Es liegt auf der Hand, dass sich die Welt von fossilen Brennstoffen entwöhnen muss und dass dies rundum von Vorteil für die menschliche Gesundheit, die Natur, die Wirtschaft und sogar für die Politik sein wird.
Europa gibt €400 Millionen für den Import von Öl und Gas aus. Jedes Jahr! Würde diese ungeheure Summe in erneuerbare Energien investiert werden, entstünden moderne Industrien mit gut bezahlten Arbeitsplätzen, die Macht der Petro-Potentaten würde schwinden und weil Sonne und Wind keine Rechnungen schicken, stünde viel Geld für die Befriedigung echter Bedürfnisse zur Verfügung. Dies ist eigentlich keine tiefschürfende Einsicht, aber eine, die in Trumps USA und dort, wo die weitere Verfeinerung des Verbrenners für zukunftsfähig gehalten wird, exotisch klingt.
Wie die Zeiten sich geändert haben! Die USA sind schon lange nicht mehr der weltweit wichtigste Importeur von Öl und Gas, sondern deren größter Förderer und Exporteur. Folgerichtig verhält sich Trumps Amerika, verbündet mit Russland und Saudi-Arabien, wie ein klassischer Ölstaat. Es zieht sich aus der globalen Führungsrolle zurück und fügt dem eigenen Land, aber auch der ganzen Welt, massiven Schaden zu. Verfassungsrechtlich, politisch, sozial, finanziell, wirtschaftlich und ökologisch.
China, der Hauptnutznießer dieser Selbstsabotage, ist überrascht, dass es mühelos das große Lot gezogen hat und tatkräftig von seinem Erzrivalen USA zum globalen Hegemonen gemacht wird. Die Politik der chinesischen Regierung reflektiert die epochale Einsicht in die strukturelle Überlegenheit erneuerbarer Energien gegenüber fossilen Brennstoffen, dass folglich Maßnahmen zur Verringerung der Abhängigkeit von ihnen, was gleichzeitig einen Beitrag zur Abmilderung der Erderwärmung leistet, eher nützliche Investitionen als ungelegen kommende Kosten sind.
Kontrastiert zur irrlichternden US-Regierung:
baut China gerade den weltweit größten Staudamm, dessen jährliche Stromproduktion rund 300 TWh betragen wird, was dem gesamten Stromverbrauch Großbritanniens entspricht.1
nimmt China in vielen Bereichen weltweit eine führende Position in der industriellen Fertigung ein.2
werden in China jedes Jahr mehr Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken gebaut als in den USA innerhalb von Jahrzehnten.3
produziert China mehr als die Hälfte des Stahls auf der Welt (d. h. dreizehnmal so viel wie die USA).4
hat China die Finanzierung von Forschung und Entwicklung verfünffacht.5
dominiert China die Forschung in den Bereichen Materialwissenschaften, Chemie, Ingenieurwesen, Informatik, Ökologie, Agrarwissenschaften, Physik und Mathematik.6
hält China die Hälfte der weltweiten Patente für saubere Energie.7
verfügt China über ein nahezu exklusives Monopol auf die Produktion von Solarzellen8 und die Förderung Seltener Erden.9
baute China in den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 198 GW Solar- und 46 GW Windenergie, was dem Stromverbrauch Indonesiens oder der Türkei entspricht.10
Die chinesische Regierung könnte, wenn sie es denn wollte, die Weltwirtschaft lahmlegen, aber ihre Prioritäten liegen anderswo. Das Land strebt eine auf den Export ausgerichtete wirtschaftliche Entwicklung an bei gleichzeitiger Verringerung fossiler Brennstoffe. Die entschlossen betriebene Transformation sieht Klimaneutralität und Industriepolitik komplementär, als eine sich wechselseitig verstärkende, nicht als nullsummige Entweder- oder Strategie.
Die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass Solar- und Windenergie bis 2035 Kohle und Erdgas in der Stromerzeugung überholen werden.11 China, das seit 1980 eine technologische Entwicklung vorangetrieben hat, die zu einer 99-prozentigen Senkung der Solarzellen-Kosten geführt hat, wird von der weltweit wachsenden Nachfrage nach günstiger und sauberer Energie profitieren.12
Die 1992 auf der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro verabschiedete Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) unterscheidet zwischen Industrieländern (aufgeführt in Anhang I und Anhang II) und Entwicklungsländern (Nicht-Anhang-I-Länder). In beiden Instrumenten, jedoch besonders in Kyoto – was der Hauptgrund dafür ist, dass das Protokoll nie in Kraft getreten ist –, sind lediglich die Industrieländer zu Emissionsreduktionen verpflichtet. Zudem sind sie aufgefordert, den Entwicklungsländern finanzielle Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen zu gewähren. In den 1990er Jahren wurden China, Indien, Südkorea, Singapur, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Bahrain und andere heute prosperierende Länder noch als "Entwicklungsländer" eingestuft. Bei den Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen gilt diese Einstufung bis heute, was bedeutet, dass diese Länder im Gegensatz zu den OECD-Ländern keinen finanziellen Beitrag zu internationalen Klimaschutzmaßnahmen leisten müssen.
Vor drei Jahrzehnten war dies intellektuell plausibel und historisch fair, da Kohlendioxid jahrhundertelang in der Atmosphäre verbleibt. Zwischen dem Anfang der industriellen Entwicklung im Westen um 1850 und dem Aufholen mehrerer Nachzügler um das Jahr 2000 verursachten die entwickelten Länder der Welt drei Viertel der historischen Emissionen, alle Entwicklungsländer zusammen nur ein Viertel. Der Anteil der USA an den historischen Emissionen (29 Prozent) ist fast viermal so hoch wie der Chinas (8 Prozent). Das UNFCCC-, Kyoto- und Pariser Prinzip der "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung" berücksichtigt, dass der Klimawandel eine doppelte Ursache hat, nämlich Bestandsgrößen (historische Emissionen) und Stromgrößen (aktuelle Emissionen). Mit der Zeit verliert das Gewicht der historischen Emissionen an Bedeutung, während die aktuellen Emissionen an Bedeutung gewinnen. Seit Beginn der Industrialisierung wurden etwa 60 Prozent der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen vor 1990 emittiert, 40 Prozent zwischen 1990 und 2019.13 Seit Rio wurden mehr Treibhausgase ausgestoßen als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor.
Nach dem Tod Maos 1976 stand China vor großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. In einer historisch einmalig erfolgreichen Anstrengung wurden hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt und die größte Industriemacht der Welt geschaffen. Das bemerkenswerte Wirtschaftswachstum in China – etwa 10 Prozent jährlich seit Jahrzehnten – 14 ließ auch die Treibhausgasemissionen ansteigen.
Zwischen 1990 und 2024 wuchs das chinesische Bruttoinlandsprodukt um mehr als das Fünfzigfache von 360 Milliarden Dollar auf 18.700 Milliarden Dollar. Parallel dazu stiegen die Kohlendioxidemissionen (CO2) im gleichen Zeitraum gewaltig. Im Jahr 1990 war der CO2-Ausstoß der USA (5.100 Millionen Tonnen) mehr als doppelt so hoch wie der Chinas (2.400 Millionen Tonnen). Heute hat sich die Relation umgekehrt. Chinas Emissionen (11.900 Millionen Tonnen) sind mehr als doppelt so hoch wie jene der USA (4.900 Millionen Tonnen), obwohl die Pro-Kopf-Emissionen Chinas immer noch nur etwa halb so hoch sind wie jene der USA (8 Tonnen gegenüber 14 Tonnen). Im Jahr 1990 emittierte die EU 4.500 Millionen Tonnen CO2, also 50 Prozent mehr als China. Heute sind die Emissionen der EU etwa 3.500 Millionen Tonnen, d.h. ein Drittel weniger, obwohl sie pro Kopf (11 Tonnen) noch immer deutlich höher sind als Chinas (8 Tonnen)15 Das heißt, dass unter Gerechtigkeitsaspekten die Verantwortung für Klimaschutzmaßnahmen und finanzielle Unterstützung für den Globalen Süden nach wie vor stärker bei der EU und den USA liegt.
China ist gewiss zu einem großen Teil des Problems geworden, möglicherweise aber zu einem noch größeren Teil der Lösung. Die USA verantworten ein Viertel der globalen Öl- und Gasproduktion, China lediglich 0,26 Prozent,16 und ist deshalb in hohem Maße auf Importe angewiesen. Die Förderung erneuerbarer Energien ist in doppelter Hinsicht sinnvoll. Einmal um die Abhängigkeit von volatilen Öl- und Gasexporteuren zu verringern. Zum zweiten zur Vermeidung von Kosten. 2023 waren die Öl- und Gasexporte der USA nach China mit einem Wert von 17,6 Milliarden Dollar die zweitgrößte Warengruppe nach Ölsaaten und Getreide (18,5 Milliarden Dollar).17 Im Juni 2025 stellte China alle Importe von Öl und Gas aus den USA ein.18
Während Investitionen in erneuerbare Energien bereits jetzt zehn Prozent zum chinesischen Bruttoinlandprodukt beitragen,19 ist Kohle nach wie vor ein wichtiger Faktor. Im Inland in großen Mengen verfügbar, beschäftigt die Kohleindustrie mehrere Millionen Arbeitnehmer und übt somit einen enormen Druck in Richtung Erhalt aus. China ist der weltweit größte Kohleproduzent und kein Mitglied der Powering Past Coal Alliance. Das Ziel der Internationalen Energieagentur, die Kohleproduktion bis 2040 auslaufen zu lassen, ist deshalb unerreichbar. Kohle ist nach wie vor die Hauptstütze der chinesischen Wirtschaft und macht mit 53 Prozent den mit Abstand größten Anteil des Primärenergiemix des Landes aus.
Im weltweiten Durchschnitt liegt der Anteil bei lediglich 27 Prozent. Chinesische Banken setzen weiterhin auf massive Investitionen in den Kohlebergbau. Infolgedessen sind die Kohlekraftwerke des Landes relativ neu und werden noch jahrzehntelang Strom erzeugen, um die Investitionen wieder hereinzuholen. Die Strategie ist, die Vorrangstellung der Kohle noch eine Weile aufrechtzuerhalten, um die Öl- und Gasimporte zu minimieren, während gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien forciert wird. Beim Klimagipfel der Vereinten Nationen am 24. September 2025 verkündete Präsident Xi Jinping, dass die Treibhausgasemissionen Chinas bis 2025 um 7 bis 10 Prozent reduziert werden sollen.20
In einem heiklen Balanceakt wird versucht, mehrere strategische Prioritäten zu verwirklichen: Erhaltung der Regime Legitimität, Verbesserung des Lebensstandards, Modernisierung der Industrie, Reduzierung der Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten und Bekämpfung des Klimawandels, wobei Letztere nur eine von mehreren Prioritäten ist. Klima-, Handels- und Außenpolitik sind komplementäre Instrumente zur Förderung der inländischen wirtschaftlichen Entwicklung. Dieses alles anderen übergeordnete Ziel prägt auch Chinas Rivalität mit den USA sowie seine Beziehungen zu Russland, Iran und anderen Teilen der Welt. China ist keine imperialistische Macht, sondern eine eigennützige, vorsichtige und langfristig vorgehende strategische.
Präsident Xi nahm zusammen mit einigen anderen Potentaten am 8. Mai 2025 an der Siegesparade in Moskau teil,21 und China finanziert Putins Kriegsmaschinerie, die die Ukraine angreift. Die Gründe sind zynisch: Russland untertan zu machen und den Westen abzulenken sowie zu schwächen.22 Frieden hätte den gegenteiligen Effekt. Ein besiegtes, demoralisiertes und auseinanderfallendes Russland auf der anderen Seite einer gemeinsamen 4.000 Kilometer langen Grenze zu China würde unkalkulierbare Risiken darstellen. Daher ist der Status quo von schwelenden Konflikten deren Lösung vorzuziehen. So verurteilte Peking zwar pflichtbewusst die US-Bombardierung des iranischen Atomprogramms, eine tatkräftige Unterstützung des geschwächten Mullah-Regimes wurde jedoch nicht in Betracht gezogen, geschweige denn konkrete Hilfe zur Entwicklung von Atomwaffen.23
Diese strategische Mehrdeutigkeit ermöglicht es China, in Klimaverhandlungen für ein „globales Netzwerk für Dialog und Zusammenarbeit zwischen Zivilisationen“24 einzutreten, sich als Entwicklungsland zu präsentieren und sich der finanziellen Mitwirkung am Fonds für Verluste und Schäden (Loss and Damage) zu verweigern, der auf der Konferenz der Vertragsstaaten (COP28) 2023 in Dubai vereinbart wurde.25
Wie die eben in Belém mit geringem Erfolg zu Ende gegangene COP30 illustrierte, hat sich nach mehr als drei Jahrzehnten der Schwerpunkt des Klimahandelns von internationalen Konferenzen auf die nationale Ebene verlagert, wo Fortschritte oder Rückschritte die Wirtschaften für die kommenden Herausforderungen positionieren. Das Tempo der Dekarbonisierung – das Maß an Investitionen in Forschung, erneuerbare Energien und Resilienz – entscheidet darüber, wie zukunftsfähig eine Wirtschaft ist. Grüne Elektrifizierung ist der Schlüssel, und China dominiert die gesamte Dynamik der Energiewende. Dasselbe China, welches die Menschenrechte in Xinjiang und Tibet missachtet, demokratische Freiheiten in Hongkong unterdrückt, geistiges Eigentum verletzt, Nachbarländer im Südchinesischen Meer bedroht und Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt.
Aber in Sachen Klima hat die chinesische Regierung, im Gegensatz zu ihrem U.S.-Pendant, die Zeichen der Zeit erkannt. Sie könnte die Welt retten.
Anmerkungen
1 Parsons, Jim. “China Launches Construction of Megadam Project” Engineering News Record, 22 July 2025.
2 Buckley, Tim. “Foreign Policy: The Global Politics of Climate” Climate Energy Finance, 9 April 2025.
3 The Insane Growth of China’s High-Speed Rail Network between 2008 and 2024; Brillant Maps, 6 June 2024.
Zukowski, Dan. “US high-speed rail projects: The latest news”, SmartCitiesDive, 30 June 2025.
4 “Total Production of crude Steel, World Total 2024” World Steel Association, 25 March 2025.
5 The World Bank, undated, Research and development expenditure (% of GDP) - China | Data.
6 “China has become a scientific superpower”. The Economist, 12 June 2024.
7 International Renewable Energy Agency (IRENA), “Renewable Energy Patents’ Evolution”. Patents Evolution, 4 February 2025.
8 Fernández, Lucía, “Global solar PV module production 2000-2023”. Statista, 1 July 2025.
9 Martin, Nik. “How China wields rare earths as a strategic weapon”. Deutsche Welle, 23 June 2025.
10 Hawkins, Amy. ”China breaks more records with surge in solar and wind power”. The Guardian, 26 June 2025.
11 International Energy Agency (IEA),”World Energy Outlook 2025”. November 2025; Executive summary – World Energy Outlook 2025 – Analysis – IEA.
12 Chan, Kyle. “Chinese solar and the German paradox”. High Capacity, 20 April 2024.
13 Baumert, Kevin A.; Herzog, Timothy; Pershing, Jonathan; “Navigating the numbers: Greenhouse gas data and international climate policy”. World Resources Institute, 2005, table 4, p. 113; For a longer time series and interactive maps, see Aurélien Saussay, “Global Historical Emissions Map”, 2019.
14 Liu, Honggiao; Evans,,Simon; Zhang, Zizhu; Song, Wanyuan and You, Xiaoying, “The Carbon Brief Profile: China”, Carbon Brief, 29 November 2023.
15 Eurostat, “EU greenhouse gas footprint: 10.7 tonnes per capita”,19 February 2025.
16 Oil production Gas production. Our World in Data, 27 June 2025.
17 The U.S. – China Business Council, [“US Exports to China”] https://www.uschina.org/wp-content/uploads/2024/04/2024-US-Exports-to-China-Report.pdf). April 22, 2024.
18 Bargava, Aarushi. “China’s key US energy imports plunge amid trade tensions”. WION, 23 July 2025.
19 Myllyvirta, Lauri, ”Analysis: Clean energy contributed a record 10% of China’s GDP in 2024”. Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA), 19 February 2025.
20 Jinping, Xi. “Remarks at UN Climate Summit” Xinhua, 24 September 2025; Full Text: Chinese President Xi Jinping's remarks at UN Climate Summit_China's Diplomacy in the New Era.
21 Wikipedia, “2025 Moscow Victory Day Parade” updated on 22 November 2025.
22 Wall, Louisa. ”China’s Position on Russia and Ukraine Is a Warning to the West and the Pacific: Wang Yi’s remarks confirm what many have long suspected: China’s interests are best served not by stability, peace, or sovereignty, but by a prolonged conflict”.The Diplomat, 17 July 2025.
23 Girard, Bonnie. “China’s Bet on Iran: What Now?”, The U.S. attack on Iran changed the parameters for China-Iran relations, The Diplomat, 30 June 2025.
24 The State Council of the People’s Republic of China, “Xi calls for global dialogue, cooperation network among civilizations”, Xinua, 10 July 2025.
25 Patel, Anika. “Interview: China’s position on ‘international climate finance’ ahead of COP29”. Carbon Brief, 30 May 2024.















