Carlos Amorales macht die Maske zu einem Spiegel unserer Zeit. Sie ist nicht nur ein Schmuckstück oder eine Verkleidung, sondern ein Ort, an dem Identität, Mythos und Macht aufeinandertreffen.
Diese neue Ausstellung zeigt, wie das, was die Maske verbirgt, letztendlich noch stärker zum Vorschein kommt: die Fragilität des Menschen angesichts von Technologie, einer Spannung zwischen dem Lokalen und dem Globalen, zwischen dem Intimen und dem Kollektiven. Weit davon entfernt, das Gesicht oder die Maske als ästhetisches oder rituelles Accessoire zu betrachten, stellt der Künstler sie in den Mittelpunkt einer Reflexion, die Identität, Repräsentation und Bilderpolitik im digitalen Zeitalter hinterfragt.
Seit der Antike dient die Maske als Vermittler zwischen dem Selbst und dem Anderen, zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen, zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen. Amorales greift dieses symbolische Mittel auf und fügt es in ein Feld aktueller Spannungen ein, in dem Gesicht und Maske zu einem Raum sozialer Anerkennung und Subjektivität werden, der mit Medienkonsum, technologischer Kontrolle und der Prekarität kultureller Narrative in der Globalisierung konfrontiert ist.
Der Dialog, der mit der ikonischen Figur von El Santo, dem Mann mit der silbernen Maske, hergestellt wird, ist von grundlegender Bedeutung. Indem er dieses Symbol der mexikanischen Identität wieder aufgreift, bezieht sich Carlos nicht nur auf eine populäre Ikone, sondern deckt auch die Fragilität kollektiver Identitäten angesichts des globalen Diskurses auf. Die Wrestling-Maske, die in ihrem ursprünglichen Kontext Schutz bietet und gleichzeitig einen Mythos konstruiert, wird hier zu einer Metapher für die verlorene Suche nach Identität, für den Versuch, sich angesichts der Homogenisierung an kulturelle Zeichen zu klammern.
Die Kritik wird durch den Verweis auf Roland Barthes bereichert: Mythos als Maske, die Ideologien verbirgt. In diesem Sinne spielt Amorales' Werk nicht nur mit der visuellen Oberfläche, sondern zeigt auch, wie die Bilder, die wir im digitalen Zeitalter konsumieren und produzieren, naturalisierte Unwahrheiten reproduzieren und Machtstrukturen legitimieren. In seinem Vorschlag ist die Maske kein einfaches Objekt mehr, sondern wird zu einem Mechanismus für eine kritische Lesart der Gegenwart.
Insgesamt geht Face and Mask über den Formalismus der Porträtmalerei oder des visuellen Objekts hinaus. Seine Zeichnungen und audiovisuellen Arbeiten fungieren als kritische Essays, die den Betrachter dazu einladen, nicht nur die Funktion der Maske, sondern auch die Natur der Identität in einer von Bildschirmen, Algorithmen und globalisierten Narrativen geprägten Gegenwart zu überdenken. Amorales gelingt es, die beunruhigende Eigenschaft der Maske – ihre Fähigkeit, gleichzeitig zu verbergen und zu enthüllen – in einen fruchtbaren Boden für das Hinterfragen der Spannungen zwischen Kunst, Technologie und Ideologie zu verwandeln.
In der Ausstellung Face and Mask treten sieben Künstler aus verschiedenen Breitengraden in einen Dialog mit dem Werk von Carlos Amorales, wobei sie die Maske als Ausgangspunkt nehmen. Aus verschiedenen Disziplinen – Installation, Performance, bildende Kunst, Malerei und Skulptur – jeder Entwurf verwandelt die Maske in einen Raum der Bedeutungen, der sich ständig wandelt: Identität und Anonymität, Ritual und Widerstand, Verbergen und Offenbaren. Dieser kollektive Raum erweitert nicht nur die Lesart von Amorales’ Werk, sondern lädt das Publikum auch dazu ein, zu entdecken, wie die Maske über ihre Form hinaus ein lebendiges Symbol bleibt, das Kulturen, Erinnerungen und zeitgenössische Sensibilität miteinander verbindet.
Der Titel dieser Ausstellung ist inspiriert von einem Werk von Hans Belting, dessen Überlegungen die zeitgenössische Bildwissenschaft entscheidend geprägt haben.
















