Aleksandra Domanović (geb. 1981 in Novi Sad, Jugoslawien) entwickelt in ihrer Kunst einen forschenden Blick auf verschiedenste Phänomene unserer Gesellschaft(en): Auf Kulturtechniken, wissenschaftliche und technische Entwicklungen, Geschichte und Kultur, auf Populärkultur oder auf die Prägung nationaler und kultureller Identität. Ausgangspunkt ist dabei häufig der Blick auf die Geschichte und Gegenwart ihrer Heimat. Manche ihrer Arbeiten sind daher geprägt durch die eigene Biografie, geben aber ein universelles Beispiel für Untersuchungen zu nationaler und kultureller Identität, Individualität, kollektivem Bildgedächtnis und Erinnerungskultur. Ihre subtilen, feinsinnigen Werke sind präzise konzipierte Erzählungen, die durch die Nutzung von ikonischen Bildern oder Abbildungen, die aus anderen Kontexten kommen, visualisiert werden.

Aleksandra Domanović erinnert uns daran, wie schnell die Gesellschaft durch die Nutzung und Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technologien neue Gewohnheiten und auch eine neue Ethik annehmen kann.

(Rein Wolfs)

Für die Ausstellung Kalbträgerin in der Bundeskunsthalle entwickelt Domanović eines ihrer Themen, Bulls Without Horns weiter. Hier beschäftigt sie sich mit einer wissenschaftlichen Forschung, einem aktuellen Experiment von Alison Van Eenennaam in Davis an der University of California, in dem es um die Züchtung bestimmter Merkmale bei Rindern, wie das Fehlen von Hörnern, geht. Die Künstlerin überträgt dieses Thema – neben den präsentierten Farbfotografien der Protagonisten – auf Skulpturen, die sie mit Hilfe des Computers modelliert, im 3D-Druckverfahren herstellt und in synthetischem Gips abformt. Ihre ‚Votivstelen‘ aus Corian sind transformierte und abstrahierte Darstellungen des griechischen Moschophoros (Kalbträger) aus dem 6. Jh. v. Chr., der im sogenannten Perserschutt 1866 gefunden wurde – entstanden durch Aufräumarbeiten auf der Akropolis von Athen nach Plünderung und Zerstörung der Heiligtümer während der persischen Besetzung 480/479 v. Chr.

Ergänzt werden die rechteckigen, verschiedenfarbigen Stelen – als Stellvertreter für den Körper – durch stilisierte Arme und Hände, die eine Referenz an die Künstlerin darstellen und auf die sogenannte Belgrader Hand, die erste bewegliche Handprothese von 1963, verweisen. Sie tragen/halten das in Gips geformte Kalb auf der Schulter, bzw. an deren Stelle.

So verbindet die Künstlerin Wissenschaft und Kultur aus verschiedenen Epochen miteinander und hinterfragt subtil und poetisch Normen und Schönheit außerhalb von Normen, sowie Veränderungen in Strukturen und deren Auswirkung auf die Gesellschaft.