Feminismus, Rassendiskriminierung, Aidskrise, Donald Trump, Recht auf Meinungsfreiheit — darunter macht es Rochelle Feinstein nicht. In den vergangenen bald dreissig Jahren hat die gebürtige New Yorkerin und langjährige Professorin für Malerei und Drucktechnik an der Yale University ein Werk geschaffen, das sich politisch scharf und zugleich humorvoll dicht präsentiert. Ihre Malerei, die einem meist als Wucht begegnet, verhandelt konsequent die kulturellen und politischen Zusammenhänge der künstlerischen Produktion, überträgt alltägliche individuelle und kollektive Gefühle in die Sprache der Abstraktion.

Malerei ist für Feinstein ein antihierarchisches Bemühen um die Frage, was dieses Medium heute gesellschaftlich und kulturell bedeuten kann, ohne dabei auf traditionelle Formen beharren zu müssen. Ihr grösste Kritikerin — oder sollte man besser sagen: ihre schärfste Beobachterin — ist Rochelle Feinstein selbst. In ihrem konsequenten Hinterfragen nach einer Bedeutung von Malerei in der Welt heute gibt sie der Malerei eine Sprache zurück, die am Puls der Zeit bleibt und dem Gegenüber direkt, unverstellt und alles andere als elitär entgegentritt.

Die Sprache ist in diesem künstlerischen Diskurs ein wichtiges Element. Sprechblasen, (selbst-) kritische Kommentare, signifikante Stichwörter aus einem individuellen oder auch kollektiven Sprachschatz bestimmen immer wieder ihr Werk. «What­ever the source of these words and phrases, each is a form of communication, or miscommunication», kommentiert die Künstlerin in einem Gespräch. «Commonplace speech, colloquialisms, clichés and lacking in emotion. If I’m lucky, they often stage my paintings. I’ve been collecting these enigmas, informally at first, since the 1990s, and in the last 6 or so years, as what I term flash cards. However, these are one-sided; the question is the phrase, the answer comes through the painting.»

Die Einzelausstellung, die nun für das Kunsthaus Baselland zusammen mit der Künstlerin und Ines Goldbach konzipiert wurde, konzentriert sich — nach der gross angelegten Retrospektive der Künstlerin, die noch vor Kurzem durch Europa tourte und im Herbst in New York ihren Abschluss finden wird — vornehmlich auf aktuelle Arbeiten; Werke, die Feinstein in den letzten zwei Jahren geschaffen hat, teilweise während eines Aufenthalts in Rom. Karten («maps») spielen dabei eine zentrale Rolle — nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Künstlerin selbst ständig unterwegs ist. «Historical maps drew my attention quite recently», kommentiert sie. «Before and after the 2016 US election, perhaps like many others, I must have looked at maps at least a dozen times a day. While boundaries remained stable, the metrics changed as often. My works of the last 2 years each began with selecting and engaging with familiar forms: heart, calendar, monochrome, trophy, etc. Bleep and Plein Air I, II are the only two works using a map as a ‹form thought› or foundation… Yes, as you say, maps help us to ‹navigate or orient ourselves›. Since 2016 it’s become increasingly impossible to do that. These paintings are maps of disorientation, obfuscation and deletion.»

Vielleicht liegt hier auch der Schlüssel zu Rochelle Feinsteins aufregendem Werk, das den Pulsschlag zu erhöhen vermag, lässt man sich auf das ein, wohin einen die Künstlerin zu entführen sucht: Malerei ist nicht Beruhigung. Malerei ist ein Ereignis, eine Erfahrung von Welt.