Die Frühjahrsausstellung des MASI Lugano, Ferdinand Hodler - Filippo Franzoni, erinnert an eine bedeutende Künstlerfreundschaft, welche für Schweizer Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielte. Denn Ferdinand Hodler und Filippo Franzoni waren nicht nur personlich befreundet: Ihr umfassender malerischer Dialog wird in der Ausstellung durch eine reiche Auswahl bedeutender Werke beider Maler aus wichtigen ôffentlichen und privaten Sammlungen erstmals ausführlich dokumentiert.

Während die zentrale Rolle Ferdinand Hodlers (Bern, 1853 - Genf, 1918) für die Kunst des internationalen des Symbolismus international unbestritten ist, bleibt die Figur Filippo Franzonis (Locamno, 1857 - Mendrisio, 1911) ausserhalb der italienischen Schweiz noch weitgehend unbekannt. Geboren in Locarno in eine bürgerliche Familie mit liberalen Ideen, bildet sich Franzoni an der Akademie der Schônen Künste (Brera) in Mailand aus. Hier empfängt er Inspirationen der Malerei der italienischen «Scapigliatura»-Bewegung, und zurück in Locarno ist er einer der wenigen Einheimischen, die Kontakt zur Kolonie des Monte Verità in Ascona pflegen. Ab 1890 beginnen sich die beruflichen und privaten Wege von Hodler und Franzoni éfters zu «reuzen. Gemeinsam nehmen beide aktiv an Jurys und wichtigen nationalen und internationalen Ausstellungen teil und werden so auch zu Protagonisten eines ersten, authentischen kulturellen Austauschs zwischen den verschiedenen Sprachregionen des Landes. Mit der Generation von Franzoni vollzieht sich eine Neuorientierung der Tessiner Kunstwelt, War diese bislang ausschliesslich nach ltalien und insbesondere nach Mailand orientiert, beginnt sich dies nun sowohl künstlerisch als auch kunstpolitisch zu ändern, und die Tessiner Künstlerschaft nähert sich der Schweizer Kunstwelt an.

Die Ausstellung ist als ein dialogischer Vergleich strukturiert; sie präsentiert 80 Gemälde der beiden Maler, entstanden zwischen 1870 und 1911, dem Todesjahr Franzonis. Protagonistin dieses bisher unentdeckten künstlerischen Dialogs st vor allem die Schweizer Landschaft mit ihren wechselnden Stimmungen und Atmosphären. Ferdinand Hodler revolutionierte die Darstellung der Landschatt. Er betrachtet sie nicht nur als stimmungsvolle Abbildung, sondern auch als Tragerin spiritueller und symbolischer Botschaften. Seine wuchtigen, stilisierten Darstellungen, seien es Alpengipfel oder Genfersee-Landschaften, reduzieren Formen und Farben auf das Wesentliche und machen die Landschaft zu einem universellen Symbol für Zeit, Raum und Ewigkeit. Bei diesem Schritt der symbolischen Überhôhung der Landschaft begleitete Hodler von seinen Schweizer Zeitgenossen vor allem ein Maler: der Tessiner Filippo Franzoni. Eine besonders auffällige Entwicklung, die in der Ausstellung durch Schlüsselwerke wie Genfersee am abend von Chexbres aus von Hodler und das imposante Maggia-delta von Franzoni dokumentiert wird. Aber auch von Hodlers Landschaftsbildern vom Typus der paysage intime sind einige in Locarno entstanden, an von Franzoni geliebten und Hodler empfohlenen Orten.

1895 markiert einen Wendepunkt im Schaffen von Hodler und Franzoni. Beide gewinnen den zweiten Preis beim Concours Calame in Genf mit einem ihrer bedeutendsten Werke. Hodler präsentiert die erste Version des Genfersees am Abend von Chexbres aus gesehen, mit der er eine besonders erfolgreiche Landschaftsform ins Leben ruft: die elliptische Komposition. Mit «Maggia- Delta» schafft Franzoni seinerseits sein bekanntestes grossformatiges Gemälde: eine Ansicht des Lago Maggiore, gesehen vom Ufer in Richtung des Bosco Isolino. Die Präsenz der türkisblauen Farbe umhüllt sowohl den See als auch die Berge am gegenüberliegenden Ufer des Gambarogno und verleiht der Landschaft eine Tendenz zur Abstraktion. Das Werk, mit dem er sich endgültig einen Namen bei seinen Kollegen und der Kritik im Ausland macht, wird in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, darunter die Pariser Weltausstellung von 1900.

Schliesslich entwickeln sich die symbolistischen Werke der beiden Künstler in gegensatzliche Richtungen. Während bei Hodler kler die Tendenz zur monumentalen Interpretation idealistischer Themen hervortritt, die ihn auf europäischer Ebene bekannt machen wird, zeigen die letzten mythologischen Gemälde von Franzoni seine immer düsterere und introspektivere Forschung, geprägt durch seine Erkrankung und die immer schwierigeren Lebensverhältnisse.