Das Mu­se­um Lud­wig hat die Kün­st­lerin und Filme­macherin Fio­na Tan (*1966 in Pekan­baru/ In­do­ne­sien, lebt in Am­s­ter­dam) ein­ge­la­den, eine Ausstel­lung auf der Grund­lage der Samm­lung Fo­to­gra­fie des Mu­se­ums zu en­twick­eln. Fio­na Tans Werk kreist um Fra­gen von Zeit, Iden­tität und Erin­nerung. Das Archiv als Zeitkapsel hat bere­its in ver­gan­ge­nen Pro­jek­ten eine Rolle in ihr­er kün­st­lerischen Strate­gie der Recherche und Klas­si­fika­tion ge­spielt.

Aus­gangspunkt der Ausstel­lung Fio­na Tan. GAAF ist das Ag­fa­col­or Wer­bearchiv – mehrere tausend 6x6-Farb­neg­a­tive und Fo­to­gra­fien, aufgenom­men zwischen 1952 und 1968. Die­s­es Archiv bildete für das Un­terneh­men Ag­fa ei­nen Fun­dus für Werbeschriften, Broschüren, Ausstel­lun­gen und die Zeitschrift Ag­fa Pho­to­blät­ter. Als Tan das na­hezu vergessene und seit vierzig Jahren in Kis­ten ver­packt im De­pot sch­lum­mernde Archiv im Mu­se­um Lud­wig ent­deckte, wuchs ihr In­teresse für das Para­dox, das in die­sen Bildern liegt: Man sie­ht in­sze­nierte und ide­al­isierte Mod­els, die für Pro­fi­fo­to­grafin­nen posieren, Sze­nen, die je­doch spon­tan und au­then­tisch wirken sollen, als seien sie von Am­a­teurin­nen aufgenom­men. „Diese Auf­nah­men lassen mich über Pose, über Kün­stlichkeit ver­sus Spon­taneität und Au­then­tiz­ität nach­denken“, sagt Fio­na Tan. Die Kün­st­lerin holt diese Bilder er­st­mals in ei­nen Ausstel­lungs­raum.

Das nied­er­ländische Wort „gaaf“ – ein Ana­gramm, al­so eine Neuord­nung der Buch­staben von Ag­fa – be­deutet „as­trein“ oder „makel­los“. Fio­na Tan konzen­tri­ert sich in ihr­er Auswahl auf das Bild und die Rolle der Frauen, wie sie in die­sen Auf­nah­men dargestellt sind. Sie macht dabei auf den Kon­trast zwischen Ide­al und Wirk­lichkeit aufmerk­sam, der Wirk­lichkeit der Wied­er­auf­bau­jahre im Nachkriegs­deutsch­land. In­dem sie Fan­tasie und Re­al­ität, Berufs- und Sch­napp­schuss­fo­to­gra­fie, Farbe und Sch­warzweiß ei­nan­der ge­genüber­stellt, kon­fron­tiert Tan die­s­es Wer­bearchiv mit doku­men­tarischen Auf­nah­men des­sel­ben Zei­traums aus der Samm­lung des Mu­se­um Lud­wig – u. a. von Chargesheimer und Heinz Held – sowie mit ein­er Auswahl ihr­er ei­ge­nen Werke zum The­ma Porträt. Tans Ar­beit Vox Pop­uli Lon­don (2012) präsen­tiert den in­formellen Sch­napp­schuss, ein spie­lerisch­es Grup­pen­porträt ein­er Metropole, während Tan in Lin­naeus’ Flow­er Clock (1998) über das We­sen der Zeit re­flek­tiert. Die sech­steilige In­s­tal­la­tion Prove­nance (2008) stellt die Frage, ob es möglich ist, ei­nen Film in dersel­ben Weise zu be­tracht­en wie ein ge­maltes Porträt, wobei sie die Grenze zwischen Be­we­gung und Ruhe, Fo­to­gra­fie und Film ab­sichtlich aufhebt.