In diesem sechsten wöchentlichen Rückblick schließen wir das Thema Benzin in Venezuela ab und untersuchen die jüngsten Maßnahmen der bolivarischen Regierung und die Perspektiven zu diesem Thema. Anschließend werden wir die politischen Ereignisse im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen Revue passieren lassen, von denen die Verlautbarungen der Opposition, in denen zur Stimmenthaltung aufgerufen wird, hervorstechen. Wie üblich verfolgen wir die Entwicklung der Covid-19-Pandemie in Venezuela und berichten diesmal über die Zunahme der Fälle.

Die Benzinfrage

Im ersten Teil dieser Serie verwiesen wir auf die Tatsache, dass Venezuela dank der Ölvorkommen ein wichtiges Straßennetz aufbauen und den Import von Benzinfahrzeugen und den Kraftstoff selbst teilweise subventionieren konnte. Wir stellten auch fest, dass Venezuela erst zum Ende des letzten Jahrhunderts über eigene Raffinerien verfügte aber die Technologie und die Zusatzstoffe, die für ihren Betrieb benötigt wurden, weiter in ausländischer Hand blieben, hauptsächlich in US-amerikanischer. Wir stellten auch fest, dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis die Treibstoffpreise deutlich gestiegen waren, obwohl in der gesellschaftlichen und politischen Debatte immer wieder eine Anpassung der Preise beschlossen wurde. Und schließlich, dass die einseitigen Sanktionen, die von der US-Regierung gegen die staatliche Erdölgesellschaft PdVSA (Petróleos de Venezuela S.A). verhängt wurden; zur Unterdrückung der technischen Hilfe, der Ausrüstung und der Zusätze zur Herstellung von Kraftstoffen führten, so dass es zu einem allmählichen und drastischen Rückgang des Kraftstoffangebots auf dem Staatsgebiet heute kommt, bei einem Bedarf, der auf 90.000 Barrel Öl pro Tag geschätzt wird. Diese Realität hat den illegalen Markt und die Einschränkung der Mobilität von Menschen und Gütern gefördert.

Ende Mai - zeitgleich mit der Genehmigung des Betriebs neuer wirtschaftlicher Aktivitäten im Rahmen der Präventionsstrategie gegen Covid-19 - kündigte Präsident Maduro ein duales Benzinpreissystem an, das darin bestand, die Tankstellen auf nationaler Ebene zu aufzuteilen. An etwa 200 (etwa 15% der 1368 bestehenden wird Benzin zum internationalen Preis verkauft, d.h. 0,5 US-Dollar pro Liter Benzin, und an den anderen wird der Kraftstoff weiter zum subventionierten Preis verkauft, d.h. 0,01 US-Dollar pro Liter (zum jeweils durchschnittlichen Wechselkurs der Woche). Während der öffentliche Verkehr und der Frachtverkehr, der Diesel verwendet, von jeder Zahlung befreit ist.

Zur gleichen Zeit waren bereits mehrere Schiffe mit Benzin aus dem Iran eingetroffen, und dank der technischen Hilfe dieses Landes und der Ölarbeiter konnten die beiden wichtigsten nationalen Raffinerien (Cardón und El Palito) wieder in Betrieb gehen.

Bisher hat die bolivarische Regierung noch keine offizielle Auswertung der Umsetzung der Maßnahmen vorgenommen. Sie hat lediglich kleine Anpassungen der Maßnahmen vorgenommen und für diese Woche wurden neue Ankündigungen erwartet. Diesbezüglich müssen wir jedoch feststellen, dass die Vorräte an importiertem Benzin inzwischen erschöpft sind und weder von staatlicher noch von privater Seite neue Lieferungen zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzuhalten, dass eine der Maßnahmen der Regierung zur Umgehung der verhängten Wirtschaftsblockade darin bestand, zum ersten Mal privaten Unternehmen die Einfuhr von Treibstoff zu genehmigen. Die Raffinerien konnten zwar ihren Betrieb aufgenommen, allerdings mit Schwierigkeiten, und ihre Produktion scheint weit davon entfernt zu sein, die nationale Nachfrage nach Kraftstoff zu befriedigen. Daher sind wieder einmal lange Warteschlangen beim Tanken zu beobachten, und die Wartezeiten bis zum Tanken können mehr als 48 Stunden betragen. Auf dem illegalen Markt kann ein Liter , in Gegenden, in denen das Defizit noch akuter ist sogar bis zu 2,5 US-Dollar kosten.

Heute besteht die Herausforderung also nicht nur darin, den Komplex der Kraftstoffproduktion auf Erdölbasis wieder aufzubauen, sondern auch die Energieversorgung zu diversifizieren, um die Mobilität von Menschen und Gütern zu gewährleisten. Dies beinhaltet auch die Rückgewinnung eines von Chávez geförderten Projekts zur Umstellung der privaten Fahrzeugflotte auf Erdgas. Venezuela verfügt über eine der größten Erdgasreserven der Welt, und seine Verarbeitung kann mit nationalen Ressourcen oder denen unserer Verbündeten wie Russland erfolgen. Darüber hinaus ist es auch eine Gelegenheit, den öffentlichen Nahverkehr als Priorität zu stärken, der auf alternativen Kraftstoffen - im Gegensatz zu denen fossilen Ursprungs - basiert. All dies hätte den zusätzlichen Nutzen der Reduktion der Schadstoffemissionen auf unserem Planeten.

Die Veränderung der Energieversorgung wird vom Zusammenwirken der Kräfte abhängen, die für umweltverträgliche Kraftstoffe günstig sind. Bisher werden in der Praxis weiterhin die Kraftstoffe vor allem auf Erdölbasis produziert und bereitstellt.

Die Opposition ist im Wahlprozess gespalten

In Bezug auf die venezolanische Wahlvorbereitung war diese Woche in den Nachrichten die Rede von mehreren relevanten Ereignissen. Zum Einen ging es um die Erklärung eines Teils der Opposition gegen Chavismo nicht an den Wahlen teilnehmen zu wollen. Juan Guaido sagte im Namen eines Bündnis namens G4, welches sich aus einigen Aktivisten der Acción Democrática und Primera Justicia und der Parteien Voluntad Popular und Un Nuevo Tiempo zusammensetzt, dass sie an den bevorstehenden Wahlen am 6. Dezember dieses Jahres nicht teilnehmen werden, da sie der Meinung sind, dass sie eine "neue Offensive" entwickeln müssen, ohne zu präzisieren, worin diese besteht. Sie beriefen sich dabei vor allem auf die Vertiefung des "internationalen Drucks" auf Venezuela. Das Außenministerium der USA erklärte dann auch unmittelbar die Unterstützung für die Entscheidung der Gruppe der Oppositionsparteien und Politiker innen.

Angesichts dieser Haltung versicherte eine andere größere Gruppe politischer Oppositionsorganisationen ihre Bereitschaft zur Teilnahme an den Wahlen und wandte sich gegen den Aufruf zur Stimmenthaltung. In diesem Zusammenhang muss klargestellt werden, dass sich die wichtigsten Parteien der venezolanischen Opposition gegen die Bolivarische Revolution viele Jahre lang geweigert haben, interne Wahlen abzuhalten, so dass ihre Führungen seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr neu gewählt worden waren. Kürzlich gingen mehrere Gruppen von Mitgliedern dieser Organisationen vor den Obersten Gerichtshof und beantragten dahingehend das Wahlrecht. Als Reaktion darauf ernannte der Oberste Gerichtshof Interimsführungskräfte und ordnete entsprechende Wahlen an. Daran werden wahrscheinlich die provisorischen Führungen teilnehmen, während die Vertriebenen weiterhin mit der Position Juan Guaidos übereinstimmen.

Auf der anderen Seite sagte Präsident Nicolás Maduro in einer Videokonferenz der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), dass

"wir das Modell der Kandidaten aufbauen" und informierte, dass 7.790.960 venezolanische Männer und Frauen in der PSUV registriert sind, und forderte, "eine kreative Wahlkampagne mit direkter Verbindung zum Volk zu entwickeln".

Präsident Maduro wies auch darauf hin, dass es das Ziel ist, "die perfekte Vereinigung des Großen Vaterländischen Pole Simon Bolivar von den Basen aus zu erreichen, um die Führung der Schlüsselsektoren in der Revolution zu fördern". Dazu trafen sich die Führungen der politischen Organisationen. In dieser Woche bekundeten jedoch einige Parteien (wie die Kommunistische Partei Venezuelas PCV) und Bewegungen innerhalb der Bolivarischen Revolution, eine "Revolutionäre Volksalternative" zu bilden, ein Gremium, das die Teilnahme an den Parlamentswahlen koordinieren würde ohne sich vorher mit der PSUV oder im Rahmen des Großen Vaterländischen Pols abzusprechen.

Rafael Simón Jiménez, einer der fünf Direktoren, die im vergangenen Juni vom Obersten Gerichtshof ernannt und vereidigt wurden; erklärte nach der gesetzgeberischen Unterlassung der Nationalversammlung diese Woche zurückzutreten. Er behauptete, dass er seine politische Mitgliedschaft in vollem Umfang ausüben wolle, obwohl er sich zu keiner bestimmten politischen Partei bekannte und zum Kampf gegen diejenigen aufrief, die zur Stimmenthaltung aufriefen. Angesichts seines Rücktritts ernannte und vereidigte der Oberste Gerichtshof einen neuen Direktor namens Leonardo Morales Poleo.

Was die Wahlagenda betrifft berichtete der Nationale Wahlrat, dass das ständige Wahlregister inzwischen veröffentlicht wurde und dass 20,7 Millionen Venezolaner*innen darin eingetragen sind, womit nun die Möglichkeit für politische Organisationen eröffnet wurde ihre als relevant erachteten Forderungen zu präsentieren. Desgleichen wurde verlautbart, dass vom 10. bis 19. August politische Organisationen ihre Nominierungen für die Parlamentswahlen bekannt geben können.

Die Entwicklung des Covid-19 in Venezuela

Bis zum 8. August wurden in Venezuela 24.961 Menschen mit Covid-19 diagnostiziert, von denen 13.356 (54%) bereits genesen sind. Von der Gesamtzahl der aktiven Fälle stehen 76% unter ärztlicher Beobachtung des Nationalen Öffentlichen Gesundheitssystems, da sie keine Symptome aufweisen, während der Rest an einer Form Art von Atemschwierigkeiten leidet (mehrheitlich aber nicht schlimm). Der Vizepräsident berichtete, dass 52.874 Tests pro Million Einwohner durchgeführt worden seien.

Wenn wir unser Land im globalen Vergleich betrachten, und zwar anhand des "Covid 19 Statistical Report" des venezolanischen Zentrums für Chinastudien vom 8. August können wir dem folgende Daten entnehmen:

  • Venezuela rangiert auf Platz 64 (letzte Woche war sie auf Platz 67) und hat 0,12% der diagnostizierten Fälle.
  • Bei den aktiven Fällen ist es auf Platz 34 gestiegen (letzte Woche war es auf Platz 54) und hat 0,24% der Gesamtzahl gemeldet, mehr als doppelt so viele wie 30/7.
  • Es steht auf Platz 79 (letzte Woche war es auf Platz 82) und hat 0,03% der durch das Virus getöteten Menschen gemeldet.

Die rasche Zunahme der bestätigten Fälle könnte die Maßnahmenstrategie der bolivarischen Regierung gefährden, die sich nach wie vor auf die am dichtesten besiedelten Gebiete des Landes wie Caracas und andere Großstädte konzentriert. In diesen Gebieten wird die Einhaltung der Quarantäne verstärkt überwacht und es sind weiterhin Mobilitätsbeschränkungen verordnet. Bis heute hat die bolivarische Regierung auch noch keine für diese Woche geplanten Einschränkungslockerungen bekannt gegeben.

Übersetzung von Achim Schuster.