Der norwegische Künstler Fredrik Værslev (*1979, lebt und arbeitet in Drammen/NO und Vestfossen/NO) beeindruckt mit seiner extensiven malerischen Praxis, die trotz präziser Planung und Ausführung stets Raum für Zufälle lässt. Beispielsweise setzt er seine Werke der Witterung aus, stellt seine Leinwände über Monate an Bäumen hängend aus oder bietet KünstlerkollegInnen seine eigenen Arbeiten für Interventionen an. Damit zelebriert er eine definierte, malerische Geste und treibt den Gedanken der Appropriation auf die Spitze. In der Kunst Halle Sankt Gallen überrascht Værslev mit einer malerischen Gesamtinstallation, die sich zwischen Abstraktion und haptischer Realität der verwendeten Materialien manifestiert.

In der Ausstellung «Tan Lines» werden erstmals zwei neue Werkgruppen Værslevs präsentiert. Erstere umfasst im Raum hängende Leinwände, die als installatives Ganzes der zweiten, an den Wänden befindlichen Werkreihe gegenübertreten. Die monumentalen Werke der ’Sail Paintings’ sind aus verschiedenen, verarbeiteten Leinwandstücken zusammengefügt, so dass eine Komposition entsteht, die an Bootssegel erinnert. Die Serie fungiert als komplexes Hybrid: Frühere und neu entstandene Malereien wurden von Værslev zerschnitten, kombiniert, integriert und schliesslich minutiös zusammengenäht. Durch den Ablauf von De- und Rekonstruktion wird eine visuelle sowie inhaltliche Verbindung zum fragmentarischen Arbeitsprozess geschaffen. Værslev entzieht sich so jeglicher Einordnung der Werke, die von Abstraktion zu Dekoration und Repräsentation reichen kann. Die ’Sail Paintings’ lassen in der Kunst Halle Sankt Gallen eine Landschaft entstehen, die sich zwischen realistisch anmutender Szenerie und künstlerischer Fiktion bewegt.

Die auf den Segeln dargestellte Symbolik umfasst unter anderem jene Codes, die einerseits auf ein maritimes und andererseits auf das unmittelbare Umfeld des Künstlers verweisen. Dabei agieren die Symbole genauso als Signaturen wie als Gesten und dienen der Verortung, indem sie Spuren ihrer Umgebung auf der Oberfläche hinterlassen. So findet man unter anderem das Geburtsjahr des Künstlers sowie dessen Initialen, aber auch den Ländercode Norwegens und eine modifizierte Version des Logos der Kunst Halle Sankt Gallen.

Die zweite Werkgruppe in der Ausstellung setzt sich aus ’Garden Paintings’ zusammen, mit denen sich Værslev bereits in den letzten Jahren ausgiebig beschäftigte. Durch ihre Präsentation an der Wand schwanken die bearbeiteten, auf Metallgerüste montierten Holzlatten zwischen minimalistischer Malerei und verspielter skulpturaler Installation. Sie erinnern unwillkürlich an einen Gartenzaun oder an Bänke, die auf Augenhöhe aus der Wand ragen. In stetiger Wiederholung wurden die Holzlatten mit Lack und Poliermittel gestrichen und so mit den gleichen restauratorischen Methoden behandelt, welche sonst für die Instandsetzung alter Holzboote oder von Sitzbänken klassischer Museen angewendet wird. Die fast schon performative, repetitive Geste kulminiert in einer durchsichtigen, von Flüssigkeit gesättigten Schicht. Ihrer ursprünglichen Funktion beraubt und an der Wand neu ausgerichtet, transformieren sich die Bretter vom Nutzobjekt zu einer glänzenden und spiegelnden Oberfläche. In dieser reflektieren sich Ausstellungsraum, Betrachtende sowie die ’Sail Paintings’ und treten dadurch in einen spannungsvollen Dialog.

«Tan Lines» wird anschliessend in den Bonner Kunstverein reisen (Februar 2018) sowie in die Fondazione Giuliani nach Rom (September 2018). Ein Künstlerbuch wird im Frühling bei Sternberg Press erscheinen und begleitet die Ausstellungstournee.

Fredrik Værslev (*1979 in Moss/NO) lebt und arbeitet in Drammen/NO und Vestfossen/NO. Seine Werke waren zuletzt in folgenden Einzelausstellungen zu sehen: Andrew Kreps Gallery, New York (2017); Gió Marconi, Mailand; Kunsthal Aarhus, Aarhus/DK; Le Consortium, Dijon/FR; Bergen Kunsthall, Bergen/NO (2016); STANDARD (OSLO), Oslo; Museo Marino Marini, Florenz; Centre d ́art contemporain - Passerelle, Brest/FR (2015); The Power Station, Dallas; Lumiar Cité, Lissabon (2014); Indipendenza, Rom; Front Desk Apparatus, New York (2012). Gruppenausstellungen (Auswahl): The National Museum, Oslo; INDEX Foundation, Stockholm; National Art School Gallery, Sydney; Ramiken Crucible, New York (2017); Centre Pompidou, Paris (2016); Astrup Fearnley Museet, Oslo; Moderna Museet, Stockholm; Gavin Browns Enterprise, New York (2015); Overduin & Co, Los Angeles; Lunds Konsthall, Lund/SE (2014); The Modern Institute, Glasgow/UK (2013).