Die Galerie Eva Presenhuber freut sich, Zeichnungen und drucke / Drawings and prints päsentieren, eine Gruppenausstellung, die sich mit verschiedenen Ansätzen der Zeichnung und des Drucks befasst und die Vielfalt und Versatilität dieser Techniken auf verschiedenen Papiersorten und Holz zeigt.

In seiner zeichnerischen Praxis greift Joe Bradley (geb.1975 in Maine, ME, USA) auf ungewöhnliche Materialien zurück, wie etwa Kartonreste, loses Papier und Haftnotizen. Ein zentraler Aspekt seiner Arbeit liegt im Fokus auf den Prozess selbst, auf den intuitiven Bewegungen seiner Hand sowie auf dem Zusammenspiel von Material, Erinnerung und Umgebung. Obwohl die Zeichnungen vage vertraut wirken – sie erinnern an Kinderzeichnungen, Comic-Skizzen, Höhlenmalereien oder Ideogramme – scheinen diese Kritzeleien keine offensichtliche Bedeutung zu beinhalten. Vielmehr erforschen sie die Implikationen des kreativen Aktes an sich. In vielerlei Hinsicht fungiert Bradley hier als Spiegel der Kunstwelt, indem er humorvoll die sich ständig verändernden Trends der jüngeren Kunstgeschichte reflektiert.

Carroll Dunham (geb. 1949 in New Haven, CT, USA) verwendet einfache Linien und Formen, um außergewöhnliche Bilder mit meist sexuell aufgeladenen Motiven zu schaffen. Bei den beiden ausgestellten farbigen Monotypien (2016) malt er direkt auf Holz, das dann später als Druckplatte dient. Dabei nutzt er die Textur des Holzes als Vorstruktur, indem er Astlöcher gezielt umrundet oder bestimmte Linien des Holzes hervorhebt. Die Körper seiner Figuren reagieren auf die hölzerne Textur und das Astloch ergibt einen Anus und die feine Holzstruktur eine Vagina. Untitled (2021) zeigt seine Figuren in der Mitte eines gezeichneten und zentrierten Rahmens. Die Glieder beider Figuren ragen über die Grenzen der Leinwand hinaus und fordern uns auf, uns vorzustellen, was jenseits des Rahmens liegt. Die Figuren blicken nach unten oder weg und stemmen sich gegen den starren Körper des Gegenübers. Obschon Dunham uns Sex zeigt, haben seine Gemälde und Zeichnungen nichts mit Begehren zu tun.

Alex Hank (geb. 1973 in Mexiko-Stadt, MX) schafft in seiner Serie von überlebensgroßen Porträts junger Männer Graphitzeichnungen auf Birkenholz, das er aus der Umgebung seines Chalets in den Schweizer Alpen bezieht. Das Birkenholz betont die Männlichkeit der Dargestellten, während das Graphit ihre Zartheit und Spontaneität einfängt. Inspiriert von der Direktheit von Arbeiten auf Papier, wählt Hanks hier Holz, um den Zeichnungen mehr Präsenz und Körperlichkeit zu verleihen. Die attraktiven Männer wirken zugleich frech, überlegen und verletzlich. Ihre Schönheit ist sowohl oberflächlich als auch introspektiv, durchzogen von einer Dorian-Gray-ähnlichen dunklen Seite. Hank fordert uns auf, hinter ihre Maske zu blicken, jedoch ohne sie jemals vollständig entlarven zu können.

Im Gegensatz zu ihren Gemälden entstehen die Zeichnungen von Shara Hughes (geb. 1981 in Atlanta, GA, USA) nicht im Atelier, sondern in einer entspannten Umgebung zu Hause. In dieser privaten Atmosphäre arbeitet Hughes mit einer Vielzahl von Materialien – Tusche, Aquarellfarben, Markern, Buntstiften, Ölpastellkreiden und Lackstiften. Die Beschaffenheit dieser Materialien lässt wenig Raum für Änderungen, sobald die Farbe aufgetragen ist, weshalb jede Zeichnung in einer einzigen Sitzung abgeschlossen wird. Diese direkte Arbeitsweise, kombiniert mit der Intimität des privaten Umfelds, erlaubt es der Künstlerin, noch tiefer und radikaler aus ihrem Inneren zu schöpfen. Sie sagt: „Ich betrachte meine Zeichnungen oft als Teil eines fortlaufenden Prozesses, der nie endet. Ich glaube, die Zeichnungen sind eher eine Freisetzung meines Unterbewusstseins als etwas, das vollständig geformt ist. Sie werfen Fragen auf, anstatt Antworten zu geben, und das ist die Art von verletzlicher Kante, nach der ich suche“.

Die Herangehensweise von Tobias Pils (geb. 1971 in Linz, AT) an das Zeichnen hat sich in den letzen Jahren von einer täglichen Routine zu einer gelegentlichen Praxis gewandelt. Anstatt ausschließlich im Atelier zu arbeiten, zieht er es nun vor, in unterschiedlichen Umgebungen zu zeichnen – zu Hause in den ruhigen Stunden nach dem Zubettgehen seiner Kinder, im Lagerraum seiner Galerie oder sogar während des Urlaubs. Seine Zeichnungen mit Tusche reflektieren meditativ, gar emotional, über bereits vollendete Gemälde. Im Gegensatz dazu sind seine kleineren Bleistiftzeichnungen Entwürfe, architektonische Skizzen und Notizen für zukünftige Arbeiten, die eine distanziertere, analytische Qualität aufweisen. Für Pils geht es beim Zeichnen vor allem darum, die richtige Stimmung, das richtige Tempo und die passenden Proportionen zu finden. Die Gedanken hierbei wie flüchtige Schwaden vorbei, angetrieben von einem intensiven Bedürfnis. Die Linien nehmen dabei die Form von Adern an, die eine Verbindung zu etwas Vergangenem und dennoch Gegenwärtigem herstellen.

Die mit Tusche gezeichneten und geschriebenen Tagebücher von Ugo Rondinone (geb. 1964 in Brunnen, CH) spielen seit 1992 eine wichtige Rolle im Schaffen des Schweizer Künstlers. Sie sind als ein ganzes Jahr umspannende Notationen mit Titeln wie 1992, 1993, 1994, 1995 und 1996 konzipiert, wobei sowohl die Evokation der tatsächlichen Ereignisdauer als auch der Inhalt fiktiver und literarischer Natur sind. In seinen formal an Underground-Comics angelehnten Blättern vermischt Rondinone Fiktion mit Metaphern der Authentizität und führt Leserin und Betrachter in die „einsamen“ Räume und Zeiten eines Erfahrungsberichts, der die Grenzen alltäglicher Erfahrung auslotet, aushält, manipuliert und stilisiert: Langeweile, Schwärmerei, Liebe, Scheitern, Sprachlosigkeit, Ereignislosigkeit und Exzessivität.

In ihrer Serie Homebodies, die als Fenster in die Wohnung fungieren, untersucht Tschabalala Self (geb. 1990 in Harlem, NY, USA) die psychologische Bedeutung des häuslichen Raums, der als Metapher für ein allgemeines Gefühl der Innerlichkeit dient. Der Name der Serie ist ein umgangssprachlicher Begriff für eine introvertierte Person, die es vorzieht, in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Dies unterstreicht die inhärenten Spannungen in häuslichen Umgebungen, in denen gesellschaftlich vorgeschriebene Identitäts- und Geschlechterpolitiken noch immer unsere so genannten „sicheren Räume“ ausmachen. Gruppierungen intimer Vignetten, wie in Lonely girls #2, stellen Selfs Chor imaginärer Charaktere in häuslichen Szenen dar.

Die neuen Zeichnungen von Steven Shearer (geb. 1968, New Westminster, CA) weichen von seinen üblichen fotobasierten Studien ab, indem sie einen automatischen Zeichenansatz verfolgen, bei dem kein Ausradieren oder Überarbeiten stattfindet. Die Pastellkreidezeichnungen, die in einer einzigen Sitzung entstanden, zeichnen sich durch schnelle, abrupte Bewegungen und kantige Linien aus, was zu verkürzten, expressiven Darstellungen führt. Die Serie gliedert sich in zwei Gruppen: eine zeigt skulptural wirkende Büsten mit leeren Augen, die andere zeigt frontale Figuren, die mit Gesichtsbemalung und Kopfbedeckungen mit mehreren Augen versehen sind. Diese Kopfbedeckungen erinnern an mythische oder religiöse Darstellungen und verwischen die Grenzen zwischen den Figuren und ihren Verzierungen. Wiederkehrende Motive, wie etwa anthropomorphisierte Landschaften, treten subtil in den Kompositionen auf und verstärken die traumhafte, vielschichtige Qualität von Shearers sich weiterentwickelnder Auseinandersetzung mit dem männlichen Porträt.

Die Praxis von Josh Smith (geb. 1976 in Okinawa, JP) zeichnet sich in vielerlei Hinsicht durch die unermüdliche und vielseitige Produktivität des Künstlers aus, die besonders in seiner Nutzung von Druckmedien zum Ausdruck kommt. Jede Druckgrafik, Monotypie oder Künstlerbuch sind dabei kein Endpunkt sondern vielmehr eine Etappe in einem kontinuierlichen Prozess der Bildproduktion, in dem Motive und Materialien durch verschiedene Verfahren immer wieder recycelt, verfeinert und neu interpretiert werden. Die hier gezeigten Monotypien stammen aus einer malerischen Drucktechnik. Diese Auswahl veranschaulicht, wie Smiths grafisches Werk die Wiederholung als Mittel nutzt, um wiederkehrende Themen zu erforschen und zu hinterfragen. „Jedes Werk impliziert, dass es noch andere gibt“, schreibt Smith über seine Praxis. „Ich versuche, so viel wie möglich vom Inhalt zu entfernen, damit der Betrachter nicht nach einer Bedeutung suchen muss. Man muss nicht auf ein einziges Element starren und versuchen, es zu verstehen. Das, was vor mir liegt, ist das, was ich gerade betrachte.“