Die Ausstellungen FEMININE und FEMININE II bei PRISKA PASQUER sind starken weiblichen Positionen gewidmet. Im Anschluss an FEMININE als erste Doppelausstellung mit einer umfangreichen Werkauswahl von ULRIKE ROSENBACH (geb. 1943) und Arbeiten von ANGELA BRANDYS (geb. 1988) folgt nun FEMININE II mit einer neu kuratierten Werkauswahl von ULRIKE ROSENBACH und neuesten Arbeiten von JOHANNA REICH (geb. 1977).

Ulrike Rosenbach arbeitet als eine der ersten Performance- und Medienkünstlerinnen seit Ende der 1960er Jahren innovativ mit Fotografie, Video und multimedialer Installation. Bereits 1969 gründete sie als Meisterschülerin von Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie eine Künstlerinnengruppe, die Kontakte zur amerikanischen Women’s-Liberation-Szene hatte. 1970 wurde sie von Lucy Lippard zur ersten großen amerikanischen Kunstausstellung “1000 miles from here“ eingeladen, an der ausschliesslich Künstlerinnen beteiligt waren. In New York trat sie im Jahr 1973 mit ihrer ersten Video-Life-Performance auf. Es folgte ein Lehrauftrag für feministische Medienkunst am California Institute of the Arts (CalArts) in Valencia (Los Angeles), Kalifornien. In dieser Zeit und in diesem Kontext schuf sie wichtige Werkgruppen über weibliche Idealbilder und deren mediale Trivialisierung. Ulrike Rosenbachs Themen sind bis heute hochaktuell und relevant. Ihre experimentellen Werke wurden auf internationalen Ausstellungen sowie auf der documenta 6 (1977) und der documenta 8 (1987) gezeigt. 2004 erhielt sie den Gabriele Münter Preis. 2012 wurde sie für ihr Lebenswerk mit dem Künstlerinnenpreis NRW ausgezeichnet.

In FEMININE II präsentiert Priska Pasquer Fotoarbeiten, Videostills, Videos, Zeichnungen und Objekte von Ulrike Rosenbach mit einem Schwerpunkt auf dem frühen und bedeutenden Themenbereich der „Hauben für eine verheiratete Frau“.

An der Düsseldorfer Kunstakademie studierte Ulrike Rosenbach zunächst Skulptur bei Norbert Kricke, bevor sie in die Klasse von Joseph Beuys wechselte, für den der Begriff Plastik besondere Relevanz hatte. Seine plastische Theorie und Begriffspaare wie Stillstand und Bewegung, Statik und Veränderung, das Kristalline und das Organische, Ordnung und Chaos, Intellekt und Intuition sind interessant, wenn man die verschiedenen Erscheinungsformen von Skulptur im Werk Ulrike Rosenbachs betrachtet, das Objektkunst, Medienskulpturen und Rauminstallationen umfasst sowie Performances und Videoarbeiten, in denen sich die Künstlerin mit ihrem eigenen Körper in Raum und Zeit bewegt.

Zu den frühesten plastischen Arbeiten zählen die Hauben- und Kragenobjekte, die zwischen 1969 und 1971 entstanden und als tragbare Objekte auf den menschlichen Körper bezogen sind, diesen erweitern, aber auch in der Bewegung einschränken. Um Gerüste aus Stahldraht ist transparenter Gazestoff gespannt. Auch Federn, Mullbinden, Wachs, Eis und Muscheln können die Gerüststrukturen einhüllen oder ausfüllen. Fotoarbeiten aus dieser Periode zeigen Ulrike Rosenbach als Trägerin der kleidungsähnlichen Objekte. Der Titel der Werkgruppe ruft die gesellschaftliche und kulturelle Dimension auf, mit denen die junge Künstlerin ihr politisches Interesse an Frauenthemen zum Ausdruck brachte und gleichzeitig ihre eigene Identität als Künstlerin, Frau, Ehefrau und Mutter thematisierte.

Die historischen Vorbilder dieser Kopfbedeckungen und Halskrausen waren immer Signale für soziale Zugehörigkeit und Status. Während Hüte bei Männern vor allem Autorität und Würde signalisierten, markierten die weiblichen Kopfbedeckungen oder Verhüllungen, ob eine Frau ledig, verheiratet oder verwitwet war und kennzeichneten so ihre Unselbständigkeit, zumal die Trachten von der männlich dominierten Gesellschaft vorgeschrieben wurden. Ulrike Rosenbachs „Hörnerhauben“ spielen auf die höfische Mode im Frankreich des 15. Jahrhunderts an und übertreiben diese spielerisch bzw. ironisierend.

In ihren facettenreichen Zeichnungen aus diesem Motivbereich entwickelt Ulrike Rosenbach die klar zu unterscheidenden Blickwinkel und Konzeptionen der Objekte. Wenn die Formen freigestellt skizziert werden, wirken sie als skulpturale Gebilde mit ihren formalen Qualitäten, ihrem Volumen, ihrer Leichtigkeit, Steifheit und Durchlässigkeit, dem Spiel von Außenhülle und Innenraum. Werden sie mit Körperbezug dargestellt, z.B. um eine angedeutete Büste gelegt, entfalten sie ihre bezeichnende, die Trägerin bestimmende Wirkung. Als Trägerin der Objekte sieht man Ulrike Rosenbach nur in Fotoarbeiten, in Performances trug sie sie nicht. Nur indirekt zeigt die frühe Videoarbeit „Zeichenhaube“ von 1972 ein Doppelportrait der Künstlerin als bewegtes und stehendes Bild jeweils mit umwickeltem Kopf. Dem Betrachter, bzw. der Kamera zugewandt zeichnet sie auf eine Glasscheibe, so dass der Eindruck entsteht, ihr Stift berühre von innen den Bildschirm des Monitors. Sie zeichnet erst eine Haubenform und dann eine Gitterstruktur wie Stäbe vor einem Gefängnisfenster. Ihrem eigenen unbewegten Abbild, das ihr über die Schulter schaut, wird damit die gezeichnete Haube „aufgesetzt“. Eine einfache Handlung wird auf diese Weise in eine komplexe Verschachtelung von gespiegelten und verdoppelten Bildebenen eingeschrieben. Vielfältige Überlagerungen formaler und inhaltlicher Bildebenen sind ein faszinierendes Charakteristikum in Ulrike Rosenbachs Werken.

Die Arbeiten der Medienkünstlerin JOHANNA REICH wurden international in Museumsausstellungen, Biennalen und Festivals gezeigt und u.a. mit dem Nam June Paik Förderpreis (2006), dem Konrad von Soest Preis (2011) und dem Kulturpreis des LVR (2017) ausgezeichnet.

Johanna Reich schafft seit über zehn Jahren ein vielfältiges Werk, das sich gängigen Kategorisierungen entzieht. Ihre Themen und Vorgehensweisen reichen über den Einsatz von Fotografie, Video und Computer hinaus und beziehen auch Malerei, Skulptur, Performance und historisches Bildmaterial ein. In Auseinandersetzung mit kunst- und filmhistorischen Vorbildern lotet sie das Verhältnis von statischem und bewegtem Bild aus und untersucht die Möglichkeit, Wirklichkeit im apparativ aufgezeichneten und transportierten Bild zu konstruieren. Ihr inhaltliches Spektrum, das Fragen zur postdigitalen Erzeugung und Rezeption von Bildern sowie differenzierte Medienreflexion einschließt, weitet sie auf weiter gefasste kulturhistorische und philosophische Themen aus. Die Ausstellung FEMININE II zeigt ihre neuesten Arbeiten.

Für das Projekt „Resurface“ recherchierte Johanna Reich in verschiedenen Archiven zu Frauenpositionen in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. So entstand eine Sammlung von 300 Künstlerinnen, die zu ihren Lebzeiten erfolgreich waren, im Laufe der Geschichte jedoch in Vergessenheit gerieten. Durch die Digitalisierung tauchen ihre Werke und Biografien nach und nach im Internet wieder auf bzw. wurden von Johanna Reich online gestellt und unterwandern so das Bild der männlich dominierten Kunstgeschichte. Die historischen Fotoportraits – für Wikipedia digitalisiert – fotografiert Johanna Reich mit einer Polaroidkamera vom Computerbildschirm ab und nimmt den Prozess der Bildentwicklung mit der Videokamera auf.

In „Resurface I“ ließ Johanna Reich die Portraits von vergessenen Künstlerinnen wiederauftauchen. Das langsame Sichtbarwerden der Bildnisse in der Polaroid-Entwicklung kann der Betrachter in Echtzeit als Videoprojektion auf einer großen Leinwand oder – in einer anderen Version – auf kleinem Screen in einem Fotorahmen miterleben.

„Resurface II“ ist den sozusagen erfolgreicheren der unterschätzten Künstlerinnen gewidmet, deren Oeuvres zwar musealisiert und anerkannt, aber noch immer nicht angemessen repräsentiert sind. Ausgewählte Portraits hat Johanna Reich genauso mit Polaroid-Technik aufgenommen, dann aber ein frühes Stadium der Entwicklung in dem Augenblick eingescannt, in dem die Umrisse gerade erst zu erahnen sind. Diese Bilder, in einem besonderen Moment innerhalb des Kreislaufs zwischen digital und analog entstanden, werden in der Ausstellung großformatig, beinahe wie Gemälde präsentiert.

Eine hybride Arbeit aus Skulptur und Videoprojektion trägt den Titel „The World‘s on Fire“. Ein gegenstandsloses Tongebilde ist gleichzeitig amorph und doch geformt. Die Silhouette bleibt unklar und zerfurcht, es ist jedoch sichtbar, dass die Form und die Oberfläche von Händen gestaltet wurden. Die Künstlerhand, die Menschenhand, der schaffende Mensch. Auf die archaische Skulptur trifft eine digitale Videoprojektion, die das Thema der Hände mit Feuerbildern verbindet. Mehrere Händepaare agieren miteinander und formen Gesten und Zeichen, dabei scheinen züngelnde Flammen auf ihrer Haut zu tanzen. Seit der Mensch das Feuer beherrscht, besteht die Ambivalenz aus Potential und Gefahr, zwischen schaffender und zerstörender Energie, wie seitdem in fast jeder technischen Entwicklung.

Die Videoarbeit „Virgins Land“ zeigt die Künstlerin selbst an einem menschenleeren Strand. An ausgestreckten Armen hält sie eine goldene Rettungsdecke, die im starken Wind wie eine Fahne weht. Die Reduktion der Bildkomponenten schafft Raum für vielfältige Assoziationen, in unbeschriebener Landschaft, mit unbeschriebener Fahne. Eine Perspektive, die Dynamik und Statik einschließt. Die Rettungsdecke kann für Flüchtlinge über Leben und Tod entscheiden, als goldene Fläche im Bild verweist sie traditionell ebenso auf materielle Kostbarkeit wie auf eine überirdische Wirklichkeit. Während Johanna Reich in einigen ihrer früheren Videos durch neutrale Kleidung mit Kapuzenoberteilen absichtlich androgyn bzw. neutral auftritt, ist sie hier bewußt als weibliche Akteurin erkennbar – ein weiblicher Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Die Aussicht auf einen Neuanfang?