Des öfteren habe ich bei Lesern die rechtsgültige Aussage gehört, ein bestimmter Schriftsteller oder ein Buch sei langweilig. Uns allen ist es passiert, dass aus etlichen Gründen das Argument eines Romans nicht in den ersten Zeilen begeistert. Bei dieser Besonderheit münden viele Faktoren ein; von der Sprache, Beschreibung, bis hin zu Figur und Verzauberung.

Was aber passiert in Wirklichkeit, wenn der Leser ein Buch nach fünf Seiten des Lesens unterbricht? Bei unerfahrenen Lesern sind die Gründe meiner Meinung nach: die Überforderung aufgrund komplexer grammatikalischer Satzbauten, unbekannter Wörter oder falscher Interpretation der Metaphern. Durch all diese Hindernisse gehen sie, bevor sie einen Roman oder eine Kurzgeschichte fortsetzen. Wenn wir akribisch die Problematik analysieren, erkennt man den Impuls der Leser, eine richtige physische Orientierung innerhalb des Romans haben zu müssen. Der Beobachter bzw. der Leser empfängt die Informationen oft, je nach Autor, in einer übertriebenen Form des Abstrakten. Dieses Phänomen erschwert nicht nur die Einfühlung, sondern beeinflusst auch das Auffassungsvermögen beim Lesen.

Eine konkrete Technik, um den Beobachter in den ersten Seiten, oder vielleicht im ersten Abschnitt, erobern zu können, gibt es nicht. Es ist zu betrachten, dass der Leser eine reflexive Verbindung zwischen Raum und Geschehen im Roman aufbaut. Wenn der Romancier eine Aktion ohne „abtastbare“ Räumlichkeiten erschafft, ergibt sich der Verwaist-Effekt: ein einfühlsames Element ist in der Auskunftsübertragung nicht vorhanden. Es wird dazu führen, dass der Beobachter entweder sich die Lage selbst abbildet oder die Szene ohne Umgebung übernimmt. In beiden Fällen ergeben sich ungünstige Konsequenzen, die mit dem Aufhören des Lesens enden können.

Aber ist es wirklich für den Autor ein strategischer Vorteil, einen Raum zu beschreiben? Die Antwort ist „nein“ aber gleichzeitig „ja“. In der heutigen Zeit, in der bei jüngeren Generationen die visuelle Vorstellung eine wesentliche Bedeutung hat, ist es jedenfalls nicht nur eine Empfehlung, sondern auch eine klare Form, dem Leser die lokale Einheit der Aktion beschreiben zu können. Bei einer vollständigen Darstellung des Ortes profitiert der Romancier beispielsweise auch von bemerkenswerten Objekten, die sich im Raum befinden und in späteren Teilen des Werkes eine spezifische Aufgabe übernehmen. Im ersten Überblick werden sie aber gefasst bzw. dem Leser bekanntgemacht.

Eine detaillierte Beschreibung des Tatorts bedeutet auch sehr viel Arbeit. Allerdings nicht nur Arbeit sondern eine gewisse Empfindlichkeit des Romanciers, um gezielt den Raum mit den Gefühlen der Figuren und der Tat kettengleich zusammenzubinden. Nicht alle Autoren sind in der Lage diese Arbeit zu leisten, weil sie das Argument, Geschehnisse und Figurenprofile oftmals in die andere Richtung bearbeiten, nämlich die Richtung des Abstrakten. Es sind zwei verschiedene Arten eine Geschichte zu erzählen. Es wird auf der anderen Seite des Sprachrohrs nicht unbedingt die ursprüngliche vermittelnde Nachricht empfangen. Selbst wenn der Empfänger den Text mit analytischer Denkweise annimmt, ist das Vorhaben des Autors nicht garantiert, ihn in dem richtigen Ausmaß und Stärke ankommen zu lassen. An dieser Stelle müssen wir über zwei verschiedene Ebenen sprechen: der Absenderhorizont; Romancier und der Empfängerhorizont; Leser.

Der Absenderhorizont entspricht in Wirklichkeit den Pfeilen des Arguments und vor allem welche Elemente der Autor dafür einsetzt. Dieser Mechanismus ist relativ kompliziert und hängt bei jedem Roman von der Komplexität, Aufbau, Zeitkasten und Charakteristikum der Figuren ab. Grundsätzlich sollte eines von diesen Elementen den Empfänger ansprechen. Das bedeutet, dass im Empfängerhorizont mindestens ein Kriterium den Leser in der Geschichte beeindruckt. Dieses bricht das Eis in dem Sinn, dass er anhand einer Besonderheit noch einen dreidimensionalen, physischen Zusammenhang erfahren möchte. Dieser Zusammenhang ist der Raum. Da der Romancier ein Entertainer sein sollte, müsste er in der Lage sein, diese lokale Einheit mit allen möglichen Worten die es gibt, wiederzugeben, so dass der Empfänger im Laufe der Geschichte immer den Eindruck haben sollte, er habe immer noch nicht die Schlüsselinformation bekommen, und entdeckt das Feld des Tatorts erneut.

Im wahre Sinne des Wortes gibt der Raum dem Leser ein Gefühl außerhalb der sprachlichen Begriffe. Dieses fördert seine Konzentration und führt gerade auf das Gelände, in dem der Autor ausnahmsweise weitere Charaktere einbaut, die den Verstand des Lesers angreifen. Auch wenn diese Erklärung sehr kompliziert scheint, haben wir es alle irgendwann beim Lesen eines Romans erfahren. Der wahre Effekt wird beim Empfänger nicht als auffällig registriert; jedoch liest man weiter. Doch die Verbindung Raum-Ablauf-Gefühl prägt den Leser so stark, dass es für ihn entscheidend sein könnte.

Der Empfängerhorizont, die Wissensreichweite des Lesers, ist ein Spektrum, in dem seine Affinität für ein bestimmtes Thema durch die Figuren oder Elemente, die der Autor in den ersten Seiten ausarbeitet, erweckt wird. Dieses Erwecken löst einen gewaltigen Wirbelsturm innerhalb seiner Sinneswahrnehmung aus. Daraus verbindet der Leser die einfühlsame Wahrnehmung mit einem konkreten Raum, der eben vom Autor beschrieben werden soll. Sollte der Romancier diese Möglichkeit nicht nutzen, muss er mit einem stetigen Interessenverlust des Empfängers rechnen. Um Leser zu gewinnen gibt es keine konkrete Anweisung. Jedoch kann der Autor im Vorfeld eine Strategievorgehensweise entwerfen, damit die Beschreibung des Raumes die gewünschte Wirkungskraft erzeugt.