Was verbindet die großen Segelschiffe des Barock (ca. 1575-1770) mit den Palästen Ludwigs XIV.? Die Ausstellung entführt Besucherinnen und Besucher in die ausdrucksstarke und formengewaltige Epoche des Barock und gibt überraschende Antworten auf diese zunächst ungewöhnliche Frage.

Aufgezeigt wird die Wechselwirkung von repräsentativen Schiffsgestaltungen und herrschaftlicher Gebäudearchitektur in Frankreich und welchen Einfluss diese auf die Leitmotive des Barock und seiner Spätform, des Rokoko, hatte.

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung der Schiffshecks, speziell im barocken Frankreich. Dort war der Schiffbau geprägt von strengen Organisationsstrukturen, hoch qualifizierten Künstlern und Wissenschaftlern sowie engen personellen Verbindungen zum Schlossbau. Exakt aus diesen Gründen lässt sich der Ursprung des Rokoko auf den Schiffbau Frankreichs zur damaligen Zeit zurückführen, so die These der Ausstellung.

Insbesondere die absolutistischen Herrscher wie der Sonnenkönig Ludwig XIV. und sein Nachfolger Ludwig XV. betrieben die Inszenierung ihrer Machtstellung mit großem Aufwand.

Dabei beschränkte sich ihre repräsentative Herrschaftsarchitektur nicht nur auf ortsfeste Bauten an Land. Auch die großen dreimastigen Segelschiffe wurden, insbesondere in ihrem weithin sichtbaren Heckbereich, nach Art einer Gebäudearchitektur entworfen. Aus dem bloß funktionalen, teils mit Dekor geschmückten Heckelement entwickelte sich eine regelrecht architektonisch gestaltete Schiffsheckfassade.

Mit dieser architektonisch geprägten Baukunst des Schiffes – der architectura navalis – begann ein neues Kapitel der Schiffbaugeschichte. Die Schiffe wiesen die für den Barock typischen Architekturmerkmale auf, die von Schlössern und Palästen bekannt sind: dreigeschossige Stockwerksgliederung, Erscheinungstüren und -balkone, Giebel, Portraitmedaillons, Risalite sowie Stütztrompen, Sockel und Verdachungen. Unsere interaktive Darstellung veranschaulicht diese Übertragung.

Durch eine Reihe kreativer Schritte wurden die architektonischen Bauteile und Gestaltungsprinzipien repräsentativer Gebäudefassaden auf den komplex geformten Schiffskörpern verwirklicht. Auch Dekorelemente, wie die früher schon auf Schiffen vorhandenen Muschelornamente, wurden in diesen Prozess einbezogen und besonderen Verformungen unterworfen.

In der Gegenrichtung zur Übertragung ortsfester Architektur auf Schiffe lässt sich für das Rokoko (Spätbarock) ein besonderer Rücktransfer vom Meer auf das Land rekonstruieren. Die aus der Schiffsarchitektur stammenden Asymmetrien, besonderen Gliederungen und Formgebungen – allen voran beim Motiv des Muschelrandes – hielten Einzug in die Innengestaltung repräsentativer Gebäude.

Auf 250 Quadratmetern sind hochwertige Schiffsmodelle, Kunstgegenstände, Entwurfszeichnungen und Architekturfragmente zu sehen.

Höhepunkte der Schau sind ein Spantenmodell aus dem 18. Jahrhundert, eine Riesenmuschelschale mit ca. 100 cm Durchmesser sowie die Reproduktionen eindrucksvoller Entwurfszeichnungen aus der Feder der bedeutendsten Schiffsgestalter Jean Bérain (1640-1711) und François-Antoine Vassé (1681-1736), die als Vorlagen für die realen Schiffe dienten.

Das Ausstellungsprojekt ist eine Forschungskooperation mit der RWTH Aachen.