In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder die Tendenz, Wohnräume zu nutzen, die die Natur bereits vorgegeben hatte. Schon in der Urzeit entstanden Höhlenbewohner, deren zentrales Motiv der Schutz vor Schnee, Regen oder Hitze war. Diese ausgewählten Naturräume waren nichts anderes als eine frühe Urform späterer unterirdischer Wohnperspektiven von Visionären, die zu ihrer Zeit häufig belächelt oder nicht ernst genommen wurden.

Auch wenn im Laufe der Geschichte immer wieder unterirdische Räume errichtet wurden, dienten sie meist nicht dem Wohnen, sondern der Lagerung von Gegenständen – vor allem von Nahrungsmitteln. Die natürliche Isolation der Erde sorgte für konstante, niedrigere Temperaturen als an der Oberfläche. Der erste Architekt jedoch, der gezielt damit rechnete, einen dauerhaft bewohnbaren unterirdischen Lebensraum zu schaffen, war der US-amerikanische Architekt Malcolm Wells.

Seine Philosophie zielte im Kern darauf ab, Natur und Raum in Einklang zu bringen. Bereits bei der Entwicklung seiner ersten Projekte erkannte Wells, dass dieses Konzept weit über die Architektur hinausreichte und andere Fachbereiche berührte: Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen, Selbstversorgung, funktionale Abfallverwertung sowie Schutz vor klimatischen Veränderungen. In der Geschichte des Ökobaus gilt Malcolm Wells – neben Buckminster Fuller (USA), Sim van der Ryn (USA) und Frei Otto (Deutschland) – als einer seiner geistigen Väter. Sein Ansatz unterschied sich jedoch grundlegend: Er konzentrierte sich nicht primär auf einzelne Baumaterialien oder Bauverfahren, sondern auf das Leben im Raum selbst und auf die Beziehung zwischen Mensch, Architektur und Umwelt.

Der Raum, den Wells dabei in den Mittelpunkt stellte, ist der Untergrund. Für die Mehrheit der Menschen wäre ein dauerhaftes Leben unter der Erde kaum vorstellbar. Für Wells jedoch hatte diese Wohnform eine tiefere, rationale Bedeutung. In diesem Aufsatz können nicht alle Argumente ausführlich behandelt werden, doch sollen die zentralen Aspekte zumindest benannt werden. Wells strukturierte seine Philosophie in fünf bis sechs wesentliche Bereiche:

  • Nutzung natürlichen Lichts,

  • Schaffung sauberer Luft und sauberen Wassers,

  • Nutzung und Speicherung von Sonnenenergie,

  • Eigenproduktion von Nahrungsmitteln,

  • Verarbeitung eigener Abfälle (Recycling und biologisches Recycling ohne Kunststoffmüll).

In einigen dieser Bereiche – etwa bei der Nutzung und Speicherung von Sonnenenergie – bewegte sich Wells in Feldern, in denen er selbst kein ausgewiesener Fachmann war. Seitdem haben sich Wissenschaft und Technik jedoch erheblich weiterentwickelt, sodass sich heute das gesamte Spektrum seiner Philosophie sowohl für kleine Siedlungen als auch für einzelne Wohnhäuser realisieren ließe (Siehe Abbildung).

Gründe des menschlichen Wohlbefindens in dunklen Umgebungen

Menschen sind nicht gleich. Geschmack, Wahrnehmung und Bedürfnisse unterscheiden sich – sei es in Bezug auf Essen, Arbeit oder Wohnatmosphäre. Dass manche warme Farben im Wohnzimmer bevorzugen und andere kühle, sollte keine Frage der Bewertung sein, sondern eine Haltung des Respekts gegenüber individueller Wahrnehmung.

Tatsächlich gibt es Menschen, die unter Lichtempfindlichkeit leiden, während andere helles Sonnenlicht mit Erholung und Urlaub assoziieren. Lichtempfindlichkeit ist eine medizinisch bekannte Erscheinung, häufig verbunden mit Augentrockenheit oder neurologischen Störungen. Darüber hinaus existiert eine weitere Gruppe von Menschen, die unter dem Begriff der Reizüberempfindlichkeit gefasst werden kann. Für sie bieten dunklere oder gedämpfte Räume eine natürliche Reduktion der Reizflut und damit eine Entlastung des Nervensystems.

Weitere Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle: das Vermeiden von Überstimulation, das Gefühl von Sicherheit in geschützten Räumen, nächtliche Arbeitsrhythmen sowie die Ruhe, die Dunkelheit vermitteln kann. Aus dieser Perspektive entstand – wenn auch in begrenztem Umfang – eine Nachfrage nach speziellen architektonischen Lösungen. Aufgrund der geringen Zahl Betroffener blieb diese Nachfrage lange Zeit wirtschaftlich kaum wahrnehmbar. Dennoch verzichtet kaum ein Architekt vollständig auf Licht, da es traditionell mit Gesundheit und Lebensqualität assoziiert wird. Je höher der Anteil natürlich belichteter Räume, desto erfolgreicher gilt meist ein Entwurf. Dennoch entstanden unter unterschiedlichen fachlichen Begriffen Projekte mit reduzierter oder minimaler Belichtung:

  • gedämpftes Licht,

  • introvertierte Wohnräume,

  • reduzierte Fensterflächen und indirekte Belichtung,

  • sensorische Abschirmung.

Daraus lässt sich schließen: Die gesuchte Architektur existiert – wenn auch unter anderen Bezeichnungen.

Malcolm Wells’ Philosophie

Obwohl bereits bis in die 1920er-Jahre zahlreiche Gebäude über tiefe Kellerräume verfügten, wagten es Architekten und Ingenieure kaum, konsequent unterirdische Wohnbauten zu entwerfen. Deutschland bildete hier eine Ausnahme, allerdings aus einem anderen historischen Anlass: dem Zweiten Weltkrieg. Schutz, Verteidigung und das Verbergen wertvoller Güter – etwa von Kunstwerken – standen im Vordergrund. Viele dieser Anlagen entstanden in ehemaligen Bergwerken und zählen bis heute zu bemerkenswerten ingenieurtechnischen Leistungen.

Nach dem Krieg entwickelte Malcolm Wells – tausende Kilometer entfernt in Massachusetts – erstmals seine Gedanken zu einer neuen Raumphilosophie, die er selbst als „sanfte Architektur“ bezeichnete. Wells war überzeugt, dass die Erdoberfläche primär Pflanzen und der Natur vorbehalten sei, nicht jedoch Gebäuden, Straßen oder großflächigen Versiegelungen aus Beton und Asphalt.

Seine Vision bestand darin, Gebäude vollständig oder teilweise in die Erde einzubetten. Bauen verstand er als einen potenziell zerstörerischen Eingriff in die Natur. Seine provokante Antwort auf die damals vorherrschende expansive Stadtentwicklung fand zunächst nur wenige Anhänger, entwickelte sich jedoch zu einer Bewegung, die bis heute weltweit Resonanz findet. Zwar wird seine Grundidee heute oft unter dem Begriff Ökobau vermarktet, doch ist der Name Malcolm Wells selbst vielen kaum bekannt.

Erste Projekte: Vision oder Utopie?

Im Jahr 1970 errichtete Wells sein eigenes Atelier – eines der ersten erdüberdeckten Bürogebäude weltweit. Die Dächer waren mit Erde bedeckt, boten gute Isolation und verfügten über gezielte Lichtöffnungen. Sein zentrales Prinzip bestand darin, Gebäude in die Landschaft einzubetten, statt sie ihr aufzusetzen. Das Atelier in Cherry Hill, New Jersey, war bewusst in eine grüne Umgebung integriert, um sowohl energetische Vorteile als auch eine enge Verbindung zur Natur zu erzielen.

Bücher und akademische Tätigkeit

In den 1970er-Jahren rückte Wells durch die globale Ölkrise verstärkt in den gesellschaftlichen Fokus. Seine Ideen wurden nun nicht mehr nur als visionär, sondern zunehmend als notwendig wahrgenommen. Wells lehrte Umweltgestaltung, unter anderem an der Harvard University, und nutzte akademische Plattformen, um seine Konzepte weiterzugeben. Zudem hielt er Vorträge an verschiedenen Universitäten und Institutionen in den USA. Konkrete Archivdaten sind jedoch nur begrenzt verfügbar. Als wahrscheinliche Orte für Gastvorträge gelten unter anderem die University of Pennsylvania sowie Einrichtungen in Kalifornien, mit deren intellektuellem Umfeld Wells eng verbunden war.

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Der Boden: Technische Überlegungen zum unterirdischen Bauen

Wie bei jedem Bauvorhaben spielt auch beim unterirdischen Bauen der Boden eine entscheidende Rolle. Übliche Anforderungen betreffen Tragfähigkeit und Wasserdurchlässigkeit. Zwar ist das Eigengewicht unterirdischer Gebäude im Vergleich zu Hochbauten geringer, doch externe Faktoren – insbesondere Wasser – stellen ein erhebliches Risiko dar.

In Europa liegt der Grundwasserspiegel oft relativ nahe an der Oberfläche. Viele Bauprojekte erfordern daher aufwendige Abdichtungsmaßnahmen oder Grundwasserabsenkungen. Für unterirdische Gebäude gilt daher: Ein stabiler, ausreichend tiefer Grundwasserstand ist essenziell. Idealerweise ist das Bauwerk keinem dauerhaften Wasserdruck und keinen saisonalen Schwankungen ausgesetzt. Geeignete Böden sind insbesondere Sand, Kies oder durchlässiger Fels. Tonhaltige oder lehmige Böden gelten hingegen als problematisch, da sie Wasser speichern und langfristig Schäden an der Bausubstanz verursachen können.

Schlusswörter

Malcolm Wells gilt zu Recht als Vater der modernen erdumschlossenen Architektur. Seine Vision eröffnet eine alternative Wohnform, in der Architektur, Mensch, Natur und Energieeinsparung in ein neues Gleichgewicht treten. Auch wenn sich die einzelnen Fachbereiche seiner Philosophie inzwischen eigenständig weiterentwickelt haben, bleibt die Möglichkeit bestehen, seine ursprünglichen Konzepte in ganzheitlichen Projekten erneut zusammenzuführen. Die Ergebnisse solcher Versuche könnten zahlreiche Disziplinen bereichern:

  • Bauingenieurwesen und Betonforschung,

  • Architektur mit begrenzten Lichtquellen,

  • ökologische Versorgungssysteme und Landwirtschaft,

  • Recycling und Umweltverfahrenstechnik.

Die Zukunft wird zeigen, inwieweit Wells’ Vision nicht nur technisch umsetzbar, sondern auch dauerhaft lebensfähig ist – für den Menschen ebenso wie für die Natur.