Da ich in den letzten Monaten eine Reihe von Artikeln angekündigt habe, die ich zerstörten oder verschwundenen Bauten widmen werde, möchte ich an dieser Stelle erstmals über das Baumaterial und den Baustil dieser architektonischen Werke grundlegende Informationen erläutern. Zwischen dem XII und XX Jahrhundert galt der Ziegelstein (auch Backstein genannt) als beliebtes Baumaterial für die damaligen Megabaustellen wie Kirchen, Zentralsitze bestimmter Konzerne, Amtsgebäude und Konzertsäle. Seit seiner Erfindung verbreitete sich die Nutzung vor allem, weil Naturstein vielerorts schlecht verfügbar war. Wiederrum war Backstein in manchen Regionen teurer als Feldstein. Schon in der Antike und im Mittelalter wurden zahlreiche Konstruktionen mit dem Material gebaut. In Deutschland sind besonders drei Epochen relevant: die Renaissance, die Backsteingotik und der Backsteinexpressionismus (19 Jh. und 20 Jh.). Letzteres ist genau die Zeitlücke, bei der die meisten unserer Objekte bzw. Anlass unserer Artikel erbaut wurden. Und auch wenn die Verwendungsentwicklung des Baumaterials auf etliche Merkmale hinweist, ist meiner Meinung nach der Backsteinexpressionismus der Höhepunkt der Strömung, sowohl im Stil als auch in technischer Auffassung der Statik.

Der Backsteinexpressionismus, der sich in den 1920er Jahren in Deutschland bildete, war im Grunde genommen nichts anderes als die perfekte Mischung zwischen Kunst und Handwerk im Baubereich. Die Fassaden drückten eine geometrische Harmonie aus und gleichzeitig hatte die entwickelte Fertigstellung des Backsteins, denn es hatte einen längeren Prozess gebraucht bis er im richtigen Format hergestellt wurde, ihre Blütezeit mitten in der Bauhauszeit. Der deutsche Architekt Fritz Schumacher war der wichtigste Förderer des Baustils und selbst Entwerfer mehrerer Häuser und Gebäude in Hamburg. Jedoch sind auch z.B. Fritz Högers, Hans Poelzig und Karl Elkart für Kultgebäude und fast komplette Stadtteile in großen Städten Norddeutschlands verantwortlich. Ihre unvergleichbaren Entwürfe revolutionierten die Funktionalität des Gebäudes und verliehen deren Bewohnern Komfort und Lebensqualität. Bei den Fassaden spielte der Kunstcharakter eine große Rolle. Die Backsteinreihen, oft nebeneinander gestellt, bildeten geometrische Figuren oder Muster, die mit der Nutzung des Gebäudes, dem Bauherrn oder der Stadt verbunden waren. Auch waren Bauplastiken aus Klinkersteinen, echte Skulpturen, an den Fassaden angebracht. Das mittlere Format ließ die Motive aus weiter Entfernung erkennen. Ein Beispiel davon sind die Häuser in der Böttcherstraße in Bremen, bei denen die Klinker sich in einem gewissen Farbton – in die Rotrichtung – behaupten. In diesem Fall waren an den Reihen raue Klinker verwendet worden, deren Oberfläche einen speziellen Lichteffekt erreichen sollte. Architekten versuchten durch bestimmte Kettung der Steine visuelle Licht und Schatteneffekte dementsprechend mit Rauheit oder Glasur zu erschaffen. Hierzu war es nötig, dass die dafür verantwortlichen Klinkerreihen mal immer anders glänzen mussten. Um eine perfekte Leistung daraus zu ziehen, wurden die Klinker durch die Tonmineralen und unterschiedlich hintereinander befeuerten Ringöfen bei der Herstellung anders gefärbt. In Wirklichkeit durften Architekten durch die Zusammensetzung der Ziegelfarbtöne zwischen hell und rötlich - violett, grau, blau bis hin zu Gelbtönen, je nach Anteil an Eisen, Kalk, Sauerstoff, Oxidation - indirekt abhängig vom Brennverfahren und Brenntemperatur – schlichte Gebäude und inspirierte Fassaden entwerfen. Dank der Industrialisierung gelangen den Klinkerfabrikanten diese Farbvarianten, ohne Dichte und Luftporenanteil zu vermindern. Auch fokussierten sie ihre Bemühungen, um Sonderformate zu produzieren, Bauplastiken oder Terrakotta Reliefs wie z.B. das Rote Rathaus und das Ullsteinhaus (beide in Berlin).

Die monumentalen Bauten mussten aber im Zusammenhang mit Stil und Bauabwicklung einer punktuellen Statik-Entwurfsplanung folgen. Gebäude wurden mit einem Stahlskelett erbaut, deren Säulen - meist Stahlprofile – mit Klinkern verkleidet wurden. Dieses Verfahren schuf in den inneren Räumlichkeiten eine besondere Atmosphäre, beispielsweise Innenhöfe. Sie erhielten den gleichen Charakter wie die Fassade, was im gesamten architektonischen Konzept mehr als eine Einheit bedeutet, denn auf den Arkaden, inneren Wänden oder Säulenflächen - egal ob quadratisch oder rund - wurden Motive oder Figuren weiter thematisiert. Hiermit möchte ich den Bibelgarten in Bremen erwähnen. Er ist fast unauffindbar, liegt allerdings zwischen den Gemäuern des Konzerthauses Die Glocke auf der rechten Seite des Doms. Der Garten ist auch im Bausteinexpressionismus (1920) erbaut worden und befindet sich hinter einer Schlucht. Die rechte und hintere Seite des Bibelgartens sind mit gotischen Bögen aus Klinkern umrahmt, was ihnen einen historischen Charme leiht. Über das Thema sind noch viele andere sachliche Genauigkeiten, mit Sicherheit in einem anderen Text, zu erwähnen. Architekten, Tendenzen, Pioniere, Erfindungen, Gebäude und Ziegelformate sind nur ein Bruchteil der magischen Zeit des Backsteinexpressionismus.