In der Geschichte des Christentums gibt es viele bedeutende Ereignisse, doch vielleicht ist keines wichtiger als die Bekehrung des Paulus. Ab diesem Zeitpunkt begann die Evangelisierung der Welt, der die Behörden des Römischen Reichs machtlos gegenüberstanden. Paulus, der sich selbst „der Apostel“ nannte, hatte Jesus nicht persönlich kennengelernt, hatte aber eine mystische Erfahrung gemacht, die sein Leben komplett änderte. Paulus war im Grunde genommen der erste und vor allem echte Missionar, ein Knecht Gottes, der überall reisen konnte, um die Gute Nachricht1 zu verkünden.
Doch wie entsteht überhaupt der Antrieb, das Wort Gottes bis in die abgelegensten Orte zu bringen – mit allem, was dazugehört: Verzicht, Tod, Verfolgung, Martyrium, Freude, Armut ...? Diese Kraft kommt von jedem Einzelnen selbst. Sie kann nicht erworben oder erlernt werden. Es ist etwas, das mit uns geboren wurde, eine Flamme, die bis zum Ende unserer Existenz brennt.
Die Evangelisierung Europas und der germanischen Gebiete
Nachdem Konstantin bekehrt worden war, Christen nicht mehr verfolgt wurden und das Christentum zur Staatskirche des Römischen Reichs geworden war (um 313 n. Chr.), wurde es einfacher, die Gute Nachricht weiterzugeben. Ab der Mitte des 4. Jahrhunderts wurden viele europäische Stämme integriert und Regionen besetzt, darunter: Dacia (das heutige Rumänien), Teile Germaniens (am Rhein), Mesopotamien und Armenien. Die germanischen Völker, die erobert wurden, spielten eine große Rolle in der Geschichte, denn sie waren zwar unter römischer Verwaltung, blieben aber nicht dauerhaft auf der politischen Landkarte. Die germanischen Stämme und deren Gebiete, die angesiedelt wurden, waren die sogenannten Föderaten (Foederati), also Verbündete mit Siedlungsrechten. Zu ihnen gehörten die Franken (heutiges Belgien, Nordfrankreich und Westdeutschland), Alemannen (heutige Schweiz, Oberrhein, Südwestdeutschland und Elsass), Goten, Ostgoten und Westgoten (Schwarzmeerraum, Spanien) sowie die Vandalen (Elbegebiet), Sueben (Donau und Oberrhein), Heruler und Rugier (Balkan und Italien).
Im Zeitraum vom 3. bis zum 11. Jahrhundert erfolgte die Evangelisierung sämtlicher germanischer Völker. Bis zur Vollendung dieses Prozesses waren auch Missionare aus anderen Gebieten zugegen, die durch ihren apostolischen Eifer und ihre Hingabe einen wesentlichen Beitrag zur Durchführung der komplexen Vorgehensweise leisteten.
Die germanischen Völker zeichneten sich durch eine enge Verbindung zur Naturkunde und zum Paganismus aus. Die alten Germanen glaubten an eine Vielzahl von Göttern, darunter Wotan, Donar (auch Thor in den nordischen Gebieten) und Freyja. Sie waren stark von Naturmystik geprägt. Für sie besaßen Wälder und Haine eine heilige Bedeutung, da sie als Orte der Seelen betrachtet wurden. Auch Wasserquellen wurden mit Göttern, Geistern und Naturwesen assoziiert und symbolisch für den Zugang zu anderen Dimensionen genutzt.
Fürsten und Könige übten einen starken Einfluss auf die Bevölkerung aus und entschieden somit über die Religion der gesamten Gruppen. Die ersten Missionare sahen sich nicht nur mit diesen beiden Hindernissen konfrontiert, sondern auch mit der kulturellen Barriere, die sich aus der unterschiedlichen Sprache ergab. In den betreffenden Gebieten mussten frühere Träger des Evangeliums zunächst die Sprache erlernen, um überhaupt in die Betrachtung einbezogen zu werden. Ich bitte Sie, diesen Text so zu verfassen, dass er den Anforderungen einer Veröffentlichung entspricht.
Vorgehensweise der Christianisierung
Da einige Völker zum Teil christlich waren und als "arianisch" betrachtet wurden, wurde in die späteren Jahrhunderte hinein kein vollständiger Plan entworfen. Westgoten, Vandalen und Burgunder waren zwar christlich, jedoch vertraten sie die Auffassung, dass Christus nicht mit Gott dem Vater in einem und demselben Wesen sei. Damit standen sie in Gegensatz zur Dreifaltigkeit2. Die Annahme des arianischen Christentums erfolgte vor der Etablierung des Begriffs "Katholizismus" im Zusammenhang mit dem Römischen Reich.
Zunächst galt es, die Eliten zu bekehren, wobei Könige und Fürsten eine Schlüsselrolle einnahmen. In vielen Fällen erfolgte durch die Taufe die Bekehrung des gesamten Stammes. Die Gründung von Bistümern und Klöstern – beispielsweise in Fulda und Reichenau – war von entscheidender Bedeutung, da die Mitglieder des Stammes unter der Aufsicht der Mönche dort Bildung erhielten. Die Lehre und Anpassung christlicher Werte sowie die Übersetzung der Bibel führten bei Menschen zu einem unmittelbaren Zugang zum römischen Christentum, dem Katholizismus. Auf diese Weise gelang es Priestern und Mönchen, eine kulturelle Barriere zu überwinden.
Nichtsdestotrotz fehlte es an der notwendigen Überzeugungskraft, um die gesamte Bevölkerung zu gewinnen. Unter bestimmten Umständen waren die politischen Strukturen so stabil, dass die Bekehrung der Herrscher für den Erfolg einer Mission unabdinglich war. Während der Sachsenkriege unter Karl dem Großen kam es im 8. und 9. Jahrhundert insbesondere bei den Sachsen und Nordgermanen (Dänen und Norwegern) zu Widerständen und Zwangstaufen. Diese Maßnahmen wurden jedoch ausschließlich nach militärischen Siegen ergriffen.
Ulfilas und Bonifatius; die unvergesslichen Missionare
Unter den zahlreichen Missionaren, die zwischen dem 4. und 11. Jahrhundert in den germanischen Völkern wirkten, lassen sich in Wirklichkeit lediglich zwei mit einem besonderen historischen Hintergrund erwähnen. Ulfilas, auch Wulfilas genannt (310–383 n. Chr.), war ein bedeutender gotischer3 Theologe und Missionar, der sowohl die gotische als auch die griechische Sprache beherrschte. Obwohl er in Kappadokien das Licht der Welt erblickte, entstammte er einer christlichen Familie, die höchstwahrscheinlich von Goten verschleppt wurde. Wulfilas bedeutendstes Werk war die Übersetzung von Teilen der Bibel aus dem Griechischen ins Gotische. Da die gotische Sprache zu diesem Zeitpunkt lediglich eine gesprochene Sprache war, widmete er sich der Entwicklung eines gotischen Alphabets, welches punktuell dazu diente, Teile des Neuen Testaments zu übersetzen. Das Alphabet stellt eine Kombination griechischer und lateinischer Buchstaben dar. Bei seiner missionarischen Arbeit spielten diese übersetzten Fragmente der Bibel eine Schlüsselrolle.
Zudem fand zunächst diese Version der Bibel Verwendung – zunächst unter den Westgoten und in der Balkanregion. Sie wird als älteste Übersetzung der Bibel in eine germanische Sprache betrachtet. Wulfilas wirkte als Missionar 12 Jahre lang in Terwingen, unweit der Donau. Aufgrund der fortwährenden Verfolgung durch die heidnischen Goten sah er sich gezwungen, nach Mösien (dem heutigen Nordbulgarien) zu fliehen, wo er sein Lebenswerk, die Bibelübersetzung, verfasste und Priester ausbildete.
Bonifatius, geboren als Winfried in Crediton (heute Teil der Stadt Devon, England), lebte zwischen 673 und 755 n. Chr. Er war ein Mönch und Missionar, der eine bemerkenswerte Ausbildung in einem Benediktinerkloster in England erhielt. In den germanischen Gebieten herrschte Unordnung und Missstände, sodass die Christianisierung der dort ansässigen gotischen Völker nur oberflächlich erfolgte. Zudem waren die Priester in diesen Volksgruppen zum Teil nicht offiziell eingesetzt oder unzureichend ausgebildet. Inmitten dieses zersplitterten Zustandes wurde im Jahr 719 n. Chr. von Papst Gregor II. die Entscheidung getroffen, Bonifatius nach Germanien zu entsenden. Er hegte eine enge Verbindung zu Rom, wurde mit päpstlicher Autorität ausgestattet und erhielt den Auftrag, die kirchlichen Strukturen nach römischem Vorbild umzugestalten.
Für die politische Stabilität des Vorhabens war ebenfalls Sorge getragen worden. Papst Gregor II. hatte den fränkischen Herrscher Karl Martell durch die Missionare und Bonifatius unterstützt, um noch heidnische Völker in geeignete christlich-römische Gebiete umzuwandeln. Die historischen Regionen Hessen, Thüringen und Friesland waren zu dieser Zeit noch von heidnischen Praktiken geprägt, Menschen integrierten Elemente des Christentums in ihren heidnischen Naturkult.
Im Jahr 723 n. Chr. wurde die Donar-Eiche im nordhessischen Fritzlar gefällt. Hierbei handelte es sich um eine heilige Eiche, die mit der gotischen Gottheit Donar assoziiert wurde und eine Verbindung zum germanischen Gott Thor repräsentierte. Es existieren Quellen, die besagen, dass Bonifatius die Fällung des Baumes im Namen Gottes initiiert habe, und dass die Mönche, die ihn begleiteten, die Aufgabe zu Ende brachten. Nach der Fällung wurde weder Bonifatius noch seinen Helfern körperliche Gewalt angetan, noch wurde göttlicher Zorn gegen sie gerichtet, was bei den Heiden beeindruckende Reaktionen hervorrief. Dieses Ereignis ist von entscheidender Bedeutung für die Betrachtung der historischen Entwicklung der Evangelisierung in den germanischen Gebieten.
Es markiert einen Wendepunkt, der nicht nur für die gotischen Völker, sondern auch für die Römische Kurie von großer Relevanz war. In der Folge bekehrten zahlreiche Menschen zum Christentum und Bonifatius ließ aus dem Holz eine Kapelle errichten. Nach einer signifikanten Zeitspanne von mehreren Jahren erfolgte die Gründung eines Klosters an der ursprünglichen Stelle, das eine signifikante Rolle als Zentrum der Christianisierung in Hessen einnahm und als Stützpunkt für das weitere missionarische Unternehmen diente. Erst im 11. Jahrhundert wurde dort eine romanische Kirche erbaut, die heute als Fritzlarer Dom St. Peter bekannt ist und seitdem als Teil der Geschichte betrachtet wird.
Anmerkungen
1 Das Evangelium Christi.
2 Vater, Sohn und Heiliger Geist.
3 Gote; Germanisches Volk.