Hauser & Wirth Zürich freut sich, Arbeiten von Dieter Roth (1930 – 1998) rund um das Medium Papier zu präsentieren. Kuratiert von Roths Sohn Björn Roth, ist ‘Dieter Roth. Paper’ ein einzigartiges Fenster zu den Erkundungen des Mediums Papier durch den legendären Künstler. Angetrieben von unbändiger Neugier und künstlerischer Rastlosigkeit betätigte sich Roth in praktisch allen Bereichen der bildenden Kunst - als Zeichner, Autor, Filmemacher, Bildhauer und Schöpfer raumgreifender Installationen, doch seine eindrücklichen Papierarbeiten – ob aus Karton, Papierabfällen oder Fotopapier sowie seine Drucke und Künstlerbücher – bilden das Kernstück seines Werks.

Dieter Roth lernte die Techniken des Buchdrucks und Grafikgestaltung in den 40er Jahren kennen und schätzen. Dieses Wissen und diese Wertschätzung fanden insbesondere in den über 200 von ihm geschaffenen Künstlerbüchern lebhaften Ausdruck. Roth gilt zusammen mit Ed Ruscha als Erfinder des Künstlerbuchs und verhalf dem Medium über seine gesamte künstlerische Laufbahn hinweg zu grosser Bedeutung.

Das Manuskript zum 1968 herausgegebenen Künstlerbuch ‘246 little clouds’, umfasst neben handgeschriebenen Texten auch geometrische und figurative Zeichnungen. Es war der erste von Roth publizierte Poesieband in englischer Sprache, der 1976 als Band 17 in der Reihe der Gesammelten Werke neu aufgelegt wurde. Die originalen Entwürfe mit Anmerkungen von Dieter Roth und umfassendem Dokumentationsmaterial, sind nun zum ersten Mal in Europa ausgestellt.

Der Titel ‘246 little clouds’ geht auf James Joyce’s Kurzgeschichte ‘A Little Cloud’ zurück und die Publikation zeugt vom einzigartigen Zugang Roths zum Entstehungsprozess des Mediums Buch. Als seine Arbeiten für die Reproduktion photographiert wurden, gab der Künstler klare Anweisungen, wie die Blätter belichtet werden sollten. Das jeweils von rechts einfallende Licht wurde für jede Seite, die aufgenommen wurde, in minutiöser Arbeit leicht verschoben, womit Roth erreichte, dass der natürliche Lauf der Sonne imitiert wurde. Wiederholt hat Dieter Roth für seine Werke mit anderen Künstlern zusammengearbeitet, um dabei bewusst das Prinzip der Autorschaft kritisch zu hinterfragen und eine Hierarchisierung und Kategorisierung seiner Arbeiten zu vermeiden.

So lud Roth den amerikanischen Dichter und Maler Emmett Williams dazu ein, für ‘246 little clouds’ das Vorwort zu gestalten.

In der Ausstellung werden nun über 70 verschiedene Ausgaben von Roths Kopiebüchern, den sogenannten Copy Books, gezeigt, die ab Ende der 70er-Jahre mithilfe eines einfachen Kopierers entstanden. Durch Nutzung dieser schnellen, jederzeit verfügbaren Art des Druckens und Fotokopierens war Roth frei von Zwängen und der Notwendigkeit, mit Druckereien zusammenzuarbeiten und konnte sich durch die Wahl dieser Form des Buches für seine Gedichte und Zeichnungen schnell und einfach ausdrücken.

Neben den Copy Books werden verschiedene Reihen Zeichnungsserien gezeigt, darunter ‘13 Lollies mit Rückseiten’ (1981) und ‘11 Heterogenii’ (1981 – 1982). Diese biomorphen und experimentellen Zeichnungen werden im Original an der Wand präsentiert, tauchen aber auch als Teil der Bucheditionen auf. Diese Möglichkeit der mehrfachen Visualisierung wirft einen Blick auf Roths Einsatz unterschiedlichster Arbeitsmaterialien und die ständige Weiterentwicklung des Ausgangsmaterials durch den Künstler Roths Beschäftigung mit Dokumentation und Tagebüchern spiegelt sich in besonders stringenter Weise in seinem Werk ‘Flacher Abfall’ wider. Das Projekt nahm seinen Anfang in den 70er-Jahren, als der Künstler damit begann, sämtliche flache, unter 1 cm dicker Gegenstände des täglichen Abfalls zu sammeln und in Hunderten von Ordnern und Plastikhüllen sortiert abzulegen. Es sind Objekte, die banaler nicht sein könnten: Zigarettenschachteln, Obstkartons, Deckel von Marmeladengläsern und Papierstücke, oft versehen mit der Handschrift des Künstlers. Roths Lust an der Aufbewahrung dieser Gegenstände liegt in seiner Wertschätzung des mit der Herstellung jedes einzelnen Objekts verbundenen Arbeits- und Gestaltungsaufwands begründet. Roth sah die Schönheit in der Banalität dieser Alltagsgegenstände und stellte 1972, als er gerade auf Reisen war, fest, dass er verschiedene Papierschnipsel von einem Ort zum nächsten mitnahm. Als man ihn auf dieses Verhalten ansprach, antwortete er einfach: ‘Ich bin wohl nicht in der Lage sie wegzuwerfen’. Dieses akribische Aufbewahren von Abfällen war nicht nur dem Tagebuch-Format förderlich, mit dem sich Roth bis zu seinem Lebensende beschäftigte, sondern konfrontiert den Betrachter durch die physische Sammlung an Abfällen auch mit der Vergänglichkeit des menschlichen Daseins.

Bei der im Rahmen der Ausstellung gezeigten Version handelt es sich um einen Bestand an ‘flachen Abfällen’, die während des Jahrs 1987 durch die Hände von Roths Assistentin gingen. Zu dieser Zeit arbeitete Roth an einem Museumsprojekt, das Roths Manuskripte, Drucke und Bücher beherbergen sollte, welches aber letztendlich nicht realisiert wurde.

Auch bei ‘Kartonabfälle’ (1986), einer Serie von Karton-Collagen, wurde mit Abfallmaterial gearbeitet. Zu den ‘Fundbildern’ schrieb Roth: ‘Ich hatte häufig das Gefühl, dass es zu gefällig, zu zaghaft, zu clever ist, diese Kartonstücke für Malereien, Zeichnungen oder Collagen zu nutzen. Ich merkte, dass ich auf der Suche nach etwas ‘Besserem’ nicht bei den einfachen (und harten) Anfängen bleiben konnte. Deshalb habe ich einige Stücke (Karton, Holz und Sonstiges) zur Seite gelegt und (bei Ausstellungen, nicht zu Hause) an die Wand gehängt, ohne sie in irgendeiner Weise zu bearbeiten.’ Durch dieses einfache Konzept wird einmal mehr – und dieses Mal mit Rahmen versehen – das bewahrt, was der Betrachter wohl wegwerfen würde. Roths Faszination dafür, sein Leben zu dokumentieren und physische Spuren zu hinterlassen, ist das Vermächtnis einer Philosophie, in der Alltag und Kunst vollständig ineinandergreifen.

Als Teil der Ausstellung liegt eine frei erhältliche Zeitung auf, die Faksimile-Abbildungen von Dieter Roths eigene Kommentare zu den gezeigten Arbeiten enthält sowie zwei Texte von Björn Roth.