Der Existentialismus ist das Zentrum meiner Forschung.
Die Abstraktion ist die Sprache, durch die ich ihn zum Ausdruck bringe und dabei erforsche ich Themen wie Trauer, Erinnerung, Feier des Lebens, Existenz.
Die Ölmalerei und Zeichnung sind die Hauptmedien, mit denen ich meine Werke schaffe.
Künstler zu sein, ist meine einzige Weise, in meinem Leben zu existieren.

(Alessandro Barbarossa)

Die künstlerische Sensibilität von Alessandro Barbarossa lässt sich bereits aus diesen wenigen Zeilen entnehmen. Der aufmerksame Beobachter nährt sich durch seine Arbeiten von der Zartheit der Seele und der menschlichen Tiefe, die das innerste Ich des vielseitigen Künstlers charakterisieren.

Wir werden umhüllt und in eine transparente, saubere Welt versetzt, in eine „unschuldige”, fast naive Welt, in der viele von uns gern leben würden. Gleichzeitig jedoch konfrontiert uns Barbarossa mit den wirklichen Problemen des Lebens, aber nur, damit wir häufiger über die dramatische Realität unserer Tage nachdenken, die uns manchmal sogar zur Verzweiflung führt.

Er dagegen findet die Kraft, weiterzumachen und zu kämpfen. Er schätzt jede Seite unserer elenden Existenz dank der Kunst und ihrer Wirksamkeit, gibt dabei ein gutes Beispiel und überträgt die wahren Werte des Lebens, damit wir innehalten und öfter darüber aufrichtig nachdenken sollten.

Der Existentialismus von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir sowie die Barockmusik beeinflussen und inspirieren seine Malerei, die das Zentrum seiner künstlerischen Forschung mit den Projekten I’m trying to find Silence, Neuroimaging, Silence und The Picture of Dorian Gray bildet.

Alessandro drückt sich in der Zeichnung durch die Projekte The Simple Design, Mindfulness, Fibonacci, Children, Dame & Cavalieri, Napoli, Dekameron und andere aus. Die Konzeptkunst übermittelt er durch das im Internet lesbare Projekt The Secret Diary of Axel B sowie die Installation The Royal Blood of Women. The Secret Diary of Axel B wurde mit der Beratung von Cecilia Casorati erarbeitet.

Alessandro wurde 1973 in Neapel geboren. Seit immer an der Kunst in all’ ihren Formen interessiert, lässt er sich an der Universität Federico II in Neapel in Neuerer italienischer Literatur, mit historisch-künstlerischer Richtung für kulturelles Erbe einschreiben, setzt aber seine Ausbildung fort, indem er als Gasthörer die D.A.M.S. Universität in Bologna besucht.

Schließlich entscheidet er sich, Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Rom zu studieren und wählt den Lehrstuhl von Gianfranco Notargiacomo. Dario Evola ist der Gutachter seiner Magisterarbeit Informale, Esistenzialismo.

Künstlerisch wächst er zwischen Neapel, Bologna und Rom auf. Er erhält ein Stipendium aus dem Erasmus-Programm an der Akademie Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design in Halle an der Saale, in Deutschland, Lehrstuhl von Ute Pleuger. Später erhält er auch ein Stipendium für ein von der Europäischen Union finanziertes Kunstprojekt „Business-Kunst”. Nach dieser Erfahrung verlegt er sein Atelier nach Hamburg, in die Stadt, in der er derzeit lebt.

Wie bist Du dazu gekommen, ziemlich herausfordernde Themen wie den Tod, die Trauer, die Ausarbeitung derselben und das Sein nach dem Trauerprozess behandeln zu wollen?

Durch zwei Ereignisse bin ich dazu gekommen, diese Themen zu behandeln.

Der Tod meiner Mutter. Ein paar Jahre zuvor war mein Vater verstorben, aber ich durfte mich dem Schmerz nicht hingeben, weil ich das Gefühl hatte, dass es meine Aufgabe war, meine Mutter bei diesem Schmerz zu unterstützen. Ich musste die Energie für die ganze Familie aufbringen, um diesen Verlust zu bewältigen. Als aber meine Mutter starb, war es, als ob der erste und dieser Schmerz zu einem einzigen, immensen Schmerz verschmolzen wären, der mich überwältigte. Ich fühlte so tiefen Schmerz, weil ich von meinen Eltern so sehr geliebt wurde.

Atheist geworden zu sein. Als ich noch sehr jung Atheist wurde, begann ich, die verschiedenen Aspekte von Leben und Tod unter diesem neuen Gesichtspunkt zu überdenken. Für einen Atheisten bekommt das Leben einen anderen Sinn, und der Tod wird einfach der Abschluss des eigenen und unwiederholbaren Lebens. Diese Themen als atheistischer Künstler zu behandeln, war eine künstlerische Entscheidung, aber auch die Art und Weise, die Trauer, den Schmerz, die Erkenntnis und die Akzeptanz zu verarbeiten, dass sich mein Wesen verändert hatte, der Teil in mir, der mit meinen Eltern wegging. Dies geschah in meinem Verstand in einem sehr spontanen Prozess.

Du bist für die Gleichheit und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Daher sollten Männer und Frauen gleich behandelt werden, aber oft passiert dies immer noch nicht, und wir sind im Jahr 2021! Warum Deines Erachtens? Was machen wir gerade falsch?

Im Westen, nach einem ermutigenden und relativ schnellen Start, mit Ausnahme einiger skandinavischer Länder, schafft die gesetzgebende Gewalt es nicht, eine angemessene Anzahl von Gesetzen zu erlassen, die zur vollständigen Erreichung und Aufrechterhaltung dieser Gleichstellung und zur Korrektur des Ungleichgewichts geeignet sind. Folglich müssen Justiz- und Exekutivgewalt die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente vom Familienrecht bis hin zum Arbeitsrecht einsetzen.

Die Welt der Bildung, Schule, Universität und Arbeit folgt diesem Prozess und im besten Fall gibt sie ihr Bestes, im schlimmsten Fall profitiert sie von den Lücken und Mängeln, auch im Gegensatz zur Entwicklung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.

Die Zivilgesellschaft hat ihre Wachsamkeit aufgegeben, indem sie davon ausgegangen ist, dass die erreichten Rechte heil wären und dass diese den Weg für andere geöffnet hätten, aber dies ist nicht der Fall! Die erworbenen Rechte müssen von Generation zu Generation geschützt werden, um den Weg für andere zu ebnen. Die Tatsache, in einem Staat oder einer Zeit, in der es Rechte gibt, geboren zu sein und aufzuwachsen, bereitet die nächste neue Generation vor. Für den Nicht-Westen sind die Fakten für alle sichtbar.

Die Installation The Royal Blood of Women zeigt das einzige Blut, das jede Frau vergießen sollte, nämlich das Menstruationsblut. Denkst Du, dass Deine Botschaft klar ist und wie haben diejenigen, die sie gesehen haben, reagiert?

Dieses Werk ist wie die meisten zeitgenössischen Kunstwerke offen und hinterlässt ein breites Spektrum an Interpretationen. Nein, die Botschaft ist nicht klar, ich muss immer eine sorgfältige Erklärung dazu liefern.

Nach einiger Zeit, nachdem ich die Installation zeige, habe ich feststellen können, dass die Botschaft nicht eindeutig ist oder, besser gesagt, dass die Arbeit so offen ist, dass sie auf sehr unterschiedliche Weise verstanden und interpretiert werden kann. Sofort waren die Reaktionen der Besucher störend, ablehnend gewesen, und je nach Herkunftskultur der Person, die sich daran erfreute, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich.

Aber das, was ich wirklich erzielen wollte, war, dass die Leute sich vom Bild schockiert gefühlt und sich Fragen gestellt hätten, aber nicht nur: Was ist das für ein Kunstwerk? Was bedeutet es? Was möchte es mir sagen? Sondern vor allem später, von Angesicht zu Angesicht mit sich selbst: Wie hat sich jeder Mensch gegenüber diesem Naturereignis gestellt? Aber da es auch eine Metapher für das andere Blut ist, das eine Frau vergießt, von weiblicher Genitalverstümmelung bis hin zum Feminizid, ohne die vulgäre tägliche Schätzung und den außerplanmäßigen beruflichen Aufstieg zu vergessen, haben sich diejenigen, die davon profitiert haben, Fragen gestellt? Stört mein Werk mehr als ein verheiratetes Kind? Aber nach einem anfänglichen, fast allgemeinen Ärger, haben mich die meisten Menschen verstanden, und viele Frauen dankten mir.

Können wir uns noch vor dieser schwierigen und oft kleinlichen, falschen Welt retten?

Ja, wir können uns immer noch davor retten, da es so viel Schönheit auf der Welt gibt, um die Gemeinheit zu überwältigen, aber man muss sie sehen können. Es reicht schon aus, wenn man an die Schönheit der Blumen, an das Vogelgezwitscher, den Geruch des Meeres oder der frischen Bergluft, an die Musik und an die Lieder, an die Freude der Hunde, an das Lachen mit Freunden, an die Poesie, an die Freude der Feste, an das Kennenlernen von neuen Freunden denkt. Vor allem aber werden wir durch die Emotionen gerettet, die durch die Hoffnung entstehen, dass uns immer gute oder wichtige Dinge passieren können, zu jeder Zeit und in jedem Zustand des Lebens.

Du bist dabei, das Malprojekt Dekameron zu realisieren, eine Art Analogie zwischen Deiner Arbeit, nämlich einer Serie von 100 farbigen Zeichnungen, die Du verschiedenen Künstlern, Galeristen, Kritikern und Journalisten widmen wirst und jener des Boccaccio, eine direkte Verbindung zwischen der Geißel der Pest, die 1348 Florenz befiel, und der aktuellen Covid-19-Pandemie. Du hast ein leider aktuelles Thema ans Licht gebracht. Was ist Deine Botschaft bei dieser Arbeit?

Dekameron wurde zuallererst für mich geboren, für den Künstler, der in einem Moment der Angst und Verwirrung Hilfe brauchte, eine Tätigkeit, die mich die meiste Zeit der Tage während des Lockdowns beschäftigt gehalten hätte. In Schwierigkeiten muss man sich an sich selbst, an seinem tiefen Selbst, an der eigenen Identität, an denjenigen festhalten, die es vor uns besser und gut gemacht haben, und in diesem Fall, als Italien von der Pandemie und der Lächerlichkeit der Regierung anderer Staaten (und ich spezifiziere die Wörter Regierung und Staaten, nicht Menschen) befallen wurde, habe ich als Italiener, um nicht zu sinken, über meine Schultern geschaut und habe gesehen, dass es bereits jemanden gab, der auf seine Art und Weise eine ähnliche Situation wie meine erlebt hatte und der mir half, auf meine Art und Weise, die Covid-19-Pandemie zu bekämpfen. Das Studium der Neueren italienischen Literatur hat diese Assoziation sicherlich unbewusst beeinflusst. Ich habe Dekameron und die Medien benutzt, um meine Solidarität, eine Art virtueller Umarmung, anderen Künstlern, Galeristen, Kritikern und Journalisten zu senden, da ich genau wusste, was für eine Schwierigkeit wir in der Kunstwelt, einer der am verletzbarsten, dabei waren, zu erleben.

I’m trying to find Silence ist ein Malprojekt von Dir, das Du, soweit ich weiß, besonders liebst. Warum? Und was bedeutet Stille für Dich?

Ich liebe dieses Malprojekt, weil es mich zu einem Künstler, einem Maler gemacht hat. Es hat meinem künstlerischen, aber auch meinem Leben, einen Sinn sowie eine Richtung gegeben. Wenn ich diese Leinwände male und diese Werke mache, fūhle ich eine immense Freude, als würde ich zu einem Ort meines Geistes, in ein anderes Leben, in eine andere Dimension gehen. Die Stille in diesem Bildprojekt ist eine Verbindung mit dem Ganzen, mit der Zeit und dem Raum. Mein Geist ist im Frieden.

Welche Materialien verwendest Du am häufigsten, um Deine Kunstwerke zu schaffen, und mit welchen denkst Du, Dich am besten auszudrücken?

Die Materialien, die ich am häufigsten benutze, sind die gleichen, mit denen ich mich am besten ausdrücke. Die Ölfarben, die Marker, die Stifte, die gleichen Materialien, die ich seit meiner Kindheit verwende. Ich habe andere Materialien ausprobiert, die mir verständlich gemacht haben, welche die idealen waren, um zu realisieren, was in meinem Kopf war.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie hat Menschen und deren Tätigkeiten weitgehend gestoppt. Wie reagierst Du in dieser Zeit?

Das Atelier befindet sich in der Nähe von Zuhause, so dass ich mich wie immer um den kreativen Teil meiner Arbeit in Bezug auf Aufstellungen, Kollaborationen und alles andere kümmern kann, und ich bin dabei, alles, was möglich ist, ins Internet zu übertragen. Ich rufe diverse Freunde an, höre viel Musik, lese, habe fast alle Gerichte der ältesten Rezepte meiner Familie gekocht, schaue mir neue Filme an und sehe Filme aus der Vergangenheit wieder.

Stellst Du gerade aus?

Im Januar habe ich in Hamburg, ohne Vernissage, ausgestellt. Dabei habe ich die Schaufenster des Ausstellungsraums benutzt, die auf die Promenade des Fußgängerwegs blickten. Im Februar habe ich mittels Instagram und Zoom in einer Galerie in Los Angeles ausgestellt. Im März habe ich in Hamburg an einer teils realen, teils virtuellen Performance teilgenommen. Ich bin dankbar für die aktuelle Technologie, die mir erlaubt, diese Dinge zu tun.

Das Vergehen der Zeit, der Tod, die Trauer, die Gewalt gegen die Schwachen: Was macht Dir am meisten Angst?

Die Gewalt gegen die Schwachen ist für mich sicherlich inakzeptabel. Das Vergehen der Zeit, der Tod und die Trauer sind untrennbare Teile, welche die menschliche Natur ausmachen und mich daher nicht erschrecken.

Hast Du Angst vor dem Altwerden?

Nein, denn ich bin sehr wissbegierig, diese seltsame Sache, die das Leben ist, im Ganzen zu beobachten.

Nimm einen Bleistift, einen Wischer und ein leeres Blatt Papier: Was zeichnest Du mir?

Dein Einhorn.