Anna Uddenberg begann ihr Kunststudium an der Städelschule in Frankfurt und wechselte dann an die Königliche Akademie der freien Künste in Stockholm, wo sie 2011 ihren Abschluss machte. Neben ihren Einzelausstellungen nahm sie seitdem an zahlreichen wichtigen Themenausstellungen teil, unter anderem an der 9. Berlin Biennale, der Manifesta 11 in Zürich und einer Ausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam.

Uddenbergs Skulpturen und ihre räumliche Inszenierung – in dieser Ausstellung als eine Art Gesamtkunstwerk vorgestellt – wirken auf den ersten Blick verführerisch und schmeicheln durch Perfektion, Formen und Farbigkeit unseren Sinnen. Doch sehr schnell erkennt der Besucher, dass es der Künstlerin um weit mehr als die haptische Oberfläche geht, dass sie aus der Tiefe konzeptuell und visuell argumentiert.

Die Künstlerin beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Konventionen und Normen, mit unserer oft exzessiven Konsumkultur und hinterfragt stereotype Denk- und Sehgewohnheiten sowie unsere Vorstellung von mentaler und physischer Beweglichkeit. Sie analysiert Gesellschafts- und vor allem Repräsentationssysteme und untersucht dabei vor allem das Rollenmuster und -klischee von Frauen. Das „typisch Weibliche“ wird heute in den Massenmedien, vor allem aber durch die allgegenwärtige Bilderflut von Influencern in den sozialen Netzwerken definiert – unter Einbeziehung der ‚Feedbackschleife‘ der sozialen Medien analysiert die Künstlerin bestehende Ungleichheiten und Darstellungsmuster und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Geschlechterforschung.

Ihr Interesse an Femme-ininität als Figuration (gemeint ist nicht die vermeintlich naturgegebene Weiblichkeit des Körpers, sondern deren rollenkonforme Inszenierung) richtet sich besonders auf die geschlechterbasierten Ungerechtigkeiten und unausgewogenen Machtverhältnisse im Alltag. Gleichzeitig wird dabei die Vorstellung vom „typisch weiblichen“ Wesen (das beseelt ist von dem Wunsch, es allen recht zu machen, sich als aktive Zuhörerin anbietet und sich als flexibel, attraktiv und anpassungsfähig präsentiert) neu verhandelt undkünstlerisch aufgezeigt, welche neuen Denkprozesse angestoßen werden können, wenn diese Rollenmuster und -erwartungen auf absurde Weise überzogen werden.

Indem Anna Uddenberg bestimmte, gewöhnlich mit Komfort und Behaglichkeit assoziierte Komponenten, Strukturen und Klischeevorstellungen verfremdet, ironisiert und auf die Spitze treibt und so auch den Fetischcharakter von ‚Waren‘ betont, stellt sie konventionelle Lesarten von Weiblichkeit auf den Kopf und zeigt, dass diese Rollenzuweisungen/Codierungen hauptsächlich dem Vorteil anderer dienen und „Weiblichkeit“ noch immer mit Ausbeutung verbunden ist – hier sei auch auf die virale #MeToo Debatte verwiesen.

Uddenberg überzeichnet den weiblichen Körper, und sie verbindet Handgefertigtes mit Vorgefundenem (Readymades). Ihre stark überdehnten, scheinbar makellosen Figuren bieten ein fast akrobatisches Stillleben und ein dichtes, spannungsreiches Narrativ, das auch unsere völlig überzogenen Vorstellungen von Perfektion hinterfragt. Ihre visuell irritierenden und häufig verblüffenden Arbeiten halten der modernen Gesellschaft den Spiegel vor und fordern den Betrachter auf, die Normen und Werte unserer Zeit zu hinterfragen.

Der gleiche konzeptuelle Ansatz bestimmt auch die Werke Uddenbergs, die man auf den ersten Blick für ‚Sitzmöbel‘ halten könnte. Haptisch ansprechend, ästhetisch ausgefeilt und perfekt gefertigt, erweisen sich diese auf den ersten Blick Funktionalität, Komfort und Sicherheit suggerierenden Arbeiten bei näherem Hinsehen als verschlüsselter Extrakt ihrer Figurationen mit abstrakten Additionen – sie scheinen eine Reduktion geschlechtsspezifischer Darstellung zu sein und vertiefen die Auseinandersetzung der Künstlerin mit der Darstellung weiblicher Identität, die ihrem Schaffen zugrunde liegt. Im Zusammenspiel bieten Anna Uddenbergs Arbeiten im eigens gestalteten Ausstellungsraum ein überzeugendes Power Play.