Die vierziger Jahre standen unter einem schlechten Stern: 1939 war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. Argentinien allerdings blieb, ebenso wie schon im Ersten Weltkrieg, neutral – so konnte das Land weiterhin seine internationalen Handelsbeziehungen pflegen.

Um zu verstehen, warum die vierziger Jahre als „época de oro“ des Tango gelten, muss man wissen, was damals in Argentinien vor sich ging. Welche Ereignisse sorgten dafür, dass nicht nur eine volkstümliche Musik namens Tango einen Höhepunkt erlebte, sondern auch zum Beispiel der Fußball? Die Fußballstadien barsten damals schier vor Menschen. In den Räumlichkeiten der Fußballclubs gab es Milongas mit über fünftausend Besuchern.

Mitte der vierziger Jahre endete in Argentinien die „década infame“ (das „berüchtigte Jahrzehnt“), die erste Diktatur des zwanzigsten Jahrhunderts, die 1930 mit einem Militärputsch begonnen hatte.

Neuer Präsident wurde Juan Domingo Perón, der von der Arbeiterklasse verehrt wurde und die Massen zu mobilisieren verstand. Die vierziger Jahre waren das Jahrzehnt des Wirtschaftswachstums und des Aufstiegs der Gewerkschaften. Die sozioökonomischen Veränderungen nahmen große soziopolitische Veränderungen vorweg. Der Weltkrieg bescherte der Industrialisierung Argentiniens einen gewaltigen Sprung nach vorn. Zahlreiche neue Fabriken entstanden, die meisten davon in den Vorstädten von Buenos Aires, wo auch mehr als die Hälfte der Arbeiter wohnten. 1943 überstieg der Mehrwert der Fabrikerzeugnisse zum erstenmal den der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, und Mitte der vierziger Jahre arbeiteten über eine Million Menschen in den Fabriken. Um die inländische Produktion zu fördern, wurde die sogenannte „importsubstituierende Industrialisierung“ (ISI) eingeführt. Der interne Markt sorgte schließlich für ein starkes Anwachsen der Mittelschicht.

Der Tango, eine volkstümliche Musik, entwickelte sich im Einklang mit der Gesellschaft, die ihn hervorgebracht hatte, zu einem Tanz der Massen. Und Juan D’Arienzo war der Musiker, der mit seiner Musik die ganze Stadt Buenos Aires zum Tanzen brachte.

D’Arienzos Orchester verkaufte mehr Schallplatten als alle anderen Tango-Orchester zusammen. Allein von dem Stück „La Cumparsita“ wurden während der „época de oro“, als nur ein Stück pro Seite auf eine Schallplatte passte, 14 Millionen Exemplare verkauft.

In der damaligen Zeit war es in Buenos Aires schwierig, einer Person ihre gesellschaftliche Stellung anzusehen, denn die Mittelschicht hatte es zu großem Wohlstand gebracht. Es war nichts Außergewöhnliches, dass in einem eleganten Restaurant eine Stenotypistin an einem Tisch ihr Mittagessen zu sich nahm, während an einem anderen eine Dame aus adeligem Hause speiste. Die Herren trugen damals immer Anzug und das Haar pomadisiert, und die Damen kleideten sich elegant und nach der neuesten Mode. Zu diesem Thema schrieb der Kinderarzt, Autor und Journalist Florencio Escardó:

Kein Porteño wird sich jemals an irgendeinem Ort unwohl fühlen, denn in Buenos Aires gibt es kein Kriterium für Exklusivität, weder die Geburt noch Reichtum noch intellektuelle Tradition; allen steht alles offen, und höchstes Ansehen verleiht einzig eine republikanische Gesinnung. Diese gelebte Demokratie ist vielleicht die größte moralische Leistung der Stadt...

Als der Pianist Fulvio Salamanca im Alter von achtzehn Jahren bei D’Arienzo anfing, spielte das Orchester Abend für Abend im Chantecler auf. „Wir waren jung, wir glaubten, das Orchester gehörte uns, und wir probten ununterbrochen“, erinnerte er sich. „Die Reihe der Bandoneons war wie eine stampfende Maschine.“

Das Gebäude, in dem das Chantecler sich befand, war speziell als Theater errichtet worden. Es gab einen Haltebereich für Autos, so dass Besucher direkt vor dem Eingang aussteigen und das Theater betreten konnten, wo sie von einem Portier empfangen wurden. Der Portier, ein dunkelhäutiger Mann in einem einem eleganten Gehrock mit goldenen Knöpfen und einer Kappe, auf der der Name Chantecler prangte, verwandelte sich später am Abend in den Conférencier, der das Orchester ankündigte. Sein Name war Sanchez Carreño, aber die Leute kannten ihn nur unter seinem Spitznamen „Príncipe cubano“ (kubanischer Prinz), den die Hausherrin ihm verpasst hatte, und der „Prinz“ war es wiederum, der Juan d’Arienzo seinen Spitznamen „Rey del Compás“ (König des Rhythmus) verlieh. Als hätte er sich gesagt: „Wenn ich ein Prinz bin, dann sind Sie, Maestro, der König... des Rhythmus.“

Niemand wusste, ob der kubanische Prinz tatsächlich aus Kuba stammte, aber irgendwann kam heraus, dass Sánchez Carreño im März 1880 in einem Vorort von Buenos Aires geboren war.

Juan d’Arienzos Orchester war zwar die große Attraktion im Chantecler, aber es gab auch andere Vorstellungen, in denen Akrobaten, Zauberer, Verwandlungskünstler auftraten, ja, das Theater verfügte sogar über ein beheiztes Schwimmbecken, wo die Leute ihre Schwimmkünste zeigen konnten. Das Chantecler bot alles, was man von einem guten Zirkus erwarten konnte. Es gab eine Bar mit einer langen Theke, drei Tanzflächen, eine große Bühne und ungewöhnlich geräumige Logen. Besucher konnten in ihren Logen trinken, essen und sogar tanzen, und auf dem Tisch stand ein Telefon, mit dem Bestellungen aufgegeben werden konnten. Vorhänge aus schwerem, roten Pannesamt sorgten für die nötige Privatsphäre. „Zwischen diesen roten Samtvorhängen“, so heißt es in einem Tango von Cadícamo, „in einer deiner hohen Logen, die es längst nicht mehr gibt, zeigte sich jedesmal Madame Ritana, behangen mit Juwelen, in der Hand ein Glas Champagner.“ Madame Ritana und ihr Mann Amadeo Garesio waren die Eigentümer des Chantecler. Der aus Korsika stammende Garesio war ursprünglich nach Buenos Aires gekommen, um sich dort als Trapezkünstler durchzuschlagen. Es heißt, dass das Ehepaar in Buenos Aires mehrere Bordelle betrieb, und dass die Ritana, im Milieu unter dem Namen „Jeannette“ bekannt, um 1915 eine Affäre mit einem gewissen Carlos Gardel hatte, der zu der Zeit fünfundzwanzig Jahre alt war. Die Frau soll sagenhaft schön gewesen sein.

Im Chantecler arbeiteten hübsche junge Frauen, die „coperas“ genannt wurden (von „la copa“ das Weinglas), weil sie dafür sorgen sollten, dass die Besucher ordentlich Getränke konsumierten, während sie mit ihnen „plauderten“. Es heißt, die Frauen hätten immer Tee getrunken, der den Herren allerdings als Whiskey in Rechnung gestellt wurde. Sie durften das Chantecler nicht verlassen, bis das Orchester um drei oder vier Uhr früh „La Cumparsita“ spielte und das Etablissement seine Türen schloss.

1940 hatte Juan d’Arienzo drei Sänger unter Vertrag, und das Orchester spielte einen atemberaubenden Rhythmus. Die jungen Musiker, die meisten Anfang Zwanzig, strotzten vor Energie, und D’Arienzo tobte vor den Musikern auf der Bühne herum. Einer der Bandoneonisten hat einmal gesagt: „Wenn ich Don Juan auf mich zukommen sah, ist mir jedesmal der Schweiß ausgebrochen, denn er blieb dann vor einem stehen und schrie einen an und verlangte mehr und noch mehr. Das hat richtig Angst gemacht. Aber er konnte alles aus uns rausholen.“ Bei Tangos, die 1940 aufgenommen wurden, kann man das tatsächlich hören. Und wenn in einer Milonga „Rie Payaso“ mit Carlos Casares läuft, der nur ein Jahr im Orchester gesungen hat, kann man die Füße doch wirklich nicht stillhalten!

Der eindrucksvolle Rhythmus von Klavier und Bandoneons wurde 1940 auf großartige Weise bereichert, und zwar durch den Geiger Cayetano („el tano“) Puglisi . Wir Tangotänzer wissen, dass die Geige in D’Arienzos Orchester mit ihren langen Soli, unter Tangueros als „la vaca“ bekannt, speziell und einzigartig ist. D’Arienzo ließ die Geigensoli immer auf der tiefsten Saite spielen, was zusammen mit dem Stakkato der Bandoneons und dem Rhythmus des Pianos diesen typischen Sound erzeugte, der die Tänzer in Ekstase versetzte.

Der in Sizilien geborene Cayetano Puglisi spielte nicht weniger als achtundzwanzig Jahre lang in D’Arienzos erfolgreichem Orchester. Der großartige Geiger war sehr bescheiden, fast ein bisschen introvertiert, aber wenn er vortrat, um sein Solo zum Besten zu geben, wuchs er sichtbar über sich hinaus.

Es folgt die Milonga „Candombe Oriental“ mit dem Sänger Alberto Reynal, der von 1940 bis 1942 zum Orchester gehörte. Was für ein Vergnügen, den Rhythmus des Orchesters zu hören, den Swing, den Salamanca dem Klavier entlockt, die von Varela angeführten Bandoneons und die von Puglisi gespielte Geige.

Die meisten Tango-Orchester beschäftigten nach Möglichkeit zwei Sänger. Wie schon im ersten Kapitel über D’Arienzo erwähnt, wurde 1940 der meiner Meinung nach beste Sänger angeheuert, den das Orchester je hatte: Héctor Mauré. Zwei Jahre lang teilte er sich die Bühne mit Alberto Reynal, dann kam Juan Carlos Lamas, ebenfalls einer der Großen unter den Tangosängern, der jedesmal Beifallsstürme erntete, wenn er im Chantecler vor das Publikum trat. In den zwei Jahren (1942 – 1944), die er bei D’Arienzo sang, nahm das Orchester einige seiner großen Erfolge auf, wie zum Beispiel „Vieja Recova“ und „Pompas de Jabón“.

Als Tango-DJ muss ich mir genau überlegen, welche Tangos in eine Tanda passen, in welchen welcher Sänger mitwirkt, welche Tangos eingängiger sind als andere und zu welcher Epoche die Stücke jeweils gehören. Aber alle diese Kriterien sind plötzlich vergessen, wenn ich eine Tanda D’Arienzo mit Mauré auflege, denn die beiden haben in nur vier Jahren fünfzig Stücke aufgenommen, die ausnahmslos große Erfolge waren.

1944, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, musste Héctor Mauré sich einer Operation am Hals unterziehen. Er nahm seine Arbeit wieder auf, ehe er vollständig genesen war, erlitt Blutungen, die zu einer Anämie führten und ihn ans Bett fesselten. Es folgten drei lange, einsame Monate schwerer Krankheit, in denen er tatsächlich fast gestorben wäre. Und es war nicht das erstemal, dass Mauré knapp mit dem Leben davonkam. In jungen Jahren war er einmal ins Koma gefallen, nachdem er im Boxing Club von Colegiales einen Schlag in den Nacken abbekommen hatte; die dabei erlittene Gehirnerschütterung zwang ihn, das Boxen aufzugeben, obwohl er laut Aussage seines Trainers Amílcar Cafferata das Zeug zum Champion gehabt hätte. Einige Jahre später wäre er um ein Haar im Rio de la Plata ertrunken, wenn sein Freund Bosco ihn nicht gerettet hätte.

Nach dem Weggang von Mauré und Lamas traten zwei Männer auf den Plan, die in D’Arienzos Orchester Geschichte schreiben sollten: Alberto Echagüe und Armando Laborde. Die beiden Sänger trieben die Tänzer in die Verzückung, sie ließen Umgangssprache in ihre Texte einfließen, und sie benutzten aus Spaß sogar Wörter und Wendungen aus dem Lunfardo. Letzteres wurde kritisierte, aber das Publikum war begeistert.

Echagüe hatte schon einmal in D’Arienzos Orchester gesungen, von 1938 bis 1940. Da hatte noch Biagi am Klavier gesessen, der später von Juan Polito abgelöst wurde, doch dann hatten die Musiker sich von D’Arienzo getrennt und ein eigenes Orchester gegründet. D’Arienzo musste sich also nach neuen Musikern umsehen, und das Orchester, das er nun zusammenstellte, war noch eindrucksvoller als das vorherige. Juan Polito dagegen hatte leider kein Glück mit seinem Orchester, und so kehrte Echagüe zu D’Arienzo zurück, wo ihm der Erfolg garantiert war.

Echagüe war Lehrer, und er wusste sich für seine Verhältnisse sehr gut auszudrücken. Im Prinzip rangierte er im Vergleich zu den vielen großartigen Sängern der damaligen Zeit unter ferner liefen, aber wenn der schwindelerregende Rhythmus des Orchesters erklang, entwickelte er eine feinfühlige Stimme, dramatisch und klar im Ausdruck. Tatsächlich war Echagüe der bedeutendste und erfolgreichste Sänger des Orchesters, aber er war auch ein Gentleman, dem der Erfolg nie zu Kopf gestiegen ist. In dieser zweiten Phase blieb er dem Orchester dreizehn Jahre lang treu, von 1944 bis 1957. Und es gab sogar noch eine dritte Phase mit Echagüe, nämlich von 1968 bis 1975.

Jetzt wird nachvollziehbar, warum man als Tango-DJ wissen muss, welche Stücke mit welchem Sänger aus welcher Epoche stammen. Und es wird auch verständlich, warum Tänzer sich ärgern, wenn ein DJ die Phasen durcheinanderbringt, in denen ein bestimmter Sänger in einem Orchester mitgewirkt hat. Denn auch wenn es sich um ein und dasselbe Orchester handelt, singt Echagüe 1957 nicht mit derselben Energie wie der junge Echagüe von 1938; in den Jahren 1944 bis 1957, nach Jahren der Erfahrung, klingt seine Stimme reifer, und in den Stücken aus der Zeit zwischen 1968 und 1975 hört man einen ermüdeten Sänger mit einem Orchester, das sich ebenfalls stark verändert hat, in einer Epoche, als es fast keine Milongas gab und die meisten Orchester nur noch im Fernsehen auftraten.

Echagüe, der aus Rosario nach Buenos Aires gekommen war, um sich als Fußballspieler einen Namen zu machen, wurde stattdessen einer der großen „Cracks“ des Tango. Seine größten Erfolge waren:

Wenn ich behaupte, dass José Atilio Dattoli ein großer Tangosänger war, noch dazu einer, der in D’Arienzos Orchester gesungen hat, wird man mich für verrückt erklären. Aber es gibt tatsächlich eine Anekdote, eine nette kleine Geschichte zu Dattoli. D’Arienzo engagierte ihn während Maurés Krankheit, kurz bevor das Orchester auf Tournee nach Uruguay ging, aber er sagte zu ihm: „Also, junger Mann, mit dem Namen wirst du nicht weit kommen.“ Während der Bus mit den Musikern des Orchesters durch die Straßen von Montevideo rumpelte, ertönte aus heiterem Himmel die heisere, kräftige Stimme D’Arienzos, der den Busfahrer fragte: „Sagen Sie mal, wie heißen Sie?“ „Armando Laborde, Señor”, lautete die Antwort. „Sehr gut, dann ist das dein Künstlername, Dattoli. Von jetzt an heißt du Armando Laborde.“ Und so entstand ein Gespann, das im Orchester eine entscheidende Rolle spielte, immer erkennbar an seinem flotten Rhythmus und an den überragenden Stimmen.

Über diese beiden Sänger könnte man noch viele Anekdoten erzählen, aber das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Auch Laborde hatte drei Phasen in D’Arienzos Orchester (1944 – 1950; 1952 – 1957; 1964 – 1975). Das Duo Echagüe und Laborde verließ das Orchester 1957. Natürlich kamen neue Sänger, unter anderen Mario Bustos und Jorge Valdez, aber mit deren Geschichten werden wir uns ein andermal beschäftigen.

Als D’Arienzo einmal gefragt wurde, warum er sein Orchester nie auf Tourneen ins Ausland begleitete, antwortete er:

Ich wurde schon tausendmal eingeladen, im Ausland aufzutreten, aber um das zu tun, müsste ich in ein Flugzeug steigen, und das will ich nicht. Es ist ein Trauma, gegen das ich nicht ankomme, und wie ich finde, zu recht. 1932 kamen Carlitos Gardel und [Irineo] Leguisamo jeden Abend ins Chantecler. Sie saßen immer in ihrer Loge, bis mein Auftritt beendet war. Jedesmal bin ich hinterher raufgegangen, um mit ihnen ein Glas Champagner zu trinken, und dann haben wir noch stundenlang dagesessen und geplaudert.

Eines Abends hat Carlitos zu mir gesagt: ,Weißt du was, Juancito, ich glaub, ich werde bei einem Flugzeugabsturz sterben.‘ Ich habe ihm geantwortet: ,Red keinen Unsinn.‘ Aber das war kein Unsinn. Er hat es gespürt. Deswegen weigere ich mich, in ein Flugzeug zu steigen. Nach Japan zum Beispiel wäre ich gern geflogen, wenn ich nicht dieses Trauma hätte, denn schließlich war ich von Kaiser Hirohito persönlich eingeladen worden, nicht wie andere Musiker von irgendwelchen Geschäftsleuten.

Hirohito hat mir einen Blankoscheck geschickt, auf den ich die Summe eintragen sollte, die ich verlangte, um nach Tokio zu reisen. Ich habe ihm geantwortet, dass es nichts mit Geld zu tun hatte, sondern mit dem Fliegen. Er hat mir geantwortet, ich könnte doch mit dem Schiff reisen, aber dann wäre ich vierzig Tage unterwegs gewesen. Wie hätte ich das aushalten sollen, vierzig Tage lang nur Himmel und Wasser anzustarren? Der Kaiser hat nicht lockergelassen: ,Ich schicke Ihnen ein U-Boot, das braucht nur fünfundzwanzig Tage.‘ Aber nicht im Traum wäre ich in so ein U-Boot gestiegen, wer hätte mir garantiert, dass die Japaner sich nicht in irgendeinen Krieg verstrickten, während ich unter Wasser war? Deswegen bin ich nicht nach Japan gereist, aber ich glaube auch nicht, dass es mir dort gefallen hätte, ebenso wenig wie in Kolumbien, Brasilien, Europa oder sonstwo auf der Welt. Und ich schwöre Ihnen, in einem Flugzeug würde ich durchdrehen.

Ich bin ein Stadtmensch und außerdem ein Nachtmensch. Trotz allem, was ich erlebt habe, bin ich ein ganz normaler Mensch wie alle anderen auch. Ich trinke gern ein Tässchen Kaffee und sehe gern die Morgendämmerung aufziehen. Mehr nicht. Wenn’s hoch kommt, spiele ich mal eine Runde Truco, um mir die Zeit zu vertreiben. Und das auch nur, weil es in Buenos Aires kein Roulette gibt. Wenn es das gäbe, säße ich die ganze Zeit am Roulette-Tisch. Nur wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich ein anderer. Auf der Bühne verwandle ich mich. Das ist mein Metier, ich muss spüren, was ich dirigiere, und ich muss jedem einzelnen Musiker vermitteln, was ich spüre. Früher in den Cabarets haben wir die ganze Nacht durchgespielt, die Leute haben getanzt, sich amüsiert, bis die Sonne aufging, und die Musiker haben gespielt, bis sie Krämpfe bekamen. Es war immer Ende offen.“

(Übersetzung von Charlotte Breuer).