Opium, das ist zum einen der Stoff, aus dem Heroin gewonnen wird, zum anderen eine mit Mythen beladene Droge, deren Anbau und Nutzung weit in die Geschichte vieler Kulturen zurückreichen. Bis ins 20. Jahrhundert wurde Opium oft als Medizin eingesetzt, doch vor allem im 19. Jahrhundert breitete sich der Missbrauch des Rauschmittels von China über Südostasien bis nach Westeuropa und in die USA aus. Hier und dort betäubten sich die Süchtigen in Opiumhöhlen – von einfachen Verschlägen mit aneinandergereihten Pritschen bis zu edlen Salons für die feine Gesellschaft. In diesen Höhlen trafen sich zum Teil die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten: die reiche chinesische Oberklasse vergnügte sich, und arme Arbeiter, die den Großteil ihres monatlichen Einkommens für die Sucht ausgaben, entflohen dem Alltag.

Die Verbreitungsgeschichte des Opiums ist dabei überraschend eng mit der Weltpolitik verbunden. Am Ausgangspunkt für die steigende weltweite Verbreitung von Opium im 19. Jahrhundert standen eiskalte Wirtschaftsinteressen. Im Zuge des britischen Imperialismus forderte England die Liberalisierung der chinesischen Märkte. Die Vorgehensweise war dabei immer gleich: auf die Gründung von Handelsniederlassungen folgte die Aufforderung, den heimischen Handel zu öffnen, um so den eigenen Einflussbereich auszudehnen. An letzter Stelle stand das Entsenden von Kriegsschiffen. England fand schnell eine Lösung zur Durchsetzung der eigenen Ziele: Opium.

Die Sucht nach neuen Märkten führte dazu, dass England im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert den Schlafmohnanbau forcierte. Um die eigene negative Handelsbilanz mit China umzukehren, überschwemmte Großbritannien China geradezu mit bengalischem Opium, das in der indischen Kronkolonie angebaut wurde. Damit befeuerte man den Opiummissbrauch in China, um das Land weiter unter Druck setzen zu können. Daneben wurde ein großer Teil der Bevölkerung bewusst in die Sucht getrieben. Die British East India Company wurde in der Folge zum größten Drogenhändler der Welt.

Bevor England immer mehr Opium in den chinesischen Markt gepumpt hatte, war der Konsum von Opium im Reich der Mitte in der Tradition des Konfuzianismus verboten. Es gab daher unter Chinesen keine weit verbreitete Abhängigkeit, das Opiumrauchen wurde erst in der Folge zu einem Massenphänomen. Bereits 1729 war ein kaiserliches Opiumverbot ausgesprochen worden, dem 1799 ein verschärftes Gesetz, das den Import und das Rauchen untersagte, gefolgt war. Darin stand: „Ausländer erzielen offensichtlich die höchsten Profite und Gewinne [...], dass unsere Landsmänner aber weiter diesem zerstörerischen und verführerischeen Laster nachgehen [...] ist in der Tat abscheulich und beklagenswert.“ (Robert Trout, The Chinese Opium Wars: The Queen of England Pushes Dope, American Almanac, July, 1997.)

Das Dealen ging jedoch ungehindert weiter. Das Geschäft in den Opiumhöhlen blühte. Zahlreiche alte Fotografien und Illustrationen zeigen das Elend und Leiden der Abhängigen ungeschönt. Auf ihnen sieht man die eng aneinandergereihten Süchtigen mit ihren fahlen Gesichtern und ausgemergelten Körpern, die betäubt vor sich hindämmern: ausgezehrte Personen, die zusammengedrängt in engen Gassen liegen, mit leerem Blick und abgemagerten, von der Droge gezeichneten Leibern. Sie lassen einen Rückschluss darauf zu, wie es in den frühen Opiumhöhlen ausgesehen, und wie sich Opium auf die chinesische Gesellschaft ausgewirkt haben muss.

Im Gegensatz dazu stehen die edel ausgestatteten Salons für die Oberschicht: In prächtigen Räumen sieht man die Damen und Herren mit kunstvoll aus den feinsten Materialien gearbeiteten Utensilien ihrer Sucht frönen. Kostbare Pfeifen, Tabletts und Opiumlampen in einem edlen Dekor verdecken den Blick auf die Wirklichkeit. Denn auch wenn deren Gebrauch das Opiumrauchen in einem anderen, glanzvollen Licht erscheinen lässt, das Leiden der Süchtigen unterschied sich oft nicht von dem eines heutigen Heroinjunkies, der sich mit einer Plastikspritze auf einer Bahnhofstoilette den nächsten Schuss setzt.

China sah sich indes mit den fatalen Folgen des Drogenkonsums konfrontiert. Um diese einzudämmen, wurden bei einer 1838 initiierten Kampagne schließlich Unmengen an illegal importiertem Opium verbrannt oder im Meer versenkt. Der vom Kaiser mit dessen Durchführung beauftragte Lin Zexu stellte fest: „In ein paar Jahrzehnten werden wir nicht nur ohne Soldaten sein, um dem Feind zu begegnen, sondern auch ohne Silber, um eine Armee zu unterhalten.“ (ebd.) China bekam daraufhin sehr schnell den Druck des britischen Expansionsdranges zu spüren und hatte dem aggressiven Vorgehen nur wenig entgegenzusetzen.

Der Erste Opiumkrieg (1839-1842), dem nur kurze Zeit später der Zweite Opiumkrieg (1856-1860) folgte, an welchem sich auch Frankreich an der Seite Englands beteiligte, um die eigenen Kolonialinteressen in China weiterzuverfolgen, endete für China in einer nationalen Katastrophe: Im Vertrag von Nanking (1842) musste China zusichern, seine Märkte zu öffnen und den Opiumhandel zuzulassen. Hinzu kamen die Abtretung Hongkongs an Großbritannien sowie enorme Reparationszahlungen. China wurde damit von einer unangefochtenen Hegemonialmacht zu einer faktisch vom Westen kontrollierten Kolonie. Die Schäden, die der Drogenkonsum anrichtete, und die wirtschaftlichen Interessen, die hinter dem Dealen standen, unterschieden sich auch vor 100 oder 200 Jahren nicht von denen heute.

Über die französischen Kolonien Indochinas und den blühenden Welthandel gelangte Opium schließlich vermehrt in den Westen. Händler und Matrosen brachten es in die Hafenstädte, wo auch immer mehr Europäer und Amerikaner Gefallen an den Opiumhöhlen fanden. Bekannt sind dabei – sowohl in Bezug auf westliche als auch auf asiatische Opiumhöhlen – vor allem deren Darstellungen in Kunst und Literatur. Viele dieser Darstellungen über den Opiumkonsum entsprechen dabei bei Weitem nicht der Realität. Viel mehr stecken sie voller Stereotype und scheinen von Wunschvorstellungen und Fantasien geprägt. Vor allem in der Kunst findet man vom Orientalismus beeinflusste Bilder, in denen Opiumraucher dem verharmlosenden Klischee aus einer fernen Welt entsprechen – Sehnsuchtsorte des Westens, an denen der Drogenrausch amüsanter Zeitvertreib und probates Mittel der Bewusstseinserweiterung ist.

Dieses Bild hat sich auch bis heute noch gehalten. Das liegt vor allem an den vielen Literatur- und Filmklassikern und ihren zahlreichen Verweisen auf Opiumhöhlen. Ob in den Abenteuerromanen Jules Vernes, den Kriminalgeschichten Agatha Christies und Arthur Conan Doyles oder in Comicbüchern wie Tim und Struppi, die Opiumhöhle in einem verruchten Hafenviertel gehört stets zum Inventar. Hinzu kommen einige Schriftsteller, die selbst von Opium abhängig waren, und deren Werke maßgeblich unter Einfluss der Droge entstanden. Einer der frühesten Berichte geht auf den englischen Essayisten Thomas de Quincey (1785-1859) zurück. Sein autobiografisches Buch Confessions of an English Opium-Eater (1821) gehört zusammen mit Opium, journal d'une désintoxication (1930), einem Bericht des französischen Schriftstellers, Dramatikers und Filmemachers Jean Cocteau (1889-1963), zu den bekanntesten Werken der Opiumliteratur. Darin schildern sie ihren Missbrauch und berichten von Halluzinationen, Wahn und Delirium.

Aufgrund des Kontrasts zwischen den realen Auswirkungen des Opiumrauchens und dem Zerrbild, das die idealisierten Darstellungen wiedergeben, gerät es zur Gratwanderung, den Blick auf die schönen Aspekte zu lenken ohne dabei die Schattenseiten zu vernachlässigen und damit die Kunstwerke rund um das Thema Opium hervorzuheben. Und dennoch gilt: Die Faszination bleibt.

Texte von Tobias Baum