Dresden war in den 1920er Jahren ein Hotspot für die künstlerische Avantgarde Europas. In der Mitte des Jahrzehnts sorgte vor allem die Kunst des sowjetrussischen Konstruktivismus, der niederländischen De Stijl-Bewegung und des Bauhauses im traditionsgesättigten Elbflorenz für Aufregung. Werke von El Lissitzky, Piet Mondrian, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer und anderen Künstler*innen wurden in den Galerien der Stadt ausgestellt und in der Presse kontrovers besprochen.

1925 fand in der Dresdner Kunstausstellung Kühl und Kühn die erste Personalausstellung von Mondrian in Deutschland statt, in der Bildungsanstalt im Festspielhaus Hellerau war für kurze Zeit ein Kabinett mit abstrakten und konstruktivistischen Werken eingerichtet. Die Galerie Ernst Arnold veranstaltete 1926 eine große Jubiläumsschau zum 60. Geburtstag von Kandinsky. Der Bauhausmeister Hinnerk Scheper gestaltete die Räume der Galerie Neue Kunst Fides, die nicht nur Künstler wie Feininger, Klee, Moholy-Nagy und Schlemmer im Programm hatte, sondern auch moderne Stahlrohrmöbel verkaufte. Das breite Publikum rieb sich die Augen, die lokale Kunstkritik empörte sich, doch das neuen Ausdrucksformen gegenüber aufgeschlossene bürgerliche Establishment besuchte die Ausstellungen. Einige kauften sogar die neue Kunst.

Allen voran die wohl bekannteste Dresdner Sammlerin und Mäzenin Ida Bienert. Sie beauftragte den in Paris lebenden Mondrian zudem mit der Ausgestaltung eines Wohnraums in der Villa der Familie Bienert. Sein Entwurf von 1926 offenbart ein visionäres Raum- und Lebensgefühl, wenngleich er nicht verwirklicht wurde. Im gleichen Jahr wurde Lissitzky aus Moskau nach Dresden eingeladen und baute einen spektakulären Demonstrationsraum für abstrakte Kunst, der auf der internationalen Kunstausstellung die traditionellen Sehgewohnheiten des Publikums auf die Probe stellte.

Das einmalige Erlebnis dieser – analog wie virtuell – wiederbelebten „Zukunftsräume“ steht im Zentrum einer großen Ausstellung abstrakter und konstruktivistischer Kunst, die Meisterwerke von Mondrian, Lissitzky, Kandinsky, Klee, Feininger, Moholy-Nagy, Schlemmer und anderen Künstler*innen aus vielen bedeutenden internationalen Museen und Sammlungen im Dresdner Albertinum zusammenführt. Sie handelt davon, wie die von gesellschaftsutopischen Idealen getragenen „Kunst der Zukunft“, in den 1920er Jahren in Dresden ausgestellt, gesammelt und diskutiert wurde – zwischen heftiger Ablehnung und begeisterter Zustimmung.