Den Alltag hinter sich lassen und ganz neu anfangen, vom grauen Norden Österreichs in den sonnigen Süden wechseln, perfekte Organisation gegen mehr Flexibilität eintauschen, ja einfach aufbrechen und nach Italien auswandern! Wer von uns spielt nicht manchmal mit dem Gedanken und träumt von einem Neustart in einer anderen Umgebung, wo noch alle Möglichkeiten offen stehen? Unser von Berufs-und Familie geprägtes Leben lässt kaum Zeit für Träumereien, ein Termin jagt den nächsten, doch dann - plötzlich und unerwarter- war sie da, die Idee, der Plan und schließlich seine Durchführung: im September 2003 würde ich meine Heimat gegen die Toskana, genauer gesagt, Florenz eintauschen.

Angetrieben von Abenteuerlust und einer gewissen, jugendlichen Naivität war mein Aufbruch mit einer unzureichenden Organisation verbunden. Fest stand eine gering bezahlte Arbeitsstelle für drei Monate und ein teuer zu bezahlendes Zimmer in Untermiete mit zwei italienischen Mitbewohnern. Die Sprache beherrschte ich durch mein Romanistikstudium, Freunde oder Bekannte hatte ich nicht, ebensowenig eine gute Kenntnis der Stadt oder der italienischen Gepflogenheiten, die ich bisher nur aus dem Urlaub und mit den Augen des außenstehenden Touristen gesehen hatte.

Die Anfangsschwierigkeiten für einen „deutsch Denkenden“ sollten nicht unterschätzt werden. Die hoch gepriesene italienische Lebensfreude, Offenheit und Liebenswürdigkeit habe ich nur bedingt kennengelernt. Vielmehr wurde ich mit vielen Situationen konfrontiert, wo Positives nur für das eigene Individuum ausgenützt wird, und man mit Fragen und Problemen vollständg auf sich selbst gestellt ist. Von der ungeheuer langsamen und altmodischen Bürokratie, über die kaum funktionierenden Infrastrukturen bis hin zu einer manchmal wenig modernen Denkensart, in der nur Platz für die Familie und einige ausgewählte Vertrauenspersonen bleibt, ist Italien daher ein Land für Mutige.

Wer Lust hat, sich durchzukämpfen und Schwierigkeiten mit Gelassenheit zu begegnen, ist sicher auf dem richtigen Weg zum „ dolce vita“: Einem Leben mit angenehmem Klima, wunderbaren Städten, einer herrlichen Küche und immer wieder überraschenden Erlebnissen, die man in deutschsprachigen Ländern nicht machen würde.

Unlängst erhielt ich den Tipp von einer Italienerin, meinen noch ungeborenen Sohn schon im 5. Schwangerschaftsmonat in einer Kinderkrippe anzumelden. „So hast du die Chance, in 3 Jahren einen freien Platz zu bekommen!“

Man könnte sagen, ich habe in den fast 10 Jahren im Ausland dazugelernt! Meine Denkensart ist nach wie vor deutsch, aber mein Verhalten hat sich meiner Umgebung angepasst. Ich nehme zunehmend Abstand von genauem Planen und Organisieren und versuche, den häufig geäusserten Satz vieler Italiener, „Non ti preoccupare“ (Mach dir keine Sorgen!“), auch für mich zu verinnerlichen.

Und vielleicht denke ich in den kommenden Jahren auch wiedereinmal ans Auswandern. Ja, warum nicht? Aufbrechen und neu anfangen-dieses Mal in Österreich!

Tipps für Auswanderer nach Italien: - Besuchen Sie die Stadt, in der Sie leben wollen oft und lernen Sie, wenn möglich vor dem Umzug, einige Ansprechpartner kennen. - Suchen Sie unbedingt von zu Hause aus eine Arbeitsstelle und eine Wohnmöglichkeit. - Lernen Sie gut Italienisch, viele Italiener sprechen kaum Englisch und keine weitere Fremdsprache - Versuchen Sie neben der Vorfreude realistisch zu bleiben: Italien ist ein wunderbares Urlaubsland, als Wahlheimat aber schwierig - Knüpfen Sie Kontakte zu deutschsprachigen Leuten in Ihrer Umgebung.

Text von Ute Hirschegger