Kölner Werkschulen. Der enge Kontakt, aber auch der geistig-künstlerische Austausch mit den Kölner Progressiven, sowie das gründliche Studium der Zeitschrift a bis z hatten einen starken Einfluss auf ihr Leben und Werk, entfalteten ihre konstruktivistischen Bildvorstellungen und weckten ihre Experimentierfreude.

Prägend war die Begegnung mit dem Fotografen Raoul Hausmann in Paris im Jahre 1935 in fotografischer wie auch privater Hinsicht. Während Stegemeyers und Hausmanns gemeinsamer Zeit auf Ibiza sind einige Aufnahmen der Insel, vor allem der inseltypischen Architektur, entstanden. Elfriede Stegemeyer ließ sich von Hausmanns Interesse für die regionale Architektur inspirieren und durch die enge Zusammenarbeit verstärkte sich ihr Sinn für ethnologische Eigentümlichkeiten. Ihre Aufmerksamkeit lag dabei mehr auf der Formen- und Flächensprache der Gebäude, die sie auf fast philosophische Weise ihren Naturaufnahmen gegenüberstellt. Auf eine grafisch-künstlerische Art werden so deren strukturelle Gemeinsamkeiten aufgezeigt. Hier spiegelt sich ihr Interesse für das konstruktivistische Sehen wider, was dem eher dokumentarischen Stil Hausmanns gegenübersteht. Dies wird auch in später weiterverarbeiteten Aufnahmen von Feigenkakteen deutlich, die zu surrealistisch, konstruktiv inspirierten Montagen zusammengefügt sind (o. T. (Kakteen), 1937).

Eine wichtige Entwicklung in Elfriede Stegemeyers Werk stellt zudem die Werkreihe von Gläsern dar, die sie zwischen 1934 und 1938 anfertigte. Diese Reihe von industriell hergestellten Alltagsgegenständen, denen, durch gezieltes Spiel mit Licht und Schatten und der Perspektive, eine skulpturale und oft auch abstrakte Ästhetik verliehen wird, stehen beispielhaft für Stegemeyers Sachaufnahmen, wie auch „Apfelsine, 1933“. Leitmotiv dieser „Stillleben“ ist das Wechselspiel von Raum und Fläche sowie von Oberflächenstrukturen und geradlinigem Untergrund.

Der Titel dieser Ausstellung „Schule des Sehens“ beschreibt nicht nur den Titel eines nicht veröffentlichten Buches der Gläser-Serie, sondern kann auch als Überschrift für ihr gesamtes fotografisches Werk betrachtet werden.