Eine Erzählung von Bewegung und Stille.
Die hier versammelten Werke wiederholen eine einzige Form: die Lokomotive.
Jede einzelne ist ein maßstabsgetreues Modell, jedoch ohne jegliche Funktion.
Sie unterscheiden sich in ihrer Oberfläche und Temperatur – Aluminium, Kupfer, Stahl – Materialien, die sowohl Fortschritt als auch Verfall dokumentieren.
Zusammengenommen zeichnen sie keine Geschichte der Technik nach. Stattdessen beschreiben sie die Bewegung einer Idee: das Versprechen der Bewegung, den Rhythmus von Abfahrt und Verspätung, den Glauben, dass jedes System weiterläuft.
In einer Reihenfolge angeordnet, bilden die Skulpturen eine Prozession ohne Ziel. Die Linie bewegt sich von Helligkeit zu Korrosion, von Bild zu Echo. Die Ausstellung entfaltet sich eher wie eine erinnerte als eine zurückgelegte Route.
Jeder Motor scheint auf Anweisungen zu warten, die niemals kommen; jedes Regal, jeder Sockel und jede Pause wird Teil eines größeren Mechanismus des Betrachtens. Was bleibt, ist nicht Geschwindigkeit, sondern Stille – der Rest des Glaubens an die Vorwärtsbewegung. Die Maschinen bestehen fort, obwohl ihr Zweck längst aufgehört hat.
Raum 1 - „Der mechanismus“
Ein freistehendes Regal in der Mitte des Raums enthält Lokomotiven aus verschiedenen Materialien und mit unterschiedlichen Oberflächen - rostiger Stahl, Aluminium, patiniertes Kupfer. Das Regal wirkt wie eine Museumsvitrine ohne Glas: ein Archiv des Fortschritts, Prototypen, die zur Begutachtung aufgereiht sind.
Der Raum wirkt wie ein Depot oder Archiv: Die Maschinen werden präsentiert, ihre Nützlichkeit ist bereits Vergangenheit. Er gibt den Ton der Ausstellung vor – prozedural, leicht forensisch. Wie eine Werkstatt oder Inspektionshalle.
Manuel Graf interessiert sich für die großen Fragen der Menschheit, die Entwicklung der menschlichen Existenz und ihre kulturellen Errungenschaften, anhand derer wir diese Entwicklung beobachten können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Kunst selbst, die Architektur sowie das Handwerk, bis hin zu Reflexionen über zeitgenössische visuelle Überzeugungsstrategien, wie wir sie aus der Werbung kennen.
In seinem medienübergreifenden künstlerischen Œuvre verfolgt der Künstler Graf eine kritische Auseinandersetzung mit der Grenze zwischen sozialer Utopie und Lebenswirklichkeit. Seine Werke offenbaren eine künstlerische Janusköpfigkeit, eine präzise beobachtete, kaleidoskopische Sicht auf die menschliche Existenz, die sich nicht auf das Hier und Jetzt beschränkt, sondern auch versucht, unsere Kulturgeschichte rückblickend zu interpretieren. Das Thema der Lokomotive war ursprünglich inspiriert von Jeff Koons' Ausstellung „Luxury and Degradation” aus dem Jahr 1986, die sich mit Fragen der Klasse, Bildung und des sozioökonomischen Hintergrunds befasste.
Raum 2 – „Die linie“
Wandregale, auf denen jeweils eine Lokomotive steht. Diese sind so angebracht, dass sich der Betrachter umdrehen und neu orientieren muss, was eine sich verändernde Landschaft widerspiegelt, die man aus einem fahrenden Zug sieht. Der matte Glanz der Maschinen steht im Kontrast zu den Wänden und anderen Oberflächen; sie werden zu einem Spiegel, einem Phantom der Moderne.Die Maschinen wirken lebendiger, aber auch gespenstisch. Der Betrachter erlebt Bewegung durch Stille. Konzeptionell ist dies der Ort, an dem Fortschritt auf Entropie trifft.
Mithilfe digitaler Techniken wie 3D-Animation und Architektur-Rendering verbindet Graf Themenbereiche, die ständig eine Verbindung zwischen verschiedenen Territorien sowie historisch überlappenden Zeitebenen herstellen. In seinen neuesten Arbeiten setzt er konsequent Text-zu-Bild-KI ein, um virtuell erstellte Objekte schließlich als 3D-Drucke und Abgüsse in die reale Welt zu übertragen.
Die Gegenüberstellung von Realem und Virtuellem erweitert sich in seinem Werk auch um die Frage, ob die neuen technischen Errungenschaften unserer Gesellschaft die erhoffte Utopie möglich machen oder stattdessen ein dystopisches Szenario hervorrufen. Es ist diese echte Neugierde auf die Welt und die Suche nach entsprechenden Bildern, die den Künstler Manuel Graf auszeichnen.
Raum 3 — “Das terminal”
Ein Sockel, auf dem eine einzelne Lokomotive steht. Dies ist das „Nachbild“, das Ende der Strecke. Wie etwas, an das man sich erinnert, anstatt es zu sehen. Dieser Raum dient als emotionale Coda. Alle Bewegung hat aufgehört, aber der Eindruck von Kontinuität bleibt bestehen. Es ist weniger ein Ende als eine Unterbrechung. Jede Lokomotive ist ein dreidimensionales Bild, deren materielle Oberfläche zeigt, wie Erinnerung an Formen gebunden ist.
Die Besucher bewegen sich durch die Ausstellung wie durch eine Abfolge von Gedanken und nicht wie durch eine Erzählung. Die Räume werden sowohl zu einem Archiv als auch zu einem Warteraum, industriell und häuslich, Vergangenheit und Zukunft zugleich.













